"Unternehmerin des Jahres 2015". Die Mittelstandsunion im Landkreis Starnberg würdigte zuletzt die großen Verdienste der Andechser Molkerei-Chefin Barbara Scheitz. (Bild: jvr)
Andechser Molkerei

Das Glück der Bio-Bauern

Der Milchpreis bedroht die Existenz vieler Bauern. Glücklich schätzen kann sich, wer seinen Betrieb auf ökologische Landwirtschaft umgestellt hat. Der Markt mit Bioprodukten boomt nach wie vor. Das zeigt auch der wirtschaftliche Erfolg der größten Bio-Molkerei Europas: Die Andechser Molkerei Scheitz in Andechs wächst und zahlt ihren Lieferanten einen auskömmlichen Preis.

Barbara Scheitz konnte sich am vergangenen Freitagmorgen entspannt zurücklehnen, der „Brexit“ macht ihr kein Kopfzerbrechen. „Großbritannien zählt nicht zu unseren Märkten“, sagt die Geschäftsführerin der Andechser Molkerei. Und selbst wenn: Die Krisen in Europa und der Welt perlen an dem Unternehmen im Landkreis Starnberg ab wie Wassertropfen an einem Jogurt-Becher. Klar, auch sie habe Umsatzeinbußen in Russland zu beklagen, räumt Scheitz ein. Die Wirtschaftssanktionen setzen ihr aber längst nicht so zu wie anderen konventionellen Mitbewerbern. Die Bio-Molkerei in Andechs ist mit ihren Produkten breit aufgestellt und vor allem regional vertreten: von Jogurt über Molkedrinks bis hin zu herzhaften Käseschmankerln ist alles dabei. Scheitz und ihre Familie erkannten auch früh die Bedeutung der laktosearmen Ziegenmilch, ihr Erfolg ist beachtlich.

Streit mit dem Nachbarn ist beigelegt

Rund 93 Millionen Kilogramm Kuhmilch und 8 Millionen Kilogramm Ziegenmilch werden jährlich in Sichtweite des Heiligen Berg in Andechs verarbeitet, der Umsatz liegt bei rund 145 Millionen Euro. Das nachbarschaftliche Verhältnis zu den Bier brauenden Mönchen war zuletzt allerdings etwas angespannt. Inzwischen haben sich die Wogen aber geglättet und Barbara Scheitz hofft auf ein friedliches Nebeneinander.

Bauern bekommen 47,5 Cent pro Liter Milch

34 Biobauern werden in diesem Jahr zu den bestehenden 630 Lieferanten stoßen, 2017 werden voraussichtlich nochmal 40 neue begrüßt. Beachtliche 47,2 Cent erhalten sie derzeit von der Molkerei für einen Liter Bio-Kuhmilch. Dazu gibt es für die Weidehaltung der Kühe noch einen Zuschlag von 0,3 Cent. Das sei einmalig in Deutschland, sagt Scheitz, da der Preis für die Landwirte existenzsichernd und auskömmlich sein muss. Das müsse auch das Ziel sein, fügt sie hinzu: „Die Bauern sollen sich gut entwickeln können und die Bio-Landwirtschaft voranbringen.“

Niedriger Milchpreis bremst auch das Geschäft der Bio-Bauern

Doch auch die Bio-Molkerei beobachtet die Krise in der konventionellen Landwirtschaft mit großer Sorge. Die Geschäftsführerin weiß von Landwirten, die nur noch 19 oder 21 Cent für einen Liter Milch erhalten. Im Supermarkt-Regal steht die Packung dann für 46 Cent, während die mit dem Bio-Siegel daneben 1,09 Euro kostet. Die Schere geht Scheitz viel zu weit auseinander: Wäre der konventionelle Milchpreis höher, würde auch mehr Biomilch verkauft, ist sie sich sicher.

Es stellt sich die Frage, arbeite ich vom ersten Tag an Bio und habe ich überhaupt die Rohstoffe?

Barbara Scheitz über die Sorgen der Bauern bei der Umstellung zum Bio-Betrieb

Für die konventionell wirtschaftenden Landwirte ist der Wettbewerb derzeit bekanntlich ruinös, die Rufe nach staatlicher Hilfe werden immer lauter. „Aber warum stellen sie nicht einfach auf Bio um?“, fragt sich der Außenstehende. Scheitz zufolge ist es eine Chance, wenn sich der Bauer voll auf Bio einlässt. Längst nicht jeder Betrieb ist geeignet. „Es stellt sich die Frage, arbeite ich vom ersten Tag an Bio und habe ich überhaupt die Rohstoffe“, erklärt die Molkereichefin die Überlegungen vieler Landwirte.

