Hochkonjunktur für Seelsorger: Bei Katastrophen wie einem Flugzeugabsturz sind nicht nur die Rettungskräfte gefragt. Bild: Fotolia, steschum
Flughafenseelsorge

Drinnen ist Innehalten, Draußen ist Kurzatmigkeit

Entsetzte Abholer, Angestellte, die fassungslos sind – nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in Südfrankreich war es jenes Bild, das die Flughafenseelsorger dort erwartete, wo eigentlich 150 Menschen sicher hätten landen sollen. Die Betroffenen nicht alleine lassen, nur eine Aufgabe unter vielen auch für die Flughafenseelsorge in München.

München – Stimmengewirr verschwimmt zum unverständlichen Sprachenbrei. Rolltreppen klappern, Koffer scheppern. Eilige Schritte, Hektik allenthalben. Abflug und Ankunft im Minutentakt. Menschen verabschieden sich, liegen einander in den Armen, starten und landen. Es gibt Orte, die sind nicht zum Verweilen gedacht.

Eine Etage höher, in zentraler Lage zwischen den beiden Terminals, schiebt sich ein Vorhang vor diese Szenerie. Ein leichter Druck gegen die schwere Tür und der automatische Öffner gewährt surrend Einlass in eine andere Welt. Hinter Raum Z 4270 verbirgt sich Stille. Der rastlose Flughafenbetrieb bleibt draußen.

Den einzigen Ort an Münchens Tor zur Welt, an dem keine Durchsagen zu hören sind, erhellt warmes, gedämpftes Licht. Die hektische Welt draußen im Terminal verschwimmt im Milchglasfenster. Plötzlich ist sogar das monotone Surren der Klimaanlage wahrzunehmen. „Willkommen in der Christophoruskapelle am Münchner Flughafen.“

Drinnen ist Innehalten, Draußen ist Kurzatmigkeit. Franz Kohlhuber kennt beide Welten, die stille und die laute. Der 52-jährige Pastoralreferent ist katholischer Seelsorger am Münchner Flughafen. Gemeinsam mit einer evangelischen Kollegin, Sozialpädagogen und Sekretärinnen kümmert sich der „moderne Engel“ um Passagiere, Flughafenmitarbeiter, Flüchtlinge, Notfallbetroffene, Besucher und Gottesdienstangebote.

Das Überbringen von Todesnachrichten – eine immer wiederkehrende Aufgabe

Die ökumenische Kapelle ist das Herzstück des Kirchlichen Dienstes am Flughafengelände und bietet neben Gottesdiensten, Rückzugsmöglichkeiten für Reisende und Beschäftigte, egal welchen Glaubens. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, entzünden Gäste hier Kerzen vor dem Bild des Kapellenpatrons Christophorus, um ihren Alltagssorgen, Glück, Dank und Leid Ausdruck zu verleihen.

In diesen Tagen besonders von Letzterem. Im Kondolenzbuch für die Opfer und Angehörigen des Absturzes der Germanwings-Maschine versuchen die Menschen ihre eigene Fassungslosigkeit in Worte zu fassen, ihr Beileid auszudrücken und denen Mut zuzusprechen, die diesen verloren haben.

Dass es am Flughafen, jenem Ort menschlicher Sehnsüchte und Emotionen, auch „Adieu“ und nicht „Auf Wiedersehen“ heißen kann, weiß auch Franz Kohlhuber nur allzu gut. Abschiedsschmerz und Wiedersehensfreude liegen eng beieinander. Das Überbringen von Todesnachrichten – ein immer wiederkehrender Bestandteil der Aufgaben des Münchner Flughafenseelsorgers.

Gilt es, einem Passagier auf dem kurzen Zwischenstopp in München mitzuteilen, dass er im heimischen Johannesburg einige Stunden später nicht seinen Sohn in die Arme schließen kann, weil dieser zu Hause in der Badewanne ertrunken ist oder den Abholern, dass sie Freunde und Familienangehörige nicht wieder in die Arme schließen können – stets ist der Beistand des Geistlichen gefragt.

Durchbrechen der Symphonie aus Hektik und Betriebsamkeit

„In all diesen Fällen geht es darum, die Menschen spüren zu lassen, dass in diesen Momenten, wo sie nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll, jemand für sie da ist“, sagt Franz Kohlhuber. Momente, die auch weniger dramatisch sein können. Etwa dann, wenn mal wieder ein mittelloser Passagier an der Flughafeninformation erscheint. Die Geldbörse beim letzten Espresso am Flughafen in Tunesien an der Bar liegen gelassen, fehlt nun das Geld für das Bahnticket nach Hause.

Die Flughafenseelsorge hilft auch in solchen Fällen aus. Theologisch tiefgehende Gespräche im engeren Sinn sind es nicht in erster Linie, weswegen die Menschen den Kontakt zum Seelsorger suchen. Für Franz Kohlhuber macht gerade dies den Reiz der Aufgabe aus. „Letztlich kann ich hier in dieser völlig säkularen Flughafenwelt wirklich noch Seelsorge an den Menschen leisten, für sie da sein und zeigen, dass das, was wir machen, auch in dieser Welt Relevanz hat“, sagt er.

Den Menschen in den oftmals nur wenigen verbleibenden Minuten zwischen Ankunft und Weiterflug ihren Weg mit einer positiven Erfahrung mehr weitergehen zu lassen, gehört genauso zu seinem Credo, wie stets unterwegs zu sein und ins Gespräch zu kommen. „Wenn am Flughafen jemand in eine Lage kommt, in der er nicht mehr weiter weiß, soll er wissen, dass es da jemanden gibt“, sagt er.

Nimmer müde lädt er zum Besuch der Kapelle ein, diesen Ort, der die Symphonie der Hektik und Betriebsamkeit und das Streben nach Pünktlichkeit, Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit durchbricht. Dafür, dass es gerade deshalb an einem Flughafen eine solche Rückzugsmöglichkeit braucht, sprechen in diesen Tagen alleine die Einträge im Kondolenzbuch.

Kni