Horst Seehofer ist Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat. (Foto: Marko Priske/BK)
Kommunen

Stadt, Land – Geldfluss

Der Ausgleich zwischen Metropolen und ländlichen Räumen beschäftigt die Bundesregierung. Heimatminister Horst Seehofer kündigt Unterstützung für Kommunen an, die in Finanzproblemen stecken. Der Altschulden will er aber nur bedingt übernehmen.

Ärzte sind rar, die Handynetze löchrig, der Bus fährt selten und für Investitionen fehlt Geld ­– gegen solche Probleme in abgehängten Regionen will die Bundesregierung in Zukunft stärker angehen. „Das Ziel ist, den Menschen die Möglichkeit zu geben, in ihrer Heimat zu leben“, sagt Innen- und Heimatminister Horst Seehofer. „Dazu müssen wir die Strukturpolitik und die Förderpolitik in Deutschland neu justieren.“ Strukturschwache Regionen gebe es nicht nur im Osten des Landes, auch andere Gebiete brauchten besondere Hilfe.

Navigator durch ein ungleiches Land

Grundlage dieses Vorhabens ist der neue „Deutschlandatlas – Karten zu gleichwertigen Lebensverhältnissen“, den Seehofer jetzt vorgestellt hat. Die umfängliche Datensammlung soll der Bundesregierung helfen herauszufinden, wo die Probleme am größten sind. So zeigt der „Deutschlandatlas“ etwa: Im Osten Sachsen-Anhalts, im nördlichen Brandenburg und im Nordwesten von Niedersachsen haben 2017 besonders viele Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen. Während das in Mainz und Darmstadt nur bei weniger als drei Prozent der Schüler der Fall war, lag der Anteil der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss in Chemnitz, Ludwigshafen am Rhein und Eisenach sowie in den Landkreisen Sonneberg und Jerichower Land zwischen 13 und fast 17 Prozent.

Der Ausländeranteil ist im gesamten Osten niedrig. Doch nirgends leben so wenige Zuwanderer wie in Bautzen und im sächsischen Erzgebirgskreis. Hier erreicht der Anteil an der Bevölkerung kaum zwei Prozent. In Boom-Städten wie München und Frankfurt am Main, in Pforzheim und Offenbach hat dagegen jeder dritte bis vierte Einwohner keine deutsche Staatsbürgerschaft.

Es gibt Regionen, die drohen den Anschluss zu verpassen.

Julia Klöckner, Agrarministerin

Die meisten Wohnungseinbrüche verzeichnete die Polizei in Hamburg, Delmenhorst, Mühlheim an der Ruhr, Bonn, Dortmund, Bremen und Neumünster. Hier waren es zuletzt jeweils etwas mehr als 250 bis 310 Fälle pro 100 000 Einwohner. Die gemessen an der Einwohnerzahl geringste Zahl an Einbrüchen gab es in Bayern, Thüringen, im Osten und Süden von Baden-Württemberg sowie in Teilen Mecklenburgs und in Sachsen – mit Ausnahme der Region an der polnischen Grenze. Und noch ein interessantes Detail verrät der Atlas: In den Regionen Brandenburgs, in denen die Fahrtzeit mit dem Auto bis zur nächsten Polizeistation für viele Menschen bei über 30 Minuten liegt, ist auch die Zahl der Einbrüche relativ hoch – wenn auch bei weitem nicht so hoch wie in Berlin.

Die Karten, die das Bundesinnenministerium jetzt online gestellt hat, zeigen auch: Zur Wahl gehen nicht unbedingt die Bürger, die mit den größten Problemen zu kämpfen haben. Im Gegenteil: In Bayern, wo es vielen Menschen materiell gut geht, ist die Wahlbeteiligung viel höher als in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Hilfe für Ost und West

Um diese Unterschiede auszugleichen setzt die Bundesregierung unter anderem auf eine neu ausgerichtete Wirtschaftsförderung. Unternehmen sollen besonders in Regionen gelockt werden, aus denen junge Menschen abwandern. Auch Bundeseinrichtungen und Forschungsinstitute sollen gezielt abseits der „überhitzten Metropolregionen“ angesiedelt werden, findet Seehofer. Der Bund werde zudem mit Städten und Gemeinden sprechen, wie hohe Altschulden schneller abgebaut werden könnten – damit die Kommunen wieder mehr Spielraum für Investitionen haben.

Das Ziel ist, den Menschen die Möglichkeit zu geben, in ihrer Heimat zu leben.

Horst Seehofer, Heimatminister

Dass der Bund Altschulden von Kommunen übernehmen könnte, sieht der Innenminister freilich mit gedämpfter Erwartung. Der Bund sei aber bereit, mit Ländern und Kommunen über die Schuldenproblematik zu reden, die etwa 2000 von 11.000 deutschen Gemeinden betreffe. „Wir erwarten da keine leichten Gespräche, aber wir wollen ein Signal des guten Willens senden.“ Das Kabinett habe dafür mit den Schlussfolgerungen aus der Kommission für „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ klare Bedingungen formuliert. Vorrangig seien aber die Länder für die kommunale Finanzausstattung zuständig.

Altschulden begleichen

Die Lösung der kommunalen Altschuldenproblematik ist einer von zwölf Punkten eines Maßnahmenpakets, das der Bund nach den Beratungen der Kommission umsetzen will. Dazu gehört auch die Absicht, die Bundesförderung für strukturschwache Regionen mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II am Ende dieses Jahres in einem gesamtdeutschen Fördersystem zu bündeln. Damit soll mehr Bundesgeld auch in wirtschaftlich schwache Regionen im Westen fließen. Zudem will der Bund die Einrichtung einer Infrastrukturgesellschaft prüfen, um den Mobilfunkausbau in Regionen zu gewährleisten, in denen sich dies für private Anbieter nicht rechnet.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder warnt derweil vor Fehlentwicklungen zu Lasten der Zukunftsfähigkeit starker Regionen. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu einem permanenten Umverteilungssystem in Deutschland kommen“, sagte der CSU-Vorsitzende der Augsburger Allgemeinen. „Die Leistungskerne müssen leistungsfähig bleiben“, betonte Söder. Es werde immer mehr Geld ausgegeben „für Regionen, wo immer weniger Menschen sind, und immer weniger für Regionen, wo immer mehr sind“. In diesem Zusammenhang kritisiert er die von der Kohlekommission vorgeschlagenen milliardenschweren Strukturhilfen für einen Kohleausstieg bis 2038 scharf: „Vierzig Milliarden Euro nur für einige Bergbau-Landkreise sind hier das falsche politische Signal.“

Die Leistungskerne müssen leistungsfähig bleiben.

Markus Söder, Ministerpräsident

Die CSU lehnt außerdem eine generelle Altschuldenbefreiung von Städten und Gemeinden durch den Bund ab. „Einen Freifahrtschein für klamme Kommunen, den kann und wird es mit uns nicht geben“, sagt Generalsekretär Markus Blume. Dies sei auch eine Frage der Gerechtigkeit. Zugleich müssten aber inhaltlich Lösungen gefunden werden, da handlungsunfähige Kommunen für die Menschen nicht die notwendigen Lebenschancen schaffen könnten.

(dpa/BK)