Orientierung in der Wildnis: Wanderer suchen am Isar-Oberlauf den Weg - mit digitalem Smartphone und analoger Landkarte. (Foto: Imago/Westend61)
Fortschritt

Bayerns Berg- und Digitalfahrt

Ministerpräsident Markus Söder treibt sein Kabinett und das ganze Land zu mehr Anstrengung beim Aufstieg zu digitalen Höhen an. Wenn der Anschluss an die technologische Weltspitze nicht gelinge, drohe dem Wirtschaftsstandort ein Abstieg.

Ungewohnte Tonlage beim bayerischen Ministerpräsidenten: Statt dem Schwelgen in Superlativen siedelt Markus Söder seine Wortwahl beim Thema Digitalisierung eine Etage tiefer an, im Bereich des Komparativs. „Bayern ist ganz gut. Aber Bayern muss besser werden“, erklärt der Regierungschef nach der ersten Digital-Sitzung seines Kabinetts. Rein örtlich fand die Veranstaltung auf höchstem Niveau statt, nämlich ganz oben im Highlight Tower, eines der höchsten Gebäude Münchens. Was den technologischen Fortschritt betrifft, sieht Söder sein Land aber noch nicht ganz oben angekommen.

Aufholjagd in Bayern

Die USA und China setzen nach seiner Einschätzung die Standards bei der digitalen Entwicklung. „Entweder wir sind dabei, oder wir werden die Rücklichter der anderen sehen“, mahnt Söder und trübt die Perspektive verbal gleich noch ein wenig ein: „Allerdings nur verschwommen und in weiter Ferne.“

Damit dies nicht geschieht, hat die schwarz-orange Koalition im Glashochhaus direkt neben der CSU-Zentrale ein ambitioniertes Maßnahmen-Paket geschnürt. Von externen Beratern will Söders Regierung alle digitalen Aktivitäten auf den Prüfstand stellen lassen, und dann von diesem „Digital-TÜV“ aus Entscheidungen treffen. Ziel ist es, Bayern zum Spitzenstandort für Additive Fertigung mittels 3D-Druck zu machen, die Blockchain-Technologie für Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft nutzbar zu machen, die Schulen digitaler aufzustellen, Pilotprojekte im Bereich der digitalen Medizin anzuschieben, Justiz und Sicherheitsbehörden mit digitalen Technologien aufzurüsten.

Mein Eindruck ist, wir fallen in Deutschland Stück für Stück zurück.

Markus Söder, Ministerpräsident

Die Strategie „Bayern digital“ will Söder mit dem Einsatz aller verfügbaren Ressourcen vorantreiben. Die derzeit veranschlagten Mittel von insgesamt 6 Milliarden Euro könnten womöglich nicht ausreichen. Sollte der „Digital-TÜV“ Nachbesserungsbedarf ermitteln, will er substanziell nachbessern und in Millionen-Höhe drauflegen.

Digitaler Epochenwechsel

Den technologischen Umbruch diagnostizieren seine Minister als „größten Epochenwechsel in der Neuzeit“. Laut Digitalministerin Judith Gerlach geht es darum, „Megatrends zu erkennen und zu sehen – und am Standort Bayern voranzutreiben“. Im Mittelpunkt solle der Mensch stehen mit all seinen Hoffnungen, etwa auf Erleichterung seines Alltags, aber auch seinen Sorgen, etwa um den eigenen Arbeitsplatz.

Im Mittelpunkt soll der Mensch stehen.

Judith Gerlach, Digitalministerin

An Gerlachs Seite gibt Söder den energischen Antreiber, der auch unangenehme Wahrheiten klar ausspricht: „Was mit Künstlicher Intelligenz in Deutschland läuft, ist viel, viel zu wenig.“ Insgesamt dränge sich ihm der Eindruck auf: „Wir fallen in Deutschland Stück für Stück zurück. Und dagegen stemme ich mich.“ Der aktuelle Konjunktur-Hochlauf mit seinen eigenen Problemen soll die Bayern nach Ansicht des Ministerpräsidenten nicht zu bequem machen und ihnen den Blick verstellen. So dass sie sehen: Ohne engagierte Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft drohe ein „Wohlstandsverlust“.