Besonders an der Grenze zwischen Bayern und Österreich, wie hier in Freilassing, ist die Zahl der ankommenden Flüchtlinge immens gestiegen. Foto: imago/Eibner Europa
Kabinettssitzung

Bayern fordert Berlin zum Handeln auf

Bei einer Sitzung des bayerischen Kabinetts am Dienstag ging es einmal mehr um den Umgang mit den Flüchtlingen im Freistaat. Sozialministerin Emilia Müller kündigte an, man werde die Zahl der Erstaufnahmeeinrichtungen noch einmal aufstocken. Auch die Kreisverwaltungsbehörden sollen entlastet werden.

Die Flüchtlingskrise war am Dienstag erneut Thema bei einer Sitzung des bayerischen Kabinetts. In ihrem Bericht ging Sozialministerin Emilia Müller dabei insbesondere auf den aktuellen Stand beim Ausbau der Erstaufnahmestellen im Freistaat ein, deren Kapazitäten kontinuierlich erhöht werden. „Alleine seit dem 15. September wurden rund 3000 zusätzliche Plätze in der Erstaufnahme geschaffen. Damit stehen derzeit rund 16.000 reguläre Erstaufnahmeplätze zur Verfügung“, so die Ministerin.

Weitere 17.000 Plätze bis Ende März

Somit wurde die Forderung des Ministerrates, die Zahl der Erstaufnahmeplätze bis Jahresende auf 15.000 aufzustocken, binnen eines Monats erfüllt. Neue Plätze wurden im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck, in der Aufnahmeeinrichtung in Deggendorf, in einer Pionierskaserne in der Oberpfalz, in der Aufnahme- und Rückführungseinrichtung in Bamberg sowie in der Alfred-Delp-Kaserne in Schwaben und mehreren kleinen Einrichtungen geschaffen.

Es ist nicht einzusehen, weshalb wir Wohnraum für Flüchtlinge suchen und anmieten müssen, wenn noch kostenfreie Kasernen zur Verfügung stehen.

Sozialministerin Emilia Müller

Bis Jahresende sollen weitere 9000 Plätze in der Erstaufnahme geschaffen werden, bis Ende März 2016 noch zusätzlich 8000 weitere. Mit Blick auf den erarbeiteten Notfallplan sagte Müller, dass die genutzten Plätze schrittweise durch reguläre Kapazitäten abgelöst werden sollen. Bei einer unerwartet hohen Zugangszahl solle aber auch in Zukunft auf den Notfallplan zurückgegriffen werden.

„Die Änderung des Bundesrechts durch das Asylverfahrenbeschleunigungsgesetz gibt uns die Möglichkeit, den Aufenthalt in der Erstaufnahme künftig deutlich zu verkürzen“, so die Ministerin. Dies werde dazu beitragen, die Anschlussunterbringung zu entlasten, das Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern nicht mehr in eine solche gebracht werden, sondern direkt in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

Unterbringung in Bundesliegenschaften

Um weitere Aufnahmekapazitäten zu schaffen, hat das Kabinett am Dienstag beschlossen, weitere Bundesliegenschaften, insbesondere Kasernen, zur Unterbringung der Asylbewerber zu nutzen. Solange es nutzbare Bundesimmobilien im Einzugsbereich von Gemeinden gibt, wird der Freistaat die Kosten für Neuvermietungen bei Flüchtlingsunterkünften künftig grundsätzlich nicht mehr erstatten.

Auch beim besten Willen und mit den größten Kraftanstrengungen aller Beteiligten können wir eine Herausforderung dieses Ausmaßes dauerhaft nur mit einer sofort wirksamen und nachhaltigen Begrenzung des Zuzugs bewältigen.

Sozialministerin Emilia Müller

Bayern tut alles, um die Flüchtlingswelle in den Griff zu bekommen – doch Emilia Müller erwartet auch Hilfe vom Bund. Die dramatischen Ereignisse an der deutsch-österreichischen Grenze hätten einmal mehr gezeigt, dass eine Begrenzung des Flüchtlingszustroms unumgänglich sei.

Pflichten des Bundes

Die bayerische Staatsregierung will Berlin in die Pflicht nehmen und formulierte dafür einen entsprechenden Maßnahmenkatalog für den Bund:

  • mit allen diplomatischen und entwicklungspolitischen Mitteln Herkunftsländer verstärkt dazu anzuhalten, ihre eigenen Staatsangehörigen zurückzunehmen,
  • die Rücküberstellungen nach dem Dublin-Verfahren für alle Herkunftsstaaten wiederaufzunehmen, prioritär zu behandeln und schnell durchzuführen,
  • die sicheren Herkunftsstaaten Ghana und Senegal vorrangig durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlingen (BAMF) zu bearbeiten,
  • weitere Staaten in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufzunehmen,
  • umgehend die gesetzlichen Voraussetzungen an den deutschen Staatsgrenzen zu schaffen, um unmittelbar Abschiebungen und Zurückschiebungen an der Grenze zu ermöglichen,
  • die sogenannte „Duldung“ in den Fällen abzuschaffen, in denen trotz Ausreisepflicht die Abschiebung unmöglich ist – etwa bei Täuschungen über die Identität oder fehlender Mitwirkungsbereitschaft abgelehnter Asylbewerber bei der Beschaffung von Heimreisepapieren.

Kreisverwaltungsbehörden sollen entlastet werden

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kündigte am Dienstag an, man werde mit zusätzlichen Maßnahmen die Abschiebung und freiwillige Ausreise abgelehnter Asylbewerber beschleunigen. Dafür werde die Staatsregierung die geltenden Zuständigkeiten neu regeln.

Anstatt der Kreisverwaltungsbehörden werde die ausländerrechtliche Zuständigkeit in Zukunft bei so genannten Zentralen Ausländerbehörden bei den Bezirksregierungen liegen. Diese Umstellung werde schrittweise erfolgen, so Herrmann. Zudem werde es eine massive personelle Aufstockung von 750 Stellen im kommenden Jahr geben.

Bis zur geplanten Umstellung müssten die Kreisverwaltungsbehörden, nach Anweisung des Innenministeriums, Aufenthaltsbeendigungen vorrangig behandeln. Unterbliebe die Aufenthaltsbeendigung ohne sachlichen Grund, werde geprüft, wie man künftig die Erstattung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für betroffene Asylbewerber ausschließen könne.

Bayern setzt auf unangekündigte Abschiebungen

Laut Joachim Herrmann werde der Freistaat weiterhin Gebrauch von unangekündigten Abschiebungen machen, sobald die Ausreisefrist abgelaufen ist. Nach seinen Angaben wurden in diesem Jahr rund 3000 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben, 9000 haben ihre Heimreise freiwillig angetreten.

Damit hat Bayern im laufenden Jahr mehr Ausreisen zu verzeichnen, als auf den Freistaat ablehnende Asylentscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge entfallen.

Ton gegenüber Österreich wird schärfer

Deutliche Kritik äußerte Herrmann gegenüber dem Nachbarland Österreich wegen der massenhaften Weiterleitung von Flüchtlingen. Das Verhalten Österreichs sei skandalös, so der Innenminister.

Das können wir uns von niemandem gefallen lassen, und schon gar nicht von unserem Nachbarland Österreich.

Innenminister Joachim Herrmann

Es sei eine gezielte Missachtung der deutschen Grenzkontrollen, wenn die österreichische Regierung ohne Absprache zahllose Flüchtlinge auf einmal zur deutschen Grenze bringe. Joachim Herrmann bezeichnete dieses Verhalten als eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik.