Bayerns ehemaliger Justizminister Winfried Bausback. (Foto: Stimmkreisbüro W. Bausback)
Justiz

Kein Strafrabatt für andere Kulturen!

Gastbeitrag Immer wieder lassen Richter Milde walten, weil die Täter aus einer anderen Rechts-und Werteordnung kommen. Bayerns Justizminister Winfried Bausback möchte das ändern und verlangt, dass auch vor Gericht unsere Werte verteidigt werden.

Im November 2015 erwürgte ein Iraker seine Ehefrau. Er war davon überzeugt, dass sie ein Verhältnis mit einem anderen Mann hatte. Nach der Tat ging er mit seiner dreijährigen Tochter zur Polizei und stellte sich. Bei der Vernehmung hat er laut Aussage eines Beamten gesagt: „Ich habe vom Recht Gebrauch gemacht, meine Ehefrau zu töten.“ Ein erschreckender Satz, der im krassen Gegensatz zu wesentlichen Grundpfeilern unserer Verfassung und unseres Werteverständnisses steht: der Achtung des Lebens, dem Schutz der Familie und der Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Wir müssen auch und gerade im Strafrecht deutlich machen: Unser Rechtsstaat und unsere Werteordnung sind stark!

Winfried Bausback, bayerischer Justizminister

Immer häufiger müssen sich unsere Strafgerichte mit fremden kulturellen oder religiösen Prägungen der Angeklagten auseinandersetzen. Vor allem sogenannte Ehrenmorde, Zwangsheirat, Genitalverstümmelung und andere körperliche Übergriffe – häufig sexueller Art – konfrontieren die Justiz mit Rechts- und Wertevorstellungen, die den Unseren diametral widersprechen. Es sind Fälle wie diese, die die Justiz vor neue Herausforderungen stellen. Immer öfter argumentieren Angeklagte, dass ihr Glaube oder ihre Herkunft eine Straftat rechtfertigen würden. Wie gehen die Richter damit um? Dürfen Strafen niedriger ausfallen, wenn jemand offensichtlich nicht mit unserer Rechts- und Werteordnung vertraut ist, oder sie gar ablehnt?

Falsches Verständnis

Meine Antwort lautet ganz klar: Nein! Einen Strafrabatt allein unter Verweis auf religiöse oder kulturelle Einflüsse oder Prägungen des Täters kann und darf es nicht geben! Wir müssen auch und gerade im Strafrecht deutlich machen: Unser Rechtsstaat und unsere Werteordnung sind stark! Sie weichen nicht zurück!

Die Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang bislang sehr einzelfallbezogen und nicht durchgehend konsistent: Nicht selten wird auf diffuse Weise ein Zusammenhang zwischen Tatbegehung und „fremder Kultur“ hergestellt und hieraus großzügig eine strafmildernde Bewertung konstruiert. So finden sich etwa Formulierungen, wonach dem Angeklagten in seinem Heimatland wahrscheinlich ein Frauenbild vermittelt worden sei, bei dem eine Frau eher ein Sexualobjekt darstelle.

Es ist für mich keine Frage: Kulturelle und religiöse Vielfalt kann eine Bereicherung für jede Gesellschaft sein. Sie kann aber auch – und das ist ihre Kehrseite – zu einer massiven Belastungsprobe werden, wenn sie zu Konflikten mit der geltenden Rechts- und Werteordnung führt. Und zwar dort, wo das kulturell geprägte Handeln sozialschädliche Formen annimmt und in die Begehung von Straftaten mündet. Spätestens an diesem Punkt wird deutlich, dass eine Gesellschaft ein Mindestmaß an Homogenität benötigt, also einen unverzichtbaren Wertekonsens, der nicht verhandelbar ist und auch nicht zur Disposition gestellt werden darf.

Es geht um gerechte Strafen

Und genau an dieser Stelle müssen wir nach meiner Überzeugung unsere Regelungen zur sogenannten Strafzumessung ändern. In diesem Zusammenhang muss das Gericht klären: Welche Strafe innerhalb des Strafrahmens, den das Gesetz vorgibt, ist für diesen konkreten Täter und diese konkrete Tat angemessen? Es geht also um nichts weniger als um das Finden und Bestimmen einer gerechten Strafe. Hierzu zählt das Gesetz einige Gesichtspunkte auf, die das Gericht gegeneinander abwägen muss, etwa: Beweggründe und Ziele des Täters, sein Vorleben, die Auswirkungen seiner Tat oder sein Verhalten danach.

Wenn kulturell geprägtes Handeln sozialschädliche Formen annimmt und in die Begehung von Straftaten mündet, müssen wir zu unserem eigenen Schutz eine klare Grenze ziehen.

Winfried Bausback, bayerischer Justizminister

Für mich steht fest: Religiöse und kulturelle Prägungen eines Täters dürfen für sich gesehen kein Anlass für eine Strafmilderung sein. Die geltende Regelung zur Strafzumessung bringt das nicht ausreichend zum Ausdruck. Daher ist eine gesetzliche Klarstellung und Fortentwicklung erforderlich. Hierzu habe ich einen Gesetzentwurf zur Strafzumessung bei kulturellen und religiösen Prägungen vorgelegt. Wenn kulturell geprägtes Handeln sozialschädliche Formen annimmt und in die Begehung von Straftaten mündet, müssen wir zu unserem eigenen Schutz eine klare Grenze ziehen. Wir müssen verhindern, dass grundgesetzwidrige Prägungen zu einer Aufweichung unseres eigenen Wertefundaments führen. Bei der Strafzumessung muss deshalb ein einheitlicher Bewertungsmaßstab gelten. Dieser Bewertungsmaßstab kann nur und muss die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland sein. Andernfalls ginge die friedensstiftende und integrative Funktion des Strafrechts verloren.

Gefahr für die Rechtsordnung

Hierfür spricht auch ein weiterer Punkt: Wenn wir die Bewertung eines strafbaren Handelns auch von kulturellen oder religiösen Prägungen abhängig machen, die unserem Grundgesetz widersprechen, büßt unsere Rechtsordnung auch insgesamt einen Gutteil ihrer Orientierungskraft ein. Das gefährdet den so wichtigen gesellschaftlichen Konsens. Wir müssen uns auch und gerade im Strafrecht selbstbewusst zu unseren Grundwerten bekennen – beispielsweise dem unbedingten Wert des menschlichen Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, der Gleichberechtigung von Mann und Frau und dem Respekt vor der Freiheit anderer, eine andere Meinung oder ein anderes religiöses Bekenntnis zu haben. Ihre Achtung müssen wir konsequent, ohne Abstriche und ohne falsche Rücksichtnahmen einfordern. Daher ist es wichtig, dass dieser Grundsatz auch ausdrücklich in unser Strafrecht aufgenommen wird.

Bei dieser Ergänzung dürfen wir aber nicht stehen bleiben. Die strafmildernde Relevanz von fremden kulturellen und religiösen Prägungen müssen wir vielmehr zusätzlich auf ganz enge Ausnahmefälle, ähnlich einer unausweichlichen Gewissennot, begrenzen. Zudem müssen wir – wie es mein Vorschlag auch vorsieht – eine weitere, eine absolute Grenze ausdrücklich in das Gesetz hineinschreiben: Die Motivation zu einem Handeln, das in fundamentalem Widerspruch zu unserer Rechtsordnung steht, kann von vornherein kein Anlass für eine Strafmilderung sein.

Religion rechtfertigt keine Gewalt

Wo in kultureller oder religiöser Verblendung Genitalien einer jungen Frau verstümmelt oder sonst elementare Grund- und Menschenrechte verletzt werden, darf der Täter nicht auf die Nachsicht unserer Rechtsgemeinschaft hoffen. Kultur, Bräuche, Religion, Tradition oder die sogenannte Ehre können niemals Rechtfertigungen für Gewalttaten sein. Den Täter muss vielmehr die wertsetzende Härte des Gesetzes treffen. Alles andere ist unseren rechtschaffenen Bürgerinnen und Bürgern – egal wo sie übrigens herkommen – nicht zu vermitteln und würde die Integrationskraft unseres Strafrechts schwächen. Auch dieser Grundsatz sollte daher ausdrücklich im Gesetz festgeschrieben werden.

Mein Vorschlag enthält also für den so wichtigen Bereich des Strafrechts ein klares Bekenntnis zu unseren Werten und unserer Rechtsordnung. Und: Er gibt unseren Gerichten Sicherheit, aber auch klare Maßgaben für die Bewertung von strafbarem Verhalten, das kulturell oder religiös geprägt ist. Ich werde mich in Berlin daher weiter mit aller Kraft dafür einsetzen, dass mein Vorschlag baldmöglichst im Gesetz steht.