Claude Dornier hatte im frühen 20. Jahrhundert den Flugzeugbau in Deutschland vorangetrieben. Eine seiner berühmtesten Konstruktionen war das Flugboot Do X, das seinerzeit alle Rekorde brach: ein Flugschiff, das bis zu 159 Passagiere und zehn Besatzungsmitglieder befördern konnte. 1929 erhob sich der 30 Tonnen schwere Koloss mit seinen zwölf Motoren auf den Flügeln erstmals in die Lüfte, zwei Jahre später wurde er unter riesigem Jubel in New York City empfangen, als er auf dem Hudson River landete.
Fortschrittlichstes Amphibienflugzeug der Welt
85 Jahre danach sitzt Enkel Conrado Dornier auf dem Stuhl des Aufsichtsratspräsidenten des deutsch-chinesischen Flugzeugherstellers „Dornier Seawings“. „Ich bin dankbar, eine neue Ära für die legendären Dornier-Flugboote mit dem Seastar beginnen zu können“, erklärte er jüngst bei der Präsentation des neuen Flugbootes im Rahmen einer Flugschau in Singapur. Nach Firmenangaben ist es „das fortschrittlichste Amphibienflugzeug der Welt“, entwickelt dafür, sowohl auf Land als auch auf Wasser starten und landen zu können. Mit seiner Vielseitigkeit hebe es sich von Hubschraubern und konventionellen See-Flugzeugen ab. Für das zweite Quartal 2018 ist die Musterzulassung von der Europäischen Agentur für Flugsicherung vorgesehen, anschließend soll die erste Maschine an die Kunden ausgeliefert werden.
Geeignet für VIPs und Regierungsmissionen
Der Vogel kann sich innen wie außen sehen lassen. Je nach Komfort bietet die Kabine sieben bis zwölf Passagieren Platz, der Vergleich mit der eierlegenden Wollmilchsau liegt nahe: Der „Seastar“ sei für VIP-Flüge, kommerzielle, Regierungs- oder auch Firmenmissionen geeignet, heißt es von der chinesischen Firma, die einen zuverlässigen Betrieb „auch unter harten Bedingungen“ garantiert. Der einzigartige „All-Composite“-Bootsrumpf macht demnach sogar Starts und Landungen auf rauer See möglich.
In Oberpfaffenhofen aus Dornröschenschlaf erwacht
Am vergangenen Donnerstag bekamen die Anlieger des Starnberger Sees den „Seastar“ schon einmal zu Gesicht, als er zu Demonstrationszwecken auf dem Wasser landete und anschließend in seinen Heimathangar nach Oberpfaffenhofen bei München (Kreis Starnberg) zurückkehrte. Dort ist das Flugboot aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Den Prototypen gab es schon 1984, doch es fehlte das Geld, um den „Seastar“ zur Serienreife zu bringen. Dass er überhaupt noch existiert, ist Claudius Dornier zu verdanken, dem ältesten Sohn des Urvaters des Projekts. Claudius hielt das Projekt zunächst mit seinem eigenen Geld in den Dornier-Werken in Friedrichshafen am Leben, vor seinem Tod 1986 gründete er 1985 die „Claudius Dornier Seastar GmbH & Co KG“.
Schwerer Rückschlag konnte Projekt nicht stoppen
Die Saat schien aufzugehen: 1990 erteilte das Luftfahrt-Bundesamt die Musterzulassung für das Flugboot, das Okay des amerikanischen Verkehrsministeriums folgte ein Jahr später. Zwei feste Kaufverträge hatte die Firma schon in der Tasche sowie 72 Bestellungen in den Büchern, als das Bundeswirtschaftsministerium die notwendige Förderung des Projekts einstellte. Es wurde auf Eis gelegt. Damit die Technologie nicht verloren ging, gründete Claudius‘ Sohn Claude Dornier 1991 wiederum die Dornier „Seastar GmbH & Co. KG“, die 2001 in der Seawings AG aufging. Der einzige existierende Prototyp wurde gehegt und gepflegt.
Die positive Resonanz der Kunden auf der ganzen Welt macht uns zuversichtlich, dass die Seastar ein kommerzieller Erfolg wird.
Geschäftsführer Albert Halder
Jetzt sind die Chinesen eingestiegen, und die Zeit des Flugboots scheint gekommen: „Die positive Resonanz der Kunden auf der ganzen Welt macht uns zuversichtlich, dass die Seastar ein kommerzieller Erfolg wird“, sagte der Geschäftsführer des Unternehmens, Albert Halder, bei der Flugschau in Singapur. Nach zwei Jahren Upgrades und Entwicklung habe die Produktion der Serie begonnen. Die Chinesen versprechen sich von dem Joint Venture „eine wichtige Position in der internationalen Luftfahrt zu besetzen“, erkärte Fank Liu, Vorsitzender der Wuxi Industrial Development Group. Hauptsitz der Dornier Seawings GmbH bleibt das oberbayerische Oberpfaffenhofen, an dem die Maschinen auch produziert werden. Langfristig ist auch eine Fertigung in China (Wuxi) geplant, 350 Mitarbeiter sollen dort eingestellt und geschult werden, heißt es.