Münchner Mediennacht: Hier der Blick auf den Karlsplatz. (Bild: Anja Schuchardt)
CSU-Mediennacht

Journalismus oder Algorithmus?

Wie viel Kontrolle haben große Konzerne bereits über Medieninhalte gewonnen? Wo liegen die Vorteile und Risiken der digitalen Medientrends? Algorithmen verändern zusehends auch das Stimmungsbild im Internet. Bei der Mediennacht diskutierte das hochkarätig besetzte Panel zum Thema „Roboterjournalismus“, also der automatisierten Produktion von Medieninhalten durch künstliche Intelligenz.

Volles Haus bei der traditionellen CSU-Mediennacht am Montagabend in München. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer diskutierte mit Journalisten und Programmieren über Ängste und Chancen in der Medienwelt und stellte die Grundsatzfragen: „Können Algorithmen die Erfahrung und Einordnungskompetenz von Journalisten ersetzen? Verstärkt die Maschine, die Material auswählt, also entscheidet was erscheint und was nicht, die Gefahr von Manipulation?“

Die Diskussion machte deutlich: Künstliche Intelligenz hat bereits enorme Auswirkungen auf die gesamte Medienbranche und stellt sowohl Produzenten als auch Konsumenten vor völlig neue Herausforderungen und Möglichkeiten.

Prof. Peter Wippermann vom Trendbüro aus Hamburg machte in seiner Keynote deutlich: „Technische Infrastruktur kann plötzlich Inhalte beeinflussen. Nicht mehr Journalisten, sondern Algorithmen können Stimmungen verändern.“

Schreibt der Roboter bald die Wetternachrichten?

Saim Rolf Alkan, Gründer eines Softwareunternehmens zur automatisierten Erstellung von Texten machte klar, dass künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle in den Medien spielen werde. Er sieht aber trotzdem eine positive Zukunft für Journalisten: „Die Journalisten wird es noch lange geben – sie werden nicht arbeitslos.“ Alkan machte deutlich, wo die Vorteile des Roboterjournalismus liegen – nämlich in der Produktion von sehr lokal begrenzten Meldungen, wie beispielsweise Unwettermeldungen. Hierzu lägen oft eine Vielzahl von Daten vor, die automatisch verarbeitet werden könnten: „Solche Meldungen und in dieser Menge kann der klassische Journalismus nicht produzieren.“

Gerade bei den superlokalen Informationen werden wir in den nächsten Jahren eine massive Beschleunigung haben.

Stefan Winners

Stefan Winners, Vorstand der Digitalmarken National Hubert Burda Media bestätigte diesen Anwendungsbereich. Die Zahl der lokalen Sensoren steige konstant an, während gleichzeitig die Rechenkapazität immer besser werde und so immer mehr Daten verarbeitet werden könnten. „Den Gedanken sind keine Grenzen gesetzt“, so Winners.

Sowohl das Nutzerverhalten als auch die Unternehmenskultur einflussreicher Konzerne habe sich enorm gewandelt. „Vom Brexit habe ich über den Livestream von der BBC auf Facebook erfahren“, sagte Winners. Das soziale Netzwerk Facebook zählt weltweit bereits zum fünftgrößten Medienkonzern der Welt. Und manipuliert so Millionen von Nutzern. Denn Algorithmen selektieren, welche Informationen bestimmte Zielgruppen wann bekommen. So entscheide das technische Know-How eines Unternehmens inzwischen über die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Aber die neuen Medienstrukturen bieten nicht nur Chancen für Unternehmen, sie verändern auch die Arbeitswelt der Medienschaffenden.

Teamwork von Mensch und Maschine

Wie eine sinnvolle Ergänzung von Roboterjournalismus und klassischem Journalismus aussehen könnte, machte Anja Miller, die Leiterin der BR-Rundschau-Redaktion, deutlich: „Es ist sinnvoll für Journalisten, Dinge durch Systeme erledigen zu lassen, die sie selbst nicht erledigen müssen“, so Miller. Durch umfangreiche Datenbanken mit lokalen und regionalen Statistiken würden Journalisten entlastet und könnten besser die eigentliche journalistische Arbeit leisten: „Vor Ort sein, einordnen, bewerten.“ Denn das Beispiel der plötzlichen Flutkatastrophe in Niederbayern vor wenigen Wochen zeige: „Nur mit Daten allein kann man eine Flut nicht erklären“. Erst der Journalist könne die Daten dann interpretieren und zu einer Geschichte zusammenfügen, sagte Miller. Journalisten dürften nicht zum Datensammler mutieren, sondern müssen jetzt erst recht die Kunst ihres Handwerkes einsetzen.

Daten sind Bausteine für Journalisten, auf die sie ihr Handwerk aufbauen müssen.

Anja Miller, Redaktionsleiterin Rundschau BR Fernsehen

Gefahr der automatischen Manipulation

Prof. Dr. Simon Hegelich, Forscher im Bereich Big Data, warnte vor einer Verfälschung der öffentlichen Meinung durch automatische Manipulation: „Wir müssen leider davon ausgehen, dass alle Trends zu allen gesellschaftlichen Themen manipuliert sind“, sagte Hegelich. Man könne oft nicht mehr unterscheiden, ob eine Nachricht von einem Menschen komme oder nicht. Hegelich forderte, dass Journalisten auch das Programmierhandwerk in seinen Grundzügen kennen sollten. Denn wer die Grundlagen der Computersprache kennt, versteht auch wie Algorithmen funktionieren.

Journalisten müssen lernen zu programmieren. Erst dann verstehen sie, was ein Algorithmus ist.

Simon Hegelich, Political Data Science TU/HfP München

Beim Thema Datenschutz sieht er Probleme, aber das Generieren von Daten biete auch Vorteile, beispielsweise im Bereich der Biodaten. Sie könnten laut Hegelich das Gesundheitssystem revolutionieren.

Reflektierter Medienkonsum

Abschliessend forderte der CSU-Generalsekretär und Vorsitzende der Kommission für Medien und digitales Leben, Andreas Scheuer, angesichts neuer Entwicklungen wie Roboterjournalisten und Social Bots nicht in Technikskepsis und Kulturpessimismus zu verfallen.

Die Politik gerate angesichts des rasanten Medienwandels allerdings vor zunehmende Herausforderungen. Man setze alles daran, auch weiterhin die richtigen Rahmenbedingungen und rechtlichen Korridore zu setzen. Insgesamt plädierte Scheuer für einen reflektierten Medienkonsum.

Es liegt an uns, mit diesen Informationen umzugehen. Deshalb setzen wir Volksparteien auf den mündigen Bürger.

Andreas Scheuer