Fahrverbote vor Gericht
Das Verwaltungsgericht München hat die Staatsregierung dazu verurteilt, ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge vorzubereiten. Umweltministerin Ulrike Scharf möchte das Verbot verhindern und erhält dafür Unterstützung von der bayerischen Wirtschaft.
Verkehr

Fahrverbote vor Gericht

Das Verwaltungsgericