Seriöses Haushalten ist ein Markenzeichen der Union. (Bild: Fotolia/Bluedesign)
Schuldenbremse

Kann der Spagat gelingen?

Die Bundesländer ächzen zwar unter den kaum steuerbaren Milliarden-Kosten für die Unterbringung und die Integration Hunderttausender Flüchtlinge und Asylbewerber. Doch an der Schuldenbremse, die ab 2020 eine Null-Neuverschuldung vorsieht, wollen sie nicht rütteln. Das ergab eine dpa-Umfrage bei den Finanzministerien der jeweiligen Bundesländer.

An der Schuldenbremse, die ab 2020 eine Null-Neuverschuldung vorsieht, wollen die Bundesländer, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) unter den Finanzministerien ergab, trotz Flüchtlingskrise nicht rütteln. Dabei haben die Länder ihre Finanzmittel für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge für 2016 teils kräftig aufgestockt. So plant das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen im kommenden Jahr hierfür vier Milliarden Euro ein – doppelt so viel wie 2015. In Bayern sind es 3,31 und in Baden-Württemberg 2,25 Milliarden Euro. Kleinere Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Brandenburg oder Thüringen veranschlagen ihre Ausgaben für Flüchtlinge mit etwas unter einer Milliarde Euro für 2016 – damit aber auch fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Insgesamt planen die Bundesländer rund 17 Milliarden Euro für die Flüchtlinge ein. Und das dürfte nicht einmal reichen, da weitere 200.000 Flüchtlinge, um die der Bund seine Prognose zum Flüchtlingszustrom nach oben korrigieren musste, in diese Zahlen noch gar nicht einkalkuliert sind.

Zuversicht selbst im hochverschuldeten Bremen

Doch an der Schuldenbremse soll deswegen laut den Finanzministerien der Bundesländer nicht gerüttelt werden. Selbst das mit 21,4 Milliarden Euro in der Kreide stehende „Dauer-Haushaltsnotlage-Land“ Bremen, das im ablaufenden Jahr rund 12.000 Flüchtlinge aufnahm – was fast zwei Prozent seiner Bevölkerung entspricht – , trägt das „Wir schaffen das“ im Grundsatz mit. Dies muss kein Widerspruch sein muss, meint die Deutsche Bank Research. Der Staatsverbrauch werde angesichts des Flüchtlingszuzugs und der daraus resultierenden Ausgaben expansiv bleiben. Aber das könne zu höheren Infrastruktur- und Bauinvestitionen führen. Zwar könnten die Staatsfinanzen unter Druck kommen, „dank der hervorragenden Ausgangssituation bleibt ein ausgeglichener Haushalt aber möglich“, resümieren die Banker optimistisch.

Länder sehen Bund mit in der Pflicht

Trotz allem Optimismus bei der Einhaltung der Schuldenbremse sieht aber die rot-grüne Landesregierung von Bremen ganz klar einen dringenden finanziellen Handlungsbedarf des Bundes, was eine Unterstützung bei ihrer Flüchtlings-Ausgabenlast betrifft. Schützenhilfe erhält Bremen hierbei aus einem anderen Sanierungsland, dem Saarland: „Das Saarland wird die Vorgaben zum Defizitabbau voraussichtlich nur dann dauerhaft einhalten können, wenn sich der Bund bei weiter steigenden Kosten der Zuwanderung an deren Finanzierung angemessen beteiligt“, warnte Saar-Finanzminister Stephan Toscani (CDU).

Je nachdem, wie sich die Flüchtlingssituation entwickelt, kann es sein, dass wir für die Kosten der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen müssen.

Karoline Linnert, grüne Finanzsenatorin von Bremen

Bremen bekommt laut Sanierungsvertrag jährlich 300 Millionen Euro Konsolidierungshilfe von Bund und Ländern, wenn es die Neuschuldenreduzierung einhält. Die aktuelle Lage könnte dies gefährden. Deshalb strebt Bremen an, die Flüchtlingskosten gesondert auszuweisen: „Je nachdem, wie sich die Flüchtlingssituation entwickelt, kann es sein, dass wir für die Kosten der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen müssen“, sagte hierzu Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) gegenüber dpa.

Zwar hat der Bund auf dem Flüchtlingsgipfel im September zugesagt, den Ländern im kommenden Jahr 670 Euro pro Flüchtling im Monat zu zahlen; doch den Finanzministern bleibt auch damit der Löwenanteil. Das sächsische Finanzministerium fordert demzufolge vom Bund sogar eine volle Kostenübernahme für die Flüchtlinge. Denn, so heißt es aus Sachsen: „Wir gehen nicht davon aus, dass die Kostenerstattung des Bundes ausreichend sein wird.“ Das Bundesfinanzministerium blockt jedoch solche Forderungen – bislang – konsequent ab.

