Die Zukunft der Bundeswehr
9. Wehrtechnischer Kongress der CSU: Die europäische Zusammenarbeit mit Frankreich kann scheitern, am Streitthema Rüstungsexport. Aber immerhin, die finanzielle Trendwende ist da: 2019 erhält die Bundeswehr 12 Prozent mehr Geld.
ASP-Kongress

Die Zukunft der Bundeswehr

9. Wehrtechnischer Kongress der CSU: Die europäische Zusammenarbeit mit Frankreich kann scheitern, am Streitthema Rüstungsexport. Aber immerhin, die finanzielle Trendwende ist da: 2019 erhält die Bundeswehr 12 Prozent mehr Geld.

Wenn Politik, Bundeswehr und wehrtechnische Industrie sich in größerer, aber geschlossener Runde zum Austausch treffen, dann wird es spannend. Die Gelegenheit dazu gibt es im ganzen Land nur einmal im Jahr: beim Wehrtechnischen Kongress der CSU. Zum neunten Mal hatte Mitte November der Arbeitskreis Außen- und Sicherheitspolitik (ASP) der CSU zum sicherheitspolitischen „brain storming“ geladen. Thema: „Die Zukunft der Bundeswehr: europäisch und digital.“ Gastgeber war dieses Jahr Kraus Maffei Wegmann in München-Allach – seit einem Jahrzehnt der einzige Kampfpanzer-Bauer in der westlichen Welt, bei dem tatsächlich noch Panzer vom Band laufen.

Armee der Europäer

Und es wurde spannend. Etwa beim Stichwort „Europäische Armee“. Von der war zuletzt viel die Rede. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat in Paris die Aufstellung einer „wahren europäischen Armee“ gefordert. Nur zwei Tage später plädierte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Europäischen Parlament dafür, „eines Tages eine echte europäische Armee zu schaffen“.

Streitkräfte in nationaler Verantwortung, eng verzahnt, einheitlich ausgerüstet.

Ursula von der Leyen, Verteidigungsministerin

Aber man muss Präsidenten- und Kanzlerinnen-Formulierungen nicht allzu wortwörtlich nehmen, deutete in Allach CSU-Verteidigungsstaatssekretär Thomas Silberhorn an. In einem Namensartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat seine Ministerin, Ursula von der Leyen, erläutert, worauf es bei der „wahren“ oder „echten“ europäischen Armee hinauslaufen soll: auf eine „Armee der Europäer“ aus „Streitkräften in nationaler Verantwortung, eng verzahnt, einheitlich ausgerüstet, für gemeinsame Operationen trainiert und einsatzbereit, so wie die Deutsch-Französische Brigade und das Deutsch-Niederländische Korps.“

Also im Grunde nichts furchtbar Neues. Trotzdem war es kein Zufall, dass Macron und Merkel genau jetzt und wie abgestimmt von der „europäischen Armee“ redeten, so Silberhorn. Es geht um die Europawahlen – und um einen gravierenden Dissens zwischen Frankreich und Deutschland: Rüstungsexport. Daran könnte die Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich scheitern, daran könnte Europa scheitern.

Europäisches Streitthema Rüstungsexport

Voraussetzung für die europäische Armee, hatte Merkel in Straßburg betont, seien eine gemeinsame Rüstungsexport-Politik, sowie die gemeinsame Entwicklung von Waffensystemen. Doch bei dem Thema könnte die Kluft zwischen Paris und Berlin kaum größer sein: Frankreich will – und muss – exportieren. Für Paris geht es um weltweite sicherheitspolitische Interessen und Verantwortung und um den Erhalt seiner strategischen Industrie. Wenn Frankreich ein Waffensystem baut, muss es und will es exportieren, so viel wie möglich, so weit wie möglich.

Da kann – oder will – die Berliner Politik nicht mit. Aus Gründen der Moral kann sie sich zu mehr Flexibilität beim Rüstungsexport (noch) nicht entschließen. Was deutsch-französische Kooperation ausschließt. Genau jetzt wachse bei einem großen gemeinsamen Rüstungsprojekt auf französischer Seite die Frustration, berichtete in Allach ein Kongressteilnehmer: „Wenn Ihr nicht bald eine Entscheidung fällt, suchen wir uns einen anderen Partner.“ Aber die Große Koalition in Berlin kann nicht entscheiden – weil SPD und Teile der Union das Thema Rüstungsexport nicht auf den Kabinettstisch und zur Entscheidung bringen wollen. „So ist es“, kommentierte knapp Silberhorn und warnte: „Wenn wir mit Frankreich zusammenarbeiten wollen, dann müssen wir vorher eine Lösung für das Thema Rüstungsexport finden. Sonst können die Konsequenzen sehr schwerwiegend sein.“

Debatte vor der Europawahl

Macron und Merkel wollen nun den Europawahlkampf nutzen, um die deutschen Rüstungsexportregeln zu lockern. Es geht um die deutsch-französische Zusammenarbeit in Europa, es geht um Europa. Silberhorn: „Mal sehen, wie sich die Europawahlkandidaten da positionieren.“

Wir Demokraten als Minderheit in der Welt müssen zusammenhalten.

Thomas Silberhorn

Es geht sogar um mehr. Wenn die Europäer sicherheitspolitisch eine eigene Rolle in der Welt spielen wollen – „souverän“ sein wollen, wie Macron gerne sagt –, dann müssen sie sicherheitspolitisch über Europa hinausdenken, mahnte der Staatssekretär. Dann müssen sie weltweit mit anderen demokratischen Partnern zusammenwirken wollen. Etwa mit Australien und Japan. Silberhorn: „Wir Demokraten als Minderheit in der Welt müssen zusammenhalten.“ Was sich mit deutschen Rüstungsexportbeschränkungen eben nicht verträgt.

Bayerns Position

Im Freistaat hat man zum Thema klare Auffassungen, berichtete der Staatsminister und Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, Florian Herrmann: „Wir haben kein Verständnis dafür, dass man Rüstungsexporte unter Verbündeten erschwert.“ Die Bundeswehr braucht die wehrtechnische Industrie und die braucht Exporte. Was dann auch dem Freistaat nützt. In Bayern ist etwa ein Drittel der deutschen wehrtechnischen Industrie angesiedelt. Herrmann: „Der gemeinsam entwickelte neue europäische Kampfpanzer wird nur ein Erfolg, wenn er auch weltweit verkauft werden kann.“

Ein Land wie Deutschland könne sich nicht nur auf ethische Ideale zurückziehen, warnte Herrmann schließlich und erinnerte an ein Wort von Konrad Adenauer: „Es genügt nicht, vom Frieden zu sprechen. Dem mündlichen Bekenntnis müssen Taten folgen.“ Womit jetzt vor allem gemeint ist: europäische Zusammenarbeit.

Digitalisierung im Militärischen

„Interoperabilität“ – so nennen Militärs die Fähigkeit in der Nato oder eben unter europäischen Partnern militärisch zusammen zu handeln, zu operieren. Bislang ging es dabei um Funkgeräte, Treibstoff oder Munition, die multinational zusammenpassen mussten. Aber die Digitalisierung der Armeen verändert alles, erläuterte in Allach Vizeadmiral Carsten Stawitzki, im Verteidigungsministerium in Berlin Abteilungsleiter Ausrüstung. Jetzt müssen Datenströme zusammenpassen und unter multinationalen Verbänden übermittelt werden können. Stawitzki: „Wir müssen nicht mehr in Waffensystemen denken, wir müssen Daten-zentrisch denken.“

Wir müssen nicht mehr in Waffensystemen denken, wir müssen Daten-zentrisch denken.

Vizeadmiral Carsten Stawitzki

Die Digitalisierung im Militärischen ist für alle eine Herausforderung – Politik, Bundeswehr, Industrie. KMW-Chef Frank Haun wies auf einen gefährlichen Widerspruch hin: Die Entwicklungszeit neuer Waffensysteme werde immer länger, habe sich verdreifacht, aber gleichzeitig verändere sich die Welt immer schneller. Haun: „Wir müssen schneller werden!“ Die Politik muss schneller Beschaffungsentscheidungen fällen und Aufträge vergeben, die Industrie muss schneller entwickeln, und die Bundeswehr muss schneller neue Waffensysteme einführen.

Wer baut die Computer-Chips?

Die Digitalisierung der Truppe wirft neue Sicherheitsfragen auf. Wer baut eigentlich die Computer-Chips, die die Industrie dann in den Waffensystemen verbaut? Antwort: Wir – Deutsche oder Europäer – nicht mehr. Im Zweifelsfall kommen die Chips in Bundeswehr- oder Nato-Waffensystemen aus China. Aber wie gut geschützt gegen Aufklärung oder Manipulation, wie sicher können Waffensysteme sein mit Chips aus chinesischer Produktion?

Wenn Sie einmal aufgeklärt werden, sind Sie tot.

Generalleutnant Jörg Vollmer, Inspekteur des Heeres

Es gibt weitere, ganz banale digitale Gefahren. Mancherorts ist Soldaten schon das Mitführen von Mobiltelefonen verboten worden. Denn die lassen sich orten – und mit ihnen Gefechtsstände und Stellungen, ganz präzise, auf den Meter genau. Lakonische Warnung vom Inspekteur des Heeres Generalleutnant Jörg Vollmer vor der Ortung: „Wenn Sie einmal aufgeklärt werden, sind Sie tot.“

Mehr Geld für die Bundeswehr

Uneingeschränkt gute Nachrichten für die Bundeswehr brachten ASP-Chef Florian Hahn und Staatssekretär Silberhorn mit nach Allach: Die Trendwende Material der Bundeswehr ist in vollem Gange. Seit 2015 wächst der Verteidigungsetat wieder: im neuen Haushalt um 12,22 Prozent auf 43,227 Milliarden Euro (2014: 32,14 Milliarden). Im Jahr 2024 wird der Verteidigungsetat 57 Milliarden Euro erreichen – 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Deutschland nähert sich der einstimmigen Nato-Selbstverpflichtung von 2014.

Für das kürzlich beendete große Nato-Manöver in Norwegen hat die Bundeswehr eine ganze Brigade vollausgestattet. Auf Kosten der anderen sieben Heeres-Brigaden, die dafür Material abgeben mussten. Das soll enden. Ziel ist jetzt die Vollausstattung aller Brigaden. Was dauern wird. Priorität habe bei der Neuausrüstung der Truppe die persönliche Ausstattung der Soldaten und eben die Digitalisierung, betonte Silberhorn: „Die Soldaten müssen die Trendwende erfahren.“

Wer schneller über das Lagebild verfügt, der gewinnt.

Frank Haun, Kraus Maffei Wegmann

Besonders massiv setze sich die CSU – „die Partei der Bundeswehr” – für die konsequente Umsetzung der Trendwende ein, unterstrich ASP-Chef Hahn: „Wir müssen die schützen, die uns schützen.“ Die Bundeswehr soll alles erhalten, was sie für Ihren Auftrag braucht. Da ist dann womöglich der beste Panzer gar nicht das Allerwichtigste, kommentierte ausgerechnet KMW-Chef Haun: „Wer schneller über das Lagebild verfügt und schießt, der gewinnt.“ Wahrscheinlich sogar gegen den besseren Panzer. Im digitalen Zeitalter gelten neue Gesetze. Auch für die Bundeswehr.