Der bayerische Erneuerer Franz Josef Strauß. Foto: CSU
100 Jahre FJS

„Ein liberal konservativer Parteigestalter“

Aus der aktuellen Ausgabe des BAYERNKURIER-Magazins: Der langjährige CSU-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Theo Waigel erzählt von seinen Erinnerungen an Franz Josef Strauß, der in diesen Tagen seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Waigel nennt Strauß einen "Erneuerer", einen "modernen Parteiführer" und einen "großen Europäer".

In manchen Porträts und zeitgeschichtlichen Abhandlungen wird Strauß als einer der letzten großen Konservativen bezeichnet. Noch heute beklagen manche Anhänger auch in Unionskreisen, dass den Unions-Parteien heute das konservative Profil wie es Franz Josef Strauß verkörperte, fehle. Strauß war es, der 1968 in das neue Parteiprogramm der CSU hineinschreiben ließ, „die CSU sei auch eine konservative Partei“. Damals stellte er sich in Gegensatz zum Zeitgeist, der liberale oder liberalistische Haltungen förderte. 1976 haben wir dann im neuen Parteiprogramm die Begriffe „liberal“, „konservativ“, „sozial“ und „christlich“ für die CSU festgeschrieben. Doch Strauß war von Anfang an ein liberaler Modernisierer der Partei. Das begann mit der Ausrichtung auf eine überkonfessionelle Union, die Christen beider Konfessionen vereinte und sich dem Agnostiker und Atheisten nicht verschloss, wenn er auf den Grundsätzen einer liberal humanistischen und demokratischen Politikauffassung agierte. Er war damals auf der Seite des Parteigründers Dr. Josef Müller. Er erkannte die soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard als moderne Zukunftslösung für eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Deswegen kämpfte er im Frankfurter Wirtschaftsrat für die Ideen von Ludwig Erhard und setzte innerhalb der CSU gemeinsam mit Konrad Adenauer die Koalition von CDU/CSU und FDP 1949 durch.

Strauß führte die mittelfristige Finanzplanung und die Verstetigung des Haushalts auf einen längeren Zeitraum ein.

Seine strategische und geopolitische Begabung zeigte er schon 1952, als er für die europäische Einigung, eine europäische Verteidigungsgemeinschaft und ein flexible Verteidigungsstrategie eintrat. Gegenüber den mehrheitlich noch aus der Weimarer Zeit stammenden Politiker der Nachkriegszeit setzte er sich mit moderner Naturwissenschaft und ihrer Bedeutung für politische Entscheidungen auseinander. Es ist geradezu paradox, dass ein Absolvent eines  humanistischen Gymnasiums und Absolvent eines Geschichtsstudiums sich den Neuerungen der Physik und Chemie zuwandte und sich der Bedeutung der Kernenergie für die Energiepolitik, nicht zuletzt Bayerns, bewusst war.

In seiner Zeit als Finanzminister von 1966 bis 1969 fielen wichtige Entscheidungen über ein neues praktikables Verhältnis zwischen Bund und Ländern und zu einer antizyklischen Finanzpolitik. Er führte die mittelfristige Finanzplanung und die Verstetigung des Haushalts auf einen längeren Zeitraum ein. Das war damals schon das Prinzip der Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik.

In den 70er Jahren war er es, der einen ethisch vertretbaren Kurs in CSU und CDU durchsetzte, als es um Fristenlösung oder Indikationslösung im Hinblick auf den Schutz ungeborenen Lebens ging.

Als Parteivorsitzender unterstützte er die Kräfte in der CSU, die einen gemäßigten Reformkurs in Bildung, Erziehung, Forschung und Lehre vertraten. Er führte in den 60er Jahren die CSU aus der Krise, als sich eine Mehrheit der Bevölkerung gegen den Fortbestand von Konfessionsschulen wandte. In den 70er Jahren war er es, der einen ethisch vertretbaren Kurs in CSU und CDU durchsetzte, als es um Fristenlösung oder Indikationslösung im Hinblick auf den Schutz ungeborenen Lebens ging. Er war sich dessen bewusst, dass eine ausschließlich kirchenrelevante Lösung keine Mehrheit in der Bevölkerung fand, aber eine Fristenlösung oder zu weitgehende Indikationslösung mit dem christlichen Menschenbild der CSU nicht vereinbar war. Mit der Klage in Karlsruhe wurde auch auf diesem Feld eine radikale Lösung verhindert und der Schutz des ungeborenen Lebens grundsätzlich gesichert. Infrastruktur und Verkehrsanbindung und Energiepolitik in Bayern waren immer wieder wichtige Elemente seiner Politik für Bayern und seine Bürger. Der Flughafen München, der zu recht seinen Namen trägt, war auch sein Werk, das er in seiner Zeit als Bayerischer Ministerpräsident gemeinsam mit Anton Jaumann, seinem Wirtschaftsminister entscheidend voranbrachte.

Er hätte die europäische Zusammenarbeit, vor allen Dingen im technologischen Bereich, wohl mit Leidenschaft unterstützt.

Strauß war ein großer Europäer und er wäre als Wegbereiter in den europäische Integrations- und Finanzpolitik eingegangen, wenn er 1982 bereit gewesen wäre, nochmals das Amt des  Bundesfinanzministers zu übernehmen.

Strauß wäre in der ersten Hälfte der 80er Jahre mit Sicherheit ein konsequenter Konsolidierer gewesen und hätte eine symmetrische Finanzpolitik betrieben, d.h. konsolidieren und Wirtschaftsförderung durch Steuerermäßigung gleichermaßen ins Werk gesetzt. Er hätte die europäische Zusammenarbeit, vor allen Dingen im technologischen Bereich, wohl mit Leidenschaft unterstützt, was er ja als Oppositionspolitiker und gleichzeitiger Vorsitzender des Aufsichtsrats von Airbus unter Beweis stellte. Seine europäische und Jahrzehnte lange Grundüberzeugung hätte ihn auch zum Wegbereiter einer gemeinsamen europäischen Währung gemacht, die er seit den 50er und 60er und 70er Jahren für notwendig befunden hatte.

Er war ein Erneuerer, ein moderner Parteiführer auf der Höhe der Zeit.

Ich weiß nicht, ob er mit der Bezeichnung EURO einverstanden gewesen wäre oder ob ihm ein klangvollerer Name aus der europäischen Geschichte eingefallen wäre. So wie Strauß in seinen letzten großen Reden den Siegeszug der westlichen Zivilisation durch moderne Technologie, Forschung, Wissenschaft und Philosophie voraussagte, so hätte er auch die europäische Einigung nicht nur auf wirtschaftlichem sondern auch auf sicherheits- und außenpolitischem Feld entscheidend propagiert. Er war ein Neuerer, ein moderner Parteiführer auf der Höhe der Zeit.

-Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin-

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