Besorgt: Bundesinnenminister Horst Seehofer bei seiner Rede auf der BKA-Herbsttagung. (Quelle: BKA)
Sicherheit

Rechtsstaat in Gefahr

Innenminister Horst Seehofer warnt vor einer Aushöhlung des Justizsystems und der Befugnisse der Polizei. Er fordert mehr Personal für Staatsanwaltschaften und Gerichte. Die Möglichkeiten der Strafverfolger im Digitalen müssten ausgeweitet werden.

Bundesinnenminister Horst Seehofer warnt vor einem schwindenden öffentlichen Vertrauen in die Justiz. Die Sorgen hochrangiger Richter über eine Vertrauenskrise seien „sehr ernst zu nehmen“, sagte der CSU-Vorsitzende bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts in Wiesbaden. Als mögliche Ursache für die Krise nannte Seehofer die teils überlangen Verfahren. Jedes Jahr kämen zahlreiche Kriminelle wieder auf freien Fuß, weil Fristen verstrichen.

Personalprobleme bei Gericht

Der Minister verwies auf den von der Regierungskoalition in Berlin geplanten „Pakt für den Rechtsstaat“, der unter anderem mehr Personal in der Justiz und die Möglichkeit schnellerer Verfahren vorsieht. Der Pakt werde Kernthema einer Konferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten Anfang Dezember sein. „Das Strafverfahrensrecht führt in der Praxis in vielen Fällen dazu, dass Prozesse immer wieder exzessiv in die Länge gezogen werden“, sagte Seehofer.

Als Beispiel nannte er ein geplatztes Verfahren in Koblenz gegen 26 mutmaßliche Neonazis. Die Verteidigung habe unter anderem mehr als 240 Beweis- und 500 Befangenheitsanträge gestellt. „So kann man natürlich auch einen Rechtsstaat ad absurdum führen.“ Die Justiz kämpfe dabei mit massiven Personalproblemen: In der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit allein fehlten rund 2000 Richter und Staatsanwälte.

Das Strafverfahrensrecht führt in der Praxis in vielen Fällen dazu, dass Prozesse immer wieder exzessiv in die Länge gezogen werden.

Horst Seehofer, Innenminister

Zugleich wandte sich Seehofer gegen Kritik, die Überwachung durch Sicherheitsbehörden nehme zu. In den öffentlichen Debatten entstehe zuweilen der Eindruck, Deutschland sei von zwei Seiten gefährdet – zum einen durch Kriminelle und Terroristen, zum anderen durch den Staat, der nichts anderes im Sinn habe, als möglichst alle Bürger zu überwachen. Deutschland sei jedoch kein Überwachungs-, sondern ein Rechtsstaat, betonte der Innenminister.

Digital aufrüsten

Nach Seehofers Darstellung kann die Polizei im Vergleich zur Lage vor zwanzig oder dreißig Jahren nicht mehr, sondern sogar deutlich weniger agieren. Die Sicherheitskräfte brauchten gerade wegen der zunehmenden Digitalisierung jedoch nicht weniger, sondern mehr Befugnisse. Als Beispiele nannte Seehofer die Telefonüberwachung und die Befugnisse der Polizei, etwa eine Wanze in ein Auto einzubauen. Kaum ein Täter telefoniere noch über das Festnetz, stattdessen würden das Internet oder Messengerdienste wie Skype und Whatsapp genutzt. Die Unterscheidung zwischen Telekommunikationsdiensten und Telemediendiensten müsse daher aufgehoben werden.

(dpa)