Kampf gegen kriminelle Parallelgesellschaften
Erstmals hat das BKA Zahlen zur Clan-Kriminalität in Deutschland vorgestellt. Demnach liefen im vergangenen Jahr die meisten Verfahren in Nordrhein-Westfalen. Mehr als 650 Verdächtige hatte die Justiz bundesweit im Visier - viele aus dem Libanon
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Kampf gegen kriminelle Parallelgesellschaften

Erstmals hat das BKA Zahlen zur Clan-Kriminalität in Deutschland vorgestellt. Demnach liefen im vergangenen Jahr die meisten Verfahren in Nordrhein-Westfalen. Mehr als 650 Verdächtige hatte die Justiz bundesweit im Visier - viele aus dem Libanon

In keinem anderen Bundesland laufen so viele Ermittlungsverfahren gegen kriminelle Familienclans wie in Nordrhein-Westfalen. Das geht aus einem bundesweiten Lagebild des BKA zur Organisierten Kriminalität hervor, das erstmalig auch die kriminellen Großfamilien erfasst hat. Danach waren im vergangenen Jahr 22 der insgesamt 45 Verfahren gegen kriminelle Clans – und damit fast die Hälfte – in dem bevölkerungsreichsten Bundesland angesiedelt.

Sieben Clan-Verfahren in Bayern

Ermittler in Bayern betreuten sieben Verfahren, die sich gegen Großfamilien richteten. Fünf Ermittlungsverfahren betrafen Tatverdächtige in Berlin. Unter den bundesweit 654 Tatverdächtigen in diesem Bereich stellten die Libanesen mit 152 Tatverdächtigen die größte Gruppe.

BKA-Präsident Holger Münch definierte die Clans als „ethnisch abgeschottete Subkulturen“, die in der Regel patriarchalisch-hierarchisch organisiert sind und einer „eigenen Werteordnung“ folgen. Es gelte der Entwicklung von Parallelgesellschaften entgegenzutreten, die unseren Staat nicht akzeptierten,  versuchten eigene Regeln aufzustellen oder NoGo-Areas zu schaffen, so Münch.

Die Bedrohung für unser Land durch Strukturen der organisierten Kriminalität  ist unverändert hoch.

Horst Seehofer Bundesinnenminister

Insgesamt ging die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Gruppierungen der Organisierten Kriminalität im vergangenen Jahr von 572 auf 535 Verfahren zurück. Bundesinnenminister Horst Seehofer sieht darin keinen Grund zur Entwarnung: „Die Bedrohung für unser Land durch Strukturen der organisierten Kriminalität  ist unverändert hoch“, sagte er bei der Vorstellung des Berichts. Mit Blick auf die Clan-Kriminalität sagte Seehofer: „Kriminelle Parallelgesellschaften darf es in unserem Land nicht geben.“

Im Bundesinnenministerium gibt es Überlegungen, Mitgliedern von Verbrecherbanden mit Doppelpass die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. Bisher gibt es das nur für Doppelstaatler, die sich Terrormilizen im Ausland anschließen.

Millionenumsätze mit Drogen

Bei den Drogendelikten (201 Verfahren) wurde ein leichter Rückgang um 2,9 Prozent registriert. Ein Großteil der OK-Gruppierungen verübt seine Straftaten allerdings nach wie vor überwiegend in diesem Bereich. Bei der Eigentumskriminalität blieb die Anzahl der geführten OK-Verfahren mit 93 und einem Anteil von 17,4 Prozent laut BKA „relativ konstant“. Diese beiden Kriminalitätsfelder machten erneut mehr als die Hälfte aller gemeldeten OK-Verfahren (294 von 535) aus. Einen leichten Anstieg gab es bei den Ermittlungen gegen Schleuserbanden.

Das BKA beziffert den durch die OK verursachten Gesamtschaden auf rund 691 Millionen Euro  – eine Zunahme um mehr als 300 Prozent gegenüber 2017 (209 Millionen Euro). Die stark gestiegene Schadenssumme basiert hauptsächlich auf den gemeldeten Schäden bei der Eigentums- und Wirtschaftskriminalität sowie bei Steuer- und Zolldelikten. Einen großen Anteil daran hat der Schmuggel mit Rauschgift. Die von Ermittlern beschlagnahmten Vermögenswerte stiegen von 24 Millionen auf 72 Millionen Euro ebenfalls deutlich an.

Hohe Gewaltbereitschaft bei tschetschenischen Banden

Insgesamt wurden 6483 OK-Tatverdächtige (davon 2023 Deutsche und 4460 „Nichtdeutsche“) polizeilich erfasst, darunter 464 (7,2 Prozent) tatverdächtige Zuwanderer. Unter den Ausländern dominierten die Türken mit 714 Verdächtigen und polnische Staatsbürger (404 Verdächtige). Eine „überdurchschnittlich hohe Eskalations- und Gewaltbereitschaft“ beobachtete das BKA 2018 bei Verbrecherbanden, die von Tschetschenen dominiert werden.

Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, verlangt von den Bundesländern, mehr Personal für den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität bereitzustellen. „Die verschärften Vorschriften zur Vermögensabschöpfung haben sich im Kampf gegen Organisierte Kriminalität bewährt“, sagte Rebehn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland . „Im Vollzug der Vorschriften gibt es noch Luft nach oben, weil es an Rechtspflegern, Staatsanwälten und Richtern fehlt, um die neuen gesetzlichen Möglichkeiten flächendeckend ausschöpfen zu können.“

(dpa)