Schräg unter rechten Winkeln: Baselitz-Druckgraphiken im Schloss Dachau. (Foto: Florian Göttler/Stadt Dachau)
Kunst

Das Sommerschloss hängt kopfüber

Im Schloss Dachau lockt eine einmalige Ausstellung des Malers Georg Baselitz: "Mit Richard unterwegs". Radierungen, Holz- und Linolschnitte erstrahlen in den Gemäuern der Wittelsbacher-Sommerresidenz. Dafür ließ Baselitz eine spezielle Ausstellungsarchitektur in den Renaissance-Saal zimmern - Moderne unter historischen Holzdecken.

Dachau steht Kopf. Denn der Malerfürst Georg Baselitz, der seine Bilder seit Jahrzehnten 180 Grad gedreht aufhängt, hat die Kreisstadt mit Werken für eine Ausstellung beschickt. Unter dem Titel „Mit Richard unterwegs“ sind bis Mitte August im Schloss Dachau 230 Druckgraphiken des Künstlers vom Ammersee ausgestellt, die zwischen 1995 und 2015 entstanden. Speziell die teils mehr als zwei Meter hohen Holz- und Linoleumschnitte waren bisher in Deutschland selten zu sehen.

Der Kontakt zum 77-jährigen Maler kam über einen Mitarbeiter der örtlichen Volksbank-Raiffeisenbank-Geschäftsstelle zustande. So konnte ein Kunst-Event hierher kommen, das in einer Reihe steht mit Baselitz-Schauen im Münchner Haus der Kunst oder der White Cube Gallery in London. „Wir wollen Dachau für die Zukunft einen Anschub geben“, erklärt Baselitz‘ Sekretär Detlev Gretenkort, unter dessen Aufsicht eine eigene Ausstellungsarchitektur und eine spezielle Beleuchtung für die Exponate entwickelt wurde. Die Genosschenschaftsbank unterstützt das Vorhaben finanziell. „Wir wollen mit diesem Künstler von Weltrang Dachau als Kunststadt ein neues und stärkeres Gewicht in der Öffentlichkeit geben“, erklärt der VR-Vorstand  Karl-Heinz Hempel.

Moderne in der Renaissance

Das Geld von Hempels Instituts ermöglicht einen ungewöhnlich hohen Aufwand: Im Renaissancesaal des Schlosses werden mit Einverständnis der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung die Wittelsbacher-Porträts abgehängt und ein Lüster demontiert. So können die graphischen Exponate des Künstlers, der die Nachkriegsmalerei der Bundesrepublik maßgeblich geprägt hat, in einer Umgebung erstrahlen wie sonst nur königliche Ölgemälde.

Für die Stadt Dachau, deren Name weltweit wegen des von 1933 bis 1945 dort von den Nationalsozialisten betriebenen Konzentrationslagers einen düsteren Beiklang hat, bietet die Baselitz-Schau die einmalige Gelegenheit. Sie kann ihr Bild in der Öffentlichkeit ein wenig zurechtrücken. Denn die Gemeinde hat auch eine Historie als Künstlerkolonie. So lebte Mitte des 19. Jahrhunderts Carl Spitzweg hier, der im Dachauer Schloss eines seiner berühmtesten Bilder schuf: „Der Bücherwurm“. Um die Jahrhundertwende entstand eine eigene Mal-Schule namens „Neu-Dachau“. Weil die Kommune günstige Wohnungen und Ateliers zur Verfügung stellte, lockte sie immer mehr Künstler an. Darunter Max Liebermann, Max Slevogt, Lovis Corinth und Emil Nolde.

Rückkehr in die Künstlerkolonie

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 unterbrach die Entwicklung jedoch. Neu beleben wird die opulente Baselitz-Ausstellung sie wohl kaum. Aber sie knüpft bewusst daran an – und betont so, dass sich der Ortsname Dachau nicht ausschließlich mit dem KZ verbindet. „Mit Richard unterwegs“ ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, donnerstags auch bis 22 Uhr – vom 2. Juni bis 15. August.