Jubiläum: 150 Jahre Schloss Neuschwanstein. (Bild: imago Images / Blickwinkel / McPhoto /M. Gann)
Neuschwanstein

150 Jahre Märchenschloss

Vor 150 Jahren wurde der Grundstein von Schloss Neuschwanstein gelegt - und nun gefunden. Ein Blick in die Geschichte des weltberühmten Märchenschlosses, das so viele Menschen bis heute fasziniert.

Es ist weltbekannt und einer der größten Touristenmagnete Deutschlands: Das Schloss Neuschwanstein bei Füssen. Es wird jährlich von etwa 1,5 Millionen Touristen besucht. Nun feiert es sein 150-jähriges Jubiläum.

Aus einem Märchen

Auf der Bergspitze thront das weiße Schloss wie eine Majestät, die übers Land blickt: Seen, Hügel, Baumwipfel und eine tiefe Schlucht. In der Allgäuer Voralpenlandschaft wirkt das Bauwerk fast unwirklich, wie aus einem Märchen. Auch die 150-jährige Geschichte von Schloss Neuschwanstein könnte ein Märchen sein – eines von Träumen, Fantasien und vom Scheitern.

Die Historie von Schloss Neuschwanstein ist unmittelbar verbunden mit dem Schicksal von Bayerns König Ludwig II., dem Bauherrn. Als sein Vater starb, wurde Ludwig II. mit 18 Jahren König von Bayern. Der junge Thronfolger war in Geschäftsdingen unerfahren – und bekam das zu spüren. Das eigene Kabinett hat ihn oft ausgebremst, sagen Historiker. Im Jahr 1866 verlor die bayerische Armee im Bündnis mit Österreich eine Entscheidungsschlacht im Deutschen Krieg, die Schlacht bei Königgrätz gegen Bismarcks expandierendes Preußen. Ludwig II. soll die Niederlage als persönlichen Misserfolg gewertet haben.

Flucht in die Traumwelt

Immer öfter sucht er Zuflucht in einer Traumwelt, denn in der Realität schien er nicht glücklich. Zeitzeugen bezeichneten ihn als „Exzentriker“, andere glaubten, er sei verrückt. Wahnsinnig klang auch seine Vision von einem prachtvollen Schloss auf einem zerklüfteten Felsen. Der Berg mit einer Ruine gegenüber von Schloss Hohenschwangau war ihm schon als Kind aufgefallen.

Ein Bau im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen.

König Ludwig II.

Dort wolle er einen Bau „im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen“ entstehen lassen, schrieb er in einem Brief an Richard Wagner und kündigte an, in drei Jahren einziehen zu wollen. Die Bühnenbilder von Wagners Opern und die Wartburg nahe der thüringischen Stadt Eisenach waren Inspiration für das romantische Schloss. Mit Dynamit wurde die Bergspitze zu einem schmalen Plateau gesprengt. Am 5. September 1869 erfolgte die Grundsteinlegung.

Mit modernster Technik

Vom Sockel bis zur Turmspitze war das Schloss auf dem modernsten Stand der Technik des späten 19. Jahrhunderts. Geheizt wurde durch ein Rohrsystem, das im Winter warme Luft in die Räume blies. Essen wurde mit einem Speiseaufzug von der Küche direkt in den Speisesaal transportiert. Weitere Highlights waren fließendes, zum Teil warmes Wasser und eine automatische Toilettenspülung.

In den Prunkräumen funkeln Edelsteine, Gold und Glas. Wände sind mit Szenen aus Lohengrin und Parzival bemalt, mit Rittern und Heiligen. Durch die Außenfassade im weißen Kalkstein glich Ludwigs Kunstwerk immer mehr einem hübschen Schwan, der sich langsam in die Höhe reckt. Das romantische Gebäude wurde ein Kontrast zur industriellen Revolution – und vermutlich zu Ludwigs Verhängnis.

Kostenexplosion und Kaiserproklamation

Vom Torbau des Schlosses, wo Ludwig zeitweilig wohnte, konnte er die Bauarbeiten beobachten und, er soll ständig neue Änderungswünsche gehabt haben. So war anstelle des großen Thronsaales ursprünglich nur ein Arbeitszimmer geplant, Gästezimmer wurden aus den Entwürfen wieder gestrichen, um Platz für einen Maurischen Saal zu schaffen, der aufgrund der ständigen Geldknappheit aber nicht realisiert werden konnte. Mehr als das Doppelte der angedachten Summe kostete der Schlossbau, umgerechnet mehr als 100 Millionen Euro. Doch anders als oft berichtet wird, bezahlte Ludwig II. seine Bauprojekte aus seinem Privatvermögen und dem Einkommen seiner Zivilliste, also dem aus der Staatskasse gewährten Zuschuss, nicht jedoch direkt aus der Staatskasse. Er musste jedoch mehrere hohe Kredite aufnehmen.