„Eine der ganz großen Herausforderungen“

Wir investieren Unmengen. Der diesjährige Nachtrag fällt aus dem Rahmen; das ist keine bloße Anpassung des Etats an die üblichen Preissteigerungen. Das ist ein eigener Haushalt für eine der ganz großen Herausforderungen unseres Landes.

Markus Söder, CSU-Finanzminister von Bayern

Das sagte auch Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) Mitte Dezember anlässlich der Abstimmung über den Landeshaushalt für 2016. Den Kostenanstieg kann Söder nicht mehr aus den laufenden Einnahmen decken; gut 1,3 Milliarden Euro müssten daher aus der Rücklage des Freistaats entnommen werden. Auch vor diesem Hintergrund fordert die Bayerische Staatsregierung seit Monaten eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen und sieht finanziell, rechtlich und ideell den Bund in der Pflicht – zur Entlastung der Länder. „Wir können das in Deutschland auf Dauer nicht schultern“, so Söder.

Auch Städtetag fordert mehr Unterstützung

Rückendeckung erhält Söder vom Deutschen Städtetag, der nun ein Meinungsbild zu Flüchtlingsthemen veröffentlicht hat. Dabei weisen die befragten Oberbürgermeister des kommunalen Spitzenverbands darauf hin, dass die Kommunen aktuell bei Aufnahme, Unterbringung und Integration der Menschen die Hauptlast schulterten und sie somit teilweise an ihre Leistungsgrenzen kämen. Bund und Länder müssten bei den Integrationsmaßnahmen die Kommunen daher im kommenden Jahr deutlich stärker unterstützen, lautet die Forderung der Stadtoberhäupter.

Die Stadtspitzen erneuerten in dieser Hinsicht ihre Forderung, dass Bund und Länder die Kommunen finanziell in die Lage versetzen müssten, die Integrationsleistungen im nötigen Umfang zu erbringen. Denn bis dato sei, wie die parteilose Oberbürgermeisterin Barbara Bosch aus Reutlingen betonte, in diesem Zusammenhang eher eine negative Bilanz zu ziehen: „Der Aufwand, der für die gelingende Integration in den nächsten Jahren zu leisten sein wird, hat in den politischen Diskussionen noch nicht angemessene Beachtung gefunden, geschweige denn, dass eine angemessene Kostenerstattung für die Kommunen in Aussicht steht.“

Beteiligung der Bevölke­rung ist unerlässlich

Außerdem müssten laut Städtetag-Mitglieder Bund und Länder den sozialen Wohnungsbau ankurbeln, damit Not- und Gemeinschaftsunterkünfte Übergangslösungen blieben und möglichst schnell genügend bezahlbarer Wohnraum für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive und auch für die einheimische Bevölkerung zur Verfügung stünde. Denn gemeinsam mit Bund und Ländern sehen sich die Vertreter der Städte in der Pflicht, durch entsprechende Maßnahmen die positive Grundstimmung in der Bevölkerung zu Flüchtlingen zu erhalten und zu fördern. „Wir stehen vor einer großen Kraftanstrengung, die Bund, Länder und Kommunen nur gemeinsam bewältigen können“, sagte hierzu die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin und Präsidentin des Deutschen Städtetags, Eva Lohse (CDU).

Der Vizepräsident des Deutschen Städtetags, Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) aus Nürnberg, sieht die praktischen Herausforderungen für 2016 im „gesamten Integrations-Einmaleins“: „Auf der gesellschaftspolitischen Ebene liegt die besondere Herausforderung darin, die moralischen Kräfte der Zivilgesellschaft nachhaltig zu mobilisieren. Im politischen Diskurs wird es entscheidend darauf ankommen, in authentischer Weise sowohl Aufmerksamkeit für die Flüchtlinge zu zeigen als auch für die Anliegen der aufnehmenden Gesellschaft.“

Auch für Augsburgs Oberbürgermeister und stellvertretenden Vorsitzenden des Bayerischen Städtetags, Kurt Gribl (CSU), ist die Beteiligung und Anhörung der Bevölkerung ein unverzichtbarer Bestandteil der Integration sowie des Bewahrens des sozialen Friedens in der Gesellschaft:

Durch die dezentrale Unterbringung machen ganze Stadtteile erstmals Erfahrung mit Flüchtlingen. Damit gibt es mehr Meinungsäuße­rungen, mehr Kritiker und mehr Helfer. Wichtig dabei ist, dass die Balance des sozialen Friedens in der Stadt gewahrt bleibt. Deshalb sind Ängste und Sorgen in der Bevölke­rung sehr ernst zu nehmen.

Kurt Gribl, CSU-Oberbürgermeister von Augsburg

 

(dia/dpa)