Wer soll Sterbewilligen eine tödliche Dosis Gift reichen dürfen? Der Bundestag debattiert derzeit intensiv darüber. (Symbolbild: imago)
Sterbehilfe

Begleitung statt Beihilfe

In Deutschland wird das Thema Sterbehilfe seit längerem kontrovers diskutiert: Wie weit geht das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und wo müssen Staat und Gesellschaft Grenzen ziehen?

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Dass Artikel 1(1) unseres Grundgesetzes für ein Leben in Würde gilt, ist eindeutig. Doch wenn es stimmt, dass der Tod zu unserem Leben gehört, was bedeutet dieser Satz dann für das Sterben? In Deutschland wird dies seit längerem kontrovers diskutiert: Wie weit geht das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und wo müssen Staat und Gesellschaft Grenzen ziehen?

Ausgehend von der auch im Deutschen Bundestag seit vergangenen November kontrovers geführten Debatte, was eine gesetzliche Regelung der (organisierten) Sterbehilfe betrifft, leistete die CSU Erlangen um deren Kreisvorsitzende Alexandra Wunderlich mit einer hochkarätig besetzten Diskussionsveranstaltung einen Beitrag dazu, das Thema erneut auch in den Fokus einer breiten gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu rücken.

Unter der Überschrift „Hilfe beim Sterben – Hilfe zum Sterben? In Würde!“ diskutierten unter der Moderation von Professor Andreas Frewer neben Vertretern aus Medizin und Wissenschaft auch der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann und der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Stefan Müller.

Die Würde, der zentrale Begriff der Debatte, werde oftmals von der falschen Seite betrachtet, so die Vorsitzende des Hospiz Vereins Erlangen, Inge Schwemmle. Statt einer Hilfe zum Sterben brauche es vielmehr eine Assistenz zum Leben. In gleicher Weise entschieden wie die Medizinerin sprach sich auch Joachim Herrmann insbesondere gegen die „organisierte und gewerbsmäßige Sterbehilfe im großen Stil“ aus. Erlaube man derartige Einrichtungen, sei der Tag nicht mehr weit, dass sich Menschen zum Selbstmord regelrecht ermuntert fühlten. „Hier müssten klare Grenzen gezogen werden.

Medizin für das Leben, nicht für das Sterben

Carsten Klein

Auch die Gesellschaft sieht der CSU-Spitzenpolitiker in der Pflicht. Man dürfe keinesfalls in die Situation kommen, dass sterbenskranke Menschen das Gefühl bekommen, sie würden der Gesellschaft zur Last fallen und es womöglich gar angebracht sei, aus dem Leben zu scheiden. „Vielmehr müssen es uns die Menschen auch Wert sein, durch palliativmedizinische Versorgung eine Hilfestellung zu bekommen“, sagte der Bayerische Innenminister. „Richtig ist aber auch, dass wir das Sterben nicht unnötig verlängern. Wenn das Leben zum Ende kommt, macht es keinen Sinn, dass man die Apparate künstlich weiterlaufen lässt“, machte der Jurist deutlich.

Seine Aufforderung, das Sterben nicht auszugrenzen beziehungsweise auszugliedern sondern vielmehr wieder verstärkt auch in die Familien hineinzubringen, griffen auch der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Professor Peter Dabrock, und Michael Thümmler, Vorstandsmitglied der Hausärzte Erlangen und Umgebung, auf. Letzterer plädierte ebenfalls für ein „Sterben an der Hand und nicht durch die Hand“. „Es ist niemals Aufgabe eines Arztes, beim Suizid zu assistieren“, sagte der langjährig erfahrene Facharzt für Allgemeinmedizin. Welche Aufgabe den Medizinern stattdessen zufalle, machte der Leitende Oberarzt der Palliativmedizinischen Abteilung am Universitätsklinikum Erlangen, Carsten Klein, deutlich.

„Medizin für das Leben und nicht für das Sterben, das ist unsere Aufgabe“, sagte der Palliativmediziner. Natürlich würden immer wieder Menschen auch an ihn mit der Bitte herantreten, ob er den Tod nicht ein wenig schneller herbeiführen könne. „In solchen Situationen muss man immer genau hinhören und sehen, wo die tatsächlichen Gründe für solche Äußerungen liegen“, so Carsten Klein. Oftmals trete dann nämlich doch auch die andere Seite zu Tage.

Ein klares Nein zur organisierten Sterbehilfe

Aufgrund der Tatsache, dass mit zunehmend besserer palliativmedizinischer Versorgung der Wunsch zu sterben in den Hintergrund tritt, brachte Staatssekretär Stefan Müller den Wunsch zum Ausdruck, „dass wir in der Palliativmedizin noch besser werden“. Gemeinsam mit dem Bund überlegt sein Ministerium in diesem Zusammenhang, weitere Forschungsprogramme auf den Weg zu bringen.

Mit der Aussage „Das Sterben gehört mir“, habe er insbesondere als gläubiger Christ ein Problem. „Genauso wie man nicht für sich alleine lebt, stirbt man auch nicht für sich alleine, gerade die Angehörigen sind ebenfalls unmittelbar betroffen“, so der Erlanger CSU-Bundestagsabgeordnete. Auch in Bezug auf die organisierte Sterbehilfe bezog Stefan Müller klar Position: „Wenn ich dies zulasse, folgt als nächster Schritt die Forderung, auch die Tötung auf Verlangen straffrei zu stellen. Eine solche Werteverschiebung möchte ich hierzulande nicht akzeptieren.“

Im Hinblick auf die Beihilfe zum Suizid sehe er daher bei der derzeitigen Rechtslage keinen Handlungsbedarf. „Im Klartext: Das Verbot von organisierter Sterbehilfe – egal ob durch einen Verein oder geschäftsmäßig ausgerichtet – muss uneingeschränkt bestehen bleiben“ – eine Aussage, die nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den Diskutanten auf dem Podium auf breite Zustimmung stieß.