Jubel-Bot: Roboter Apollo im Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Tübingen. (Foto: Imago/A.Hettrich)
Hightech

Kluge Chefs für Roboter

Gastbeitrag Die künstliche Intelligenz wird große Teile unseres Wirtschaftslebens grundlegend verändern. Um mit den Rechnern Schritt zu halten, müssen wir dringend in menschliche Intelligenz, in mehr Bildung im technischen Bereich investieren.

Buchdruck, Dampfmaschine, Fließband oder der Computer – sie alle waren Ausgangspunkt für tief greifende politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Veränderungen. Die Fähigkeit, einer Maschine in Grundzügen das Mit- und Weiterdenken beizubringen, gehört zweifellos in diese Reihe. 1996 gelang es dem IBM-Computer Deep Blue, den amtierenden Schachweltmeister zu schlagen. Ein Meilenstein der Computergeschichte.

Seither sind die Rechnerleistungen geradezu explodiert. Hinzu kommt ein riesiges Reservoir an Daten mit deren Hilfe Maschinen trainiert werden können. Diese Kombination verlieh dem, was wir im Sprachgebrauch als Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnen, einen enormen Schub.

Die KI wird in naher Zukunft unseren Alltag durchgängig vernetzen.

Hansjörg Durz

Der Unterschied zu anderen bahnbrechenden Entwicklungen: Die KI wird mit weit mehr Tempo in der Lebenswelt der Menschen ankommen. Entsprechend groß sind die Herausforderungen, aber vor allem die damit verbundenen Chancen.

Der IT-Verband Bitkom definiert die KI als „die Eigenschaft eines IT-Systems, der menschlichen Kognition, Emotion oder Motorik ähnliche Fähigkeiten zu zeigen“. Intelligente IT-Systeme verfügen in unterschiedlicher Ausprägung über Fähigkeiten wie situatives Wahrnehmen, Kommunizieren, Schlussfolgern oder Lernen. Darunter fallen Sprachcomputer, Auswertungshilfen von MRT-Scans oder Roboter-Assistenz-Systeme. KI dringt immer weiter in unseren Alltag vor.

Starke Forschungslandschaft

Seit kurzem erforscht die TU München im neuen Anwender- und Forschungszentrum für Geriatronik in Garmisch-Partenkirchen, wie Menschen mit Hilfe von Robotern auch im hohen Alter ein selbstbestimmtes Leben führen können. Die intelligenten Assistenzsysteme sind eines von vielen Beispielen, wie unglaublich vielfältig und intensiv geforscht wird. Deutschland gehört hier zur absoluten Weltspitze. Doch bei der Umsetzung von Forschungsergebnissen in Produkte und Geschäftsmodelle müssen wir besser werden.

Das Rennen um die Weltmarktführerschaft im Bereich der KI ist völlig offen. In den USA und China werden gigantische Summen investiert. In der Verknüpfung von Nutzerdaten haben die großen Digitalkonzerne heute einen Vorsprung vor deutschen und europäischen Unternehmen und damit gegenwärtig Wettbewerbsvorteile im Bereich der KI. Aber: Bei der Ökonomisierung von Prozess- und Produktdaten hat Deutschland die Nase vorn. Als mittelständisch geprägte Industrienation bieten sich unglaubliche Chancen.

Es geht um neuartige Dienstleistungen und künftige Wertschöpfungsketten. Etwa intelligente Maschinen, die ihre Betriebstätigkeit selbst überwachen und ihre Wartung eigenständig organisieren. Es geht darum, deutsche Ingenieurskunst mit digitalen Geschäftsmodellen zu verknüpfen. Im Sinne der deutschen Wirtschaft darf nicht passieren, dass sich auch im Industriegeschäft Plattformen wie Amazon oder Alibaba in die Wertschöpfungskette drängen.

Was jetzt zu tun ist – drei Prioritäten

Wir müssen Daten verfügbar und nutzbar machen. Es gibt Vorschläge, die Datenbestände des Staates für Forschungszwecke kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Werden daraus erfolgreiche Geschäftsmodelle, wären in einem zweiten Schritt Lizenzmodelle für die Bereitstellung von Daten vorstellbar. Ein spannender Ansatz. Auch ist es nicht immer notwendig, möglichst viele Daten auszuwerten. Es gibt erfolgreiche deutsche KI-Firmen, die mit wenigen, dafür qualitativ hochwertigen Daten grandiose Geschäftsmodelle entwickeln.

Dieser Ansatz ist ein hervorragender Kontrapunkt zu den globalen Digitalkonzernen.

Hansjörg Durz

Wir müssen in menschliche Intelligenz investieren. KI stellt gänzlich neue Herausforderungen an die Arbeitswelt. Die Vermittlung digitaler Kompetenzen wird ohne eine entsprechende Bildungsinfrastruktur nicht gelingen. Das fängt bei den (Hoch-)Schulen an und setzt sich bei der betrieblichen Weiterbildung fort. Deutschland muss ein noch attraktiverer Standort für KI-Fachkräfte werden. Bayern geht mit gutem Beispiel voran: Mit der Gründung eines Kompetenznetzwerkes mit zahlreichen Standorten etwa in München, Würzburg oder Augsburg investiert der Freistaat in den kommenden Jahren 280 Millionen Euro zur Verbesserung der KI-Forschung. Der Bund plant ein nationales Forschungskonsortium, erheblich mehr Mittel sowie die Errichtung eines deutsch-französischen KI-Zentrums. Und auch die EU wird mit ihrem Forschungsprogrammen einen starken Schwerpunkt auf KI setzen.

Wir brauchen Leitplanken. Technik muss immer dem Menschen dienen. Zwar können Maschinen heute theoretisch auf das gesamte Wissen der Menschheit in Form von Datenbanken zugreifen. Davon darf man sich aber nicht blenden lassen. KI kann eine bestimmte Aufgabe intelligenter lösen als der Mensch. Über die Aufgabenstellung muss der Mensch aber immer noch selber entscheiden. KI kann den Menschen durch Entscheidungshilfen dabei unterstützen, seine Ziele zu erreichen. Eine echte Entscheidungskompetenz darf daraus nicht entwachsen. Zu diesen Fragen erhoffen wir uns wichtige Impulse der Datenethik-Kommission der Bundesregierung und der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages.

Unser Anspruch ist es, die KI für die Menschen zu nutzen.

Hansjörg Durz

Wenn uns das gelingt, haben wir eine echte Chance, dass „KI made in Germany“ zu einem echten Gütesiegel wird.