Der König von Bayern ist durch Bauten und Theater in große Geldverlegenheit geraten.

Graf Holnstein, 1870

Ein Ratgeber Ludwigs, Graf Holnstein, telegrafierte an Bismarck schon ein Jahr nach Baubeginn: „Ganz geheim. Der König von Bayern ist durch Bauten und Theater in große Geldverlegenheit geraten. Sechs Millionen Gulden würden ihm sehr angenehm sein, vorausgesetzt, dass die Minister nichts erfahren. Für diese Summe würde er sich auch zur Kaiserproklamation […] entschließen.“ Für Bismarck war diese Bitte eine Chance, die deutsche Einheit und den Beitritt Bayerns zum Reich auszuhandeln.

Der Märchenkönig lebte nur wenige Monate im Schloss, erlebte die Fertigstellung von Schloss Neuschwanstein aber nicht mit. Im Juni 1886 starb der König auf mysteriöse Weise, wohl ertrunken im Starnberger See – was bis heute von vielen bezweifelt wird, weil es Kampfspuren bei dem ebenfalls ertrunkenen Psychiater Bernhard von Gudden gab und beide nur 25 Schritte vom Ufer entfernt im seichten Wasser aufgefunden wurden. Kurz zuvor hatte die bayerische Regierung Ludwig II. für unmündig erklärt, denn ein verschuldetes Staatsoberhaupt mit einigen Spleens, das stieß auf Unwillen und Unverständnis. Er wurde aus Schloss Neuschwanstein abgeführt, wegen angeblicher Geisteskrankheit.

Begeisterte Besucher

Nur sechs Wochen nach dem Tod des Märchenkönigs durften Besucher Schloss Neuschwanstein besichtigen. Um einen reibungslosen Besichtigungsverlauf des Schlosses zu gewährleisten, wurden einige unvollendete Räume noch fertiggestellt. Das Eintrittsgeld sollte helfen, die Kredite des Königs abzubezahlen. Die Bürger sollten sehen, wofür ihr König Unmengen an Geld verprasst hatte, seine Beliebtheit sollte damit beschädigt werden. Aber: Die Bayern waren begeistert. Schloss Neuschwanstein wurde im Jahr 1892 in vereinfachter Form fertiggestellt. Im Zweiten Weltkrieg diente es zeitweise als Depot für von den Nazis geraubte Kunst aus Frankreich. Die SS überlegt gegen Kriegsende sogar die Sprengung.

Was einst Rückzugsort eines menschenscheuen Königs werden sollte, ist nun Reiseziel von Millionen Touristen aus der ganzen Welt. Durchschnittlich werden 7000 Gäste am Tag durch die Säle getrieben – alle fünf Minuten eine neue Besuchergruppe. Rund 69 Millionen Menschen haben bis dato Ludwigs pittoreske Räume betreten.

Grundstein gefunden

Zum 150. Jahrestag verkündete Bayerns Heimatminister Albert Füracker (CSU) einen besonderen Fund: Der Grundstein von Schloss Neuschwanstein wurde gefunden. Aus Bauplänen war ersichtlich, dass sich dieser im Ritterbad befindet und dahinter eine Metallkapsel liegt, in der die Grundsteinlegungsurkunde, Porträts von Ludwig II., Bauentwürfe und eine Figur der Heiligen Maria zu finden sind. Ein Sprengkommando des Bayerischen Landeskriminalamts suchte die Wände mehrere Stunden mit einem Minensuchgerät ab, bis der Ziegelstein gefunden werden konnte. Den Stein aus dem Gemäuer rausnehmen, um an die Kapsel zu kommen, möchte die Bayerische Schlösserverwaltung aus Denkmalschutzgründen nicht.

Derzeit wird Schloss Neuschwanstein für rund 20 Millionen Euro saniert. Trotz Baugerüsten können Besucher das Schloss besichtigen. Noch bis 2020 sollen Schönheitsmakel wie Risse in den Außenmauern, instabile Buntglasfenster, verblasste Wandfarben, beschädigter Parkettboden, behoben werden. Auch wird wissenschaftlich geprüft, wie man die von den vielen Besuchern ausgeatmete Feuchtigkeit, die Bausubstanz und Einrichtung schädigt, verringern kann. Abgesehen davon scheint es, als stünde alles noch genauso da, als wäre König Ludwig II. nur mal eben fortgegangen.

Das Schloss diente als Vorbild etwa für die Disney-Burgen, ein Hotel in China und ein Casino in Las Vegas. Eine Aufnahme der „Ludwig-Schlösser“ Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO wird angestrebt. Bei der Abstimmung über die neuen sieben Weltwunder im Jahr 2007 war Schloss Neuschwanstein auf dem achten Platz zu finden.

(dpa/BK)