Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern: Jahrelang war das oberfränkische Hof (Bild: das Rathaus mit Turm) das bayerische Sorgenkind. Das hat sich geändert. (Bild: Imago/Schöning)
Gerechtigkeit

Beste Chancen für alle

Eine Kommission des Landtags hat Handlungsempfehlungen verfasst, die gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern ermöglichen können und sollen. Es geht dabei um die vier Pfeiler Verteilungs-, Chancen-, Generationen- und Verfahrensgerechtigkeit.

Wie lassen sich die Boom-Regionen entlasten? Was muss man tun, damit in ländlichen Regionen auch künftig genügend Ärzte, Schulen und kulturelle Angebote vorhanden sind? Mehr als drei Jahre haben sich Politiker und Wissenschaftler mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigt. Jetzt hat die Enquete-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“ unter Vorsitz von Berthold Rüth (CSU) im Landtag ihren Abschlussbericht vorgestellt, der fraktionsübergreifend erarbeitet wurde.

Vier Pfeiler der Gerechtigkeit

Kerninhalt des Berichts sind Handlungsempfehlungen zu den vier Pfeilern:

  • Verteilungsgerechtigkeit, unter anderem mit Breitbandversorgung, im Wohnbereich und bei der Mobilität;
  • Chancengerechtigkeit, etwa öffentliche Einrichtungen und Infrastruktur oder finanzielle Unterstützung für die Regionen;
  • Generationengerechtigkeit, dabei unter anderem im Bereich Nachhaltigkeit und Tourismus sowie
  • Verfahrensgerechtigkeit, im Sinne breiter Bürgerbeteiligung.

Der Vorsitzende Berthold Rüth, CSU-Landtagsabgeordneter aus Unterfranken, erklärte anlässlich der Präsentation des Berichts: „Bayern ist stark, weil es den Menschen in allen Regionen gut geht. Deswegen ist eines der wichtigsten Leitziele unserer Politik, den Menschen in allen Regionen Bayerns bestmögliche Chancen zur Entfaltung ihrer Talente zu bieten.“ Daran wolle man gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung weiterarbeiten.

Bayern ist stark, weil es den Menschen in allen Regionen gut geht.

Berthold Rüth, MdL, Kommissionsvorsitzender

Die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Bayern sei schließlich eine Daueraufgabe mit Verfassungsrang. Alle Menschen sollten sich auch in Zukunft in ihrer Heimat Bayern wohlfühlen. „Uns ist wohl bewusst, dass wir durch die fortschreitende Globalisierung, den demographischen Wandel und die zunehmende Urbanisierung vor großen Herausforderungen stehen“, betonte Rüth. „Dies gilt für unsere kleinen ländlichen Gemeinden genauso wie für die Ballungsräume. Mit den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission wollen wir konstruktive Lösungsansätze an die Hand geben.“

Ein Ziel, viele Strategien

Diese Empfehlungen beinhalten unter anderem die Einführung eines Indikatorensystems zur Messung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Landesteilen. Es werden viele einzelne Maßnahmen genannt, die dieses Ziel unterstützen sollen, darunter die Ertüchtigung und ausreichende Finanzierung der Kommunen sowie die Bereitstellung insbesondere der grundlegenden Daseinsvorsorge. Dazu zählen laut dem Bericht neben Schwimmbädern, Sporteinrichtungen und Schulen auch Theater, Museen, Bibliotheken, Kulturprogramme und Weiterbildungseinrichtungen. Weitere Ideen sind etwa:

  • Bereithaltung eines möglichst wohnortnahen Grundschulangebots und eines möglichst dichten Netzes an Mittelschulen und weiterführenden Schulen,
  • weitere Dezentralisierung von Hochschul- und Forschungseinrichtungen
  • Sicherung der hausärztlichen Versorgung und von Einrichtungen der Geburtshilfe,
  • Ausbau der der ÖPNV-Angebote; Stilllegung und Rückbau von Eisenbahnstrecken sollen unterbunden werden. Zumindest sollen die Trassen für die Zukunft gesichert werden,
  • flächendeckender Glasfaserausbau,
  • regionale Kooperationen zwischen Unternehmen, lokaler und regionaler Politik, Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften, Bildungseinrichtungen, lokalen Verwaltungen.

Aus fachlicher Sicht habe die regionale Planungsebene „eine Schlüsselfunktion“ bei der Verwirklichung des Staatsziels, die Kommunal- und Landespolitik verbinde.

Parteiübergreifende Einigkeit

Die Kommission wurde parteiübergreifend eingesetzt. „Im Mittelpunkt des nun vorliegenden Berichts steht die Forderung nach räumlicher Gerechtigkeit, was als Grundlage dafür dienen soll, dass sich auch strukturschwache Regionen gut entwickeln. Daraus leiten sich die Handlungsempfehlungen ab, die konkret aufzeigen, wie sich Bayern künftig in allen Teilregionen positiv darstellen kann“, ergänzte Rabenstein (SPD), der stellvertretende Vorsitzende der Kommission.

Wie komme ich zum Arzt, zum Einkaufen, in die Musikschule oder abends nach dem Theaterbesuch wieder nach Hause?

Markus Ganserer, MdL, Grüne

„Wie komme ich zum Arzt, zum Einkaufen, in die Musikschule oder abends nach dem Theaterbesuch wieder nach Hause? Diese Fragen stellen sich in unseren Dörfern viele Menschen, die nicht über ein eigenes Auto verfügen“, so Markus Ganserer von den Grünen. „Ihnen ein verlässliches und regelmäßiges öffentliches Verkehrsangebot zu schaffen, ist eine Grundvoraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land.“

„Auch wenn an der ein oder anderen Stelle Kompromisse notwendig waren, sind wir insgesamt sehr zufrieden mit dem heute vorgelegten Abschlussbericht“, betonte auch Joachim Hanisch (FW). Nun gelte es, die Handlungsempfehlungen schnellstmöglich in die Tat umzusetzen.

Die Kommission

Enquete-Kommissionen bestehen aus Mitgliedern des Landtags und externen Sachverständigen, hier etwa aus der IHK, der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum, dem Institut für angewandte Geoinformatik und Raumanalysen der Hochschule Anhalt, der Abteilung für Stadt- und Regionalentwicklung der Universität Bayreuth und dem Amt für ländliche Entwicklung Niederbayern. Die Enquete-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“ wurde am 1. Juli 2014 eingesetzt. Aus der CSU waren folgende Abgeordnete dabei: Berthold Rüth, Ute Eiling-Hütig, Max Gibis, Andreas Lorenz, Carolina Trautner, Tobias Reiß, Manuel Westphal und Martin Schöffel. Hier der Link zum Bericht.