Beratungsstelle im Landwirtschaftsamt prüft, was machbar ist

Der erste Weg für den Bio-Bauern in spe führt zu einer staatlichen Beratungsstelle; in Oberbayern ist sie im Landwirtschaftsamt in Ebersberg. Dort wird geprüft, „ob eine Umstellung machbar ist“, weiß Scheitz. Ein „No-Go-Kriterium“ seien zum Beispiel dauerhaft angebundene Tiere. „Und es muss gewährleistet sein, dass die Tiere ins Freie können“, betont die Unternehmerin. Für eine extensive Landwirtschaft rechnet man demnach in der ökologischen Landwirtschaft mit einem Hektar Land pro Kuh. Die Bauern erhalten unangemeldete Besuche von Kontrolleuren – zum Beispiel vom „Bioland -, die vor Ort alles genau unter die Lupe nehmen. Zusätzlich finden EU-Kontrollen und staatliche Bio-Kontrollen statt. Die Milch selbst wird von unabhängigen Fremdlabors untersucht, in Andechs macht die Molkerei Scheitz das täglich.

Immer mehr Bauen wollen in die Nische

Immer mehr Bauern wollen auf Bio umstellen. Dabei legen sie meist ein gemeinsames Programm auf und beantragen Fördermittel. Die Umstellungszeit für einen konventionellen Hof auf Bio beträgt etwa zwei Jahre. Derzeit ist es möglich, die Umstellungszeit zu verkürzen, wenn der Bauer zuvor dem Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) angehört hat. Dass noch viel Luft nach oben ist, zeigen die Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Bis 2014 wurden deutschlandweit erst 6,3 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche nach den Prinzipien des Ökologischen Landbaus bewirtschaftet.

Alles unter einem Dach

Die in Andechs angekommenen Bio-Landwirte haben ihre Umstellung nicht bereut. Sie stehen hinter der Molkerei; das auch in schwierigen Zeiten. Als vor ein paar Jahren der Streit mit dem Kloster zu eskalieren drohte, unternahmen die Bio-Bauern sogar eine Bittwallfahrt auf den Heiligen Berg und suchten das Gespräch mit den Mönchen. Die Molkereichefin arbeitete derweil an der Betriebserweiterung. Neben einem neuen Verwaltungstrakt im Hundertwasserstil hat das Unternehmen mittlerweile auch ein modernes Hochregallager. Nicht nur die Produktion, sondern auch die gesamte Logistik ist nun in Andechs unter einem Dach vereint, An- und Ablieferung von Milch und fertigen Molkereiprodukten erfolgen rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche.

Molkerei ist wieder vollständig in Familienbesitz

Im Oktober vergangenen Jahres kaufte Scheitz die gut 24 Prozent der Unternehmensanteile zurück, die im Fremdbesitz waren. Sie gehörten lange Jahre der französischen Bongrain-Gruppe. Weil sich die Franzosen aber auch bei der zweitgrößten deutschen Biomolkerei Söbbeke eingekauft haben, sah das Bundeskartellamt den Wettbewerb beeinträchtigt. Scheitz musste die Anteile aus Frankreich früher zurückkaufen als sie es ohnehin vorhatte. Das Unternehmen ist jetzt wieder vollständig im Besitz der Familie.

Natürliches natürlich belassen

Die Andechser Molkerei wurde 1908 gegründet. „Natürliches natürlich belassen“ ist das Credo des Unternehmens. Die Molkerei hat derzeit in Andechs 190 Beschäftigte. Von den 630 Lieferanten sind 530 Bio-Kuhmilchbauern, 100 liefern Bio-Ziegenmilch. Kunden sind der Naturkosthandel, der Lebensmitteleinzelhandel, der Reformhandel sowie die Babynahrungsmittelindustrie. Das Absatzgebiet ist zu 90 Prozent in Deutschland. Der Kreisverband Starnberg der Mittelstandsunion zeichnete die Geschäftsführerin Barbara Scheitz im Juni als „Unternehmerin des Jahres 2015“ aus, 2012 erhielt sie den Wirtschaftspreis des Landkreises Starnberg. Die Andechser Molkerei Scheitz hat die Initiative des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums „Bio aus Bayern“ mit 12 Artikeln unterstützt, die das Bio-Siegel des Freistaates Bayern tragen.