Auf Einladung der MU Erlangen referierte Ministerpräsident a.D. Edmund Stoiber (am Rednerpult, daneben v.l.n.r.: Angelika Balleis, Oberbürgermeister a.D. Siegfried Balleis und MU-Kreisvorsitzender Robert Pfeffer) bei einem Kaminabend nach dem Motto "weniger Bürokratie wagen" über den EU-Bürokratieabbau. (Foto: Helmut Iwann)
MU Erlangen

„Sternstunde“ politischer Information

Zu einem Kaminabend hatte die Mittelstands-Union (MU) Erlangen den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber als Ehrengast und Referenten geladen. Dieser berichtete ausführlich aus seiner späteren Zeit als Vorsitzender einer EU-Arbeitsgruppe zum Bürokratieabbau und den dabei erzielten Ergebnissen.

Von 2007 bis 2014 stand Bayerns früherer Ministerpräsident Edmund Stoiber der „Hochrangigen Gruppe im Bereich Verwaltungslasten“, einer EU-Arbeitsgruppe zum Bürokratieabbau, vor. Die Gruppe sollte die Kommission bei der Verwirklichung schlankerer, einfacherer und kostensparender EU-Rechtsvorschriften beraten. Zudem sollte sie helfen, in anderen EU-Organen und in den Mitgliedsstaaten politische Zusagen für eine verbesserte Rechtsetzung zu erlangen. Darüber sowie über die Erfolge der Arbeit der Gruppe sprach Stoiber auf Einladung der MU Erlangen bei einem Kaminabend im „Bayerischen Hof“ in Erlangen.

Mit viel Herzblut für den EU-Bürokratieabbau

Stoiber bekannte sich dazu, dass er sich nach der Übernahme dieses Ehrenamtes mit vollem Elan und viel Herzblut mit dem dabei dominierenden Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit auseinandersetzte. Am Beginn seiner Herkulesaufgabe mit der Arbeitsgruppe habe daher eine Bestandsaufnahme und das Zusammenführen der unterschiedlichsten Interessen der jeweiligen Gruppierungen, wie Gewerkschaften oder Umweltverbände, aus 28 EU-Staaten gestanden. Davor hätten bei der Rechtsetzung durch die EU lange Zeit die zahlreichen Regelungen als politische Ziele im Vordergrund gestanden – ohne Rücksicht auf mögliche Belastungen durch jene Bürokratie.

Als Konsequenz, wie Stoiber weiter ausführte, beklagten Bürger und Unternehmen auf der einen Seite eine „unbändige“ EU-Regulierungswut sowie eine überbordende Bürokratie. Auf der anderen Seite forderten aber gerade diese Zielgruppen laut Stoiber Regelungen zur Verbesserung des Lebens im Sinne einer höheren Sicherheit im Alltag, wie zum Beispiel zum Schutz der Verbraucher, der Gesundheit, der Umwelt und des Wettbewerbs. Bekannte Beispiele, die auf diese Weise entstanden seien, seien das Verbot von Glühbirnen zur Verringerung des Energieverbrauchs und von Duschköpfen zur Verringerung des Wasserverbrauchs.

Da diese Entscheidungen aber den Lebensalltag der Bürger und der Wirtschaft andererseits wiederum teils massiv beeinflussten, müssten sie rechtzeitig mit allen Beteiligten ausgiebig diskutiert werden. Stoiber plädierte deshalb dafür, dass diese politischen Fragen von den „Amtsstuben“ der Fachausschüsse heraus und wieder mehr hinein in die politische Debatte des EU-Parlaments verlagert würden. Nur dann sei eine ausgewogene gesellschaftspolitische Diskussion unter Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit gewährleistet – mit Mut zur Lücke, so der ehemalige Ministerpräsident.

Bürokratische Entlastung bereits spürbar

Seine Kommissionsarbeit für den EU-Bürokratieabbau habe jedenfalls bereits viele Fortschritte gezeitigt, betonte der EU-Experte. So habe die Kommission bereits Vorschläge mit einem Einsparungsvolumen von 25 Milliarden Euro beschlossen sowie mehr als 100 Maßnahmen aus Eingaben von Bürgern, Unternehmern und Verbänden umgesetzt. Nun seien das europäische Parlament und der Rat gefordert, dem noch zuzustimmen.

Als weiter positiv zu verzeichnenden Schritt habe der damalige EU-Präsident Manuel Barroso begonnen, den Bürokratieabbau auf die Tagesordnung der EU-Kommission zu setzen. Der neue EU-Präsident Jean-Claude Juncker habe später dieses Thema zur Chefsache erklärt und seinen ersten Vizepräsidenten, Frans Timmermanns, die Zuständigkeit dafür übertragen. Und auch er, Stoiber selbst, habe sich, wie er berichtete, auf Bitten von Juncker dazu bereit erklärt, sich in herausgehobener Position weiter im Bereich „bessere Rechtsetzung“ für die Entbürokratisierung einzusetzen.

Wermutstropfen bei seinem Einsatz für den Bürokratieabbau ist laut Stoiber allerdings, dass das beachtliche Ergebnis, das er im Abschlussbericht 2009 dem damaligen EU-Präsidenten Barroso vorlegte, in der Öffentlichkeit viel zu wenig beachtet worden sei und immer noch werde. Daher wolle er die Wirtschaft und vor allem den Mittelstand dazu auffordern, die bereits erzielte beachtliche bürokratische und letztlich auch steuerliche Entlastung gerade der Klein- und Mittelbetriebe zur Kenntnis zu nehmen und auch in und durch ihre Gremien öffentlich zu loben.

Diskussion mit weiteren prominenten Gästen

Das Thema der Entbürokratisierung – auch von Forschungsanträgen und Bauordnungen – gerade auch im Hinblick auf dringend notwendige Sozialwohnungen – war auch der Schwerpunkt der auf Stoibers Referat folgenden Diskussion. In dieser erweiterten Runde begrüßen konnte MU-Kreisvorsitzender Robert Pfeffer den Erlanger Universitätspräsidenten Joachim Hornegger, den SIEMENS-Vorstandsvorsitzenden a.D. Heinrich von Pierer, den Erlanger CSU-Alt-Oberbürgermeister Siegfried Balleis, den stellvertretenden Erlanger CSU-Fraktionsvorsitzenden Kurt Höller und den MU-Ehrenvorsitzenden Christian Nowak.

Mit ihnen vertiefte Stoiber in einer lebhaften Diskussion die von ihm zuvor angesprochenen Themen, die sich später um das Thema der aktuellen Flüchtlingssituation – auch im Zusammenhang mit dem Thema „Sicherheit der Bürger“ – erweiterten. Stoiber warnte in diesem Zusammenhang vor einer ernsten Krise für die Große Koalition, wenn diese nicht zeitnah erkennbare Lösungen für eine Verlangsamung der überbordenden Flüchtlingsströme finde und umsetze. Davon betroffen sei auch die Handlungsfähigkeit von CDU/CSU in ihrer Kernkompetenz „Sicherheit“, schlussfolgerte der CSU-Ehrenvorsitzende.

Auch auf die Frage von Alt-OB Balleis, ob er 2002 das Angebot des damaligen SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder und des französischen Präsidenten Jacques Chirac, die Nachfolge von Romano Prodi als EU-Präsident anzunehmen, heute ablehnen würde, antwortete Stoiber tiefgründig und ehrlich mit den Worten: „Ja, weil man oben im Großen vielmehr gerade für Europa bewirken kann, wie das Ergebnis der Entbürokratisierungsbemühungen zeigt.“ Die Antwort auf die Frage, ob er auch an das Schreiben von Memoiren denke oder für eine Biografie zur Verfügung stehe, blieb er allerdings vielsagend schuldig.