Fehler der Vergangenheit
Das Fahrverbotsurteil schädigt Millionen von Autobesitzern und stellt viele Kommunen vor große Probleme. Verantwortlich ist die ehemalige rot-grüne Bundesregierung, die sich bei der Einführung der Grenzwerte kaum um die Folgen kümmern wollte.
Diesel

Fehler der Vergangenheit

Kommentar Das Fahrverbotsurteil schädigt Millionen von Autobesitzern und stellt viele Kommunen vor große Probleme. Verantwortlich ist die ehemalige rot-grüne Bundesregierung, die sich bei der Einführung der Grenzwerte kaum um die Folgen kümmern wollte.

Nun ist es höchstrichterlich entschieden: Millionen Fahrer von Dieselfahrzeugen könnten schon bald aus vielen Städten ausgesperrt, der Verkehr in zahlreichen Ballungsräumen massiv eingeschränkt werden. Fahrverbote seien als letztes Mittel zur Luftreinhaltung zulässig, urteilte jetzt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Wer wissen will, wie es so weit kommen konnte, muss einige Jahre zurückgehen – in die Zeit der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder. Sie war verantwortlich, als 1999 in der EU die bis heute umstrittenen Grenzwerte eingeführt wurden, die seit 2005 beziehungsweise 2010 gelten. Selten wurde eine so weitreichende Entscheidung so ignorant und arrogant getroffen. Eine Anfrage der damals oppositionellen CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2005 zeigt, wie wenig sich die Schröder-Regierung um die Folgen ihrer Entscheidung kümmerte.

Kein Interesse an Fakten

Ob der Bundesregierung bei der Verabschiedung der Luftreinhalterichtlinie bekannt gewesen sei, „in welchem Umfang es in der Bundesrepublik Deutschland zu Überschreitungen des Tagesmittelwertes kommen werde“, wollten die Unionsabgeordneten wissen. Antwort der Regierung: „Der Bundesregierung war bei der Verabschiedung der o. a. Richtlinien der Umfang der Überschreitungen des Tagesmittelwertes nicht bekannt.“ Auf deutsch: Man hat ins Blaue hinein Grenzwerte verabschiedet.

Wenig besser war der Kenntnisstand der Regierung hinsichtlich der Messstellen: Welche Anforderungen für diese Stationen bestünden und ob diese Vorgaben auch eingehalten würden, fragten die Unions-Parlamentarier: Gemessen werden solle so, dass Daten ermittelt werden könnten zu Bereichen, „in denen die höchsten Konzentrationen auftreten, denen die Bevölkerung wahrscheinlich direkt oder indirekt über einen Zeitraum ausgesetzt sein wird“, teilte die Bundesregierung mit. Aber: „Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob diese Kriterien in allen deutschen Städten eingehalten werden, so dass die Messergebnisse vergleichbar sind.“ Doch es ist ein großer Unterschied, ob eine Messstation direkt an einem Tunnelausgang oder fünf Meter neben einer betroffenen Straße steht.

Kümmern sollen sich die Länder

In welchem Umfang es denn ab 2010 zu Überschreitungen der Grenzwerte etwa bei Stickstoffoxiden kommen werde, lautet eine weitere Frage. Die Antwort von Rot-Grün: „Ausgehend von den derzeit auf nationaler Ebene eingeleiteten Emissionsminderungsmaßnahmen lässt sich aus Rechenergebnissen des Umweltbundesamtes ableiten, dass im Jahre 2010 in Deutschland lediglich noch mit einer Überschreitung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (Jahresmittel 40 mg/m3) an stark verkehrsbelasteten Orten gerechnet werden muss.“

Was die Bundesregierung gegen diese Überschreitungen unternehmen werde, wollten die Unions-Abgeordneten ebenfalls wissen. In ihrer Antwort zitiert die Regierung den damaligen grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Der verwies bei der Einhaltung der Grenzwerte kurzerhand auf das „Subsidiaritätsprinzip“: Zuständig dafür seien die Bundesländer.

Die hatten sich schon im Jahr zuvor über den Bundesrat an die Bundesregierung gewandt und diese gebeten, „in Brüssel vorstellig zu werden, um die Grenzwerte bzw. die Einführungsfristen zur Sprache zu bringen“. Dieser Aufforderung des Bundesrates war die Regierung allerdings nicht nachgekommen. Begründung: Grenzwerte dürften nicht zur Disposition gestellt werden.

Sonderfall Stuttgart

Nichts wissen wollen, Fakten ignorieren und vor allem keine Verantwortung übernehmen – nicht nur in Berlin wurde bei der Einführung der Grenzwerte so gehandelt. Ob der Europäischen Kommission Untersuchungen bekannt seien, nach denen die geltende Rechtslage Grenzwerte verlange, die in Stuttgart nicht einmal einzuhalten wären, wenn an 100 Tagen im Jahr nur die Hälfte der Autos fahren würde, fragte ebenfalls im Jahr 2005 der baden-württembergische Europa-Abgeordnete Thomas Ulmer. Die Antwort des zuständigen Umweltkommissars Stavros Dimas: „Der Kommission ist bewusst, dass eine Verringerung der durch den Verkehr verursachten Emissionen allein zur Einhaltung der Grenzwerte möglicherweise nicht ausreicht.“

Was damals schon ersichtlich war, müssen heute dennoch Millionen von Autobesitzern ausbaden.