Noch sind die Kinder Oberfrankens - wie hier in Kulmbach - voller Hoffnung. Werden sie nach Abschluss ihrer Ausbildung in der Heimat bleiben? Foto: OP
Demografischer Wandel

Die Abwanderung stoppen

Niedrige Geburtenrate und Abwanderung der Jugendlichen in die Städte: Der demografische Wandel ist die größte Herausforderung für Oberfranken in den nächsten Jahren. Politik und Wirtschaft wollen diesen Negativ-Trend mit mehr Bildungsangeboten und regionalen Netzwerken aufhalten. Lokalpolitiker zweifeln, dass das gelingt.

Bis 2034 wird Bayerns nordöstlicher Regierungsbezirk in den Altersgruppen bis 65 Jahren um etwa ein Fünftel schrumpfen. Gleichzeitig wird die Zahl der über 65-jährigen um fast 30 Prozent zunehmen: Der demografische Wandel ist nur durch ein Zusammenwirken von Schulen und Unternehmen zu bewältigen.

 Oberfrankens Regierungspräsident Wilhelm Wenning sieht die Hauptgründe für diesen Schwund in der niedrigen Geburtenrate und der hohen Abwanderung. „Die Konsequenzen dieser Entwicklung sind eine Herausforderung für die gesamte Region“, sagt er. Die Zahl der Schüler und Studenten werde abnehmen, was eine Neustrukturierung des Schulwesens erforderlich mache. Der Einzelhandel werde leiden. Geschäftsschließungen seien wohl nicht zu verhindern.

„Aber es geht noch weiter: Der Öffentliche Personen Nahverkehr wird weniger ausgelastet sein. Die medizinische Versorgung wird schlechter. Der Arbeitsmarkt wird händeringend Arbeitskräfte suchen.“

Problematisch sei auch, dass die technische Infrastruktur, also Wasser- und Abfallentsorgung sowie Energieversorgung, und die kommunale Infrastruktur, also Behörden und Ämter, auf größere Bevölkerungszahlen ausgerichtet seien. „Vor allem aber wird der demografische Wandel die Finanzsituation der Kommunen erheblich belasten.“ Weniger Menschen heiße nun einmal weniger Einnahmen.

Mehr Frauen in die Berufe

Carsten Große-Starmann, der Leiter des Projekts „LebensWerte Kommune“ der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung, rät daher den oberfränkischen Firmen, die Fachkräfte, die sie brauchen, selbst heranzuziehen. Chancen dafür sieht der Jurist und Verwaltungsfachwirt in den bisher vernachlässigten Bevölkerungsgruppen: den 20 Prozent der Jugendlichen, die ihre Ausbildung abbrechen; den älteren Arbeitnehmern, die noch eine berufliche Weiterbildung brauchen, und den Frauen. „Die erwerbstätigen Frauen haben in Deutschland die nach den Niederlanden höchste Teilzeitquote in der EU. Außerdem sind viele Frauen im Niedriglohnsektor beschäftigt. Das liegt daran, dass es zu wenig Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder gibt.“ Ziel müsse also sein, die Frauenerwerbsquote zu steigern.

„Bildung ist ein Standortfaktor“, erläutert Große-Starmann weiter. Schulen und Unternehmen könnten die demografischen Herausforderungen nur gemeinsam lösen. „Dazu braucht es Netzwerke, die regionale Strategien entwickeln.“ Diese könnten möglicherweise die Abwanderung junger Menschen aus Regionen wie Oberfranken abbremsen.

Warum die jungen Leute abwandern

Ob der Trend in die Großstadt allerdings zu stoppen ist, bezweifelt der Kulmbacher Landrat Klaus Peter Söllner. „Ich glaube, dass der Drang zur Akademisierung dazu führt, dass unsere jungen Leute die Region verlassen.“ Modelle wie die duale Bildung, also die Kooperation von Unternehmen mit der Hochschule Hof, seien bereits jetzt mangels Nachfrage an ihre Grenzen gestoßen, moniert er.

Beleg dafür sind auch die Zahlen, die Große-Starmann vorlegt. Danach gab es von 2003 bis 2010 eine starke Abwanderung von 19- bis 24-jährigen aus den Landkreisen Forchheim, Kulmbach, Kronach, Hof und Wunsiedel in die Universitätsstädte Bamberg und Bayreuth. Die Einwände von Söllner seien also berechtigt, meint der Projektmanager. „Aber: Wenn wir gar nichts tun, dann werden wir eines Tages zu viel drastischeren Maßnahmen gezwungen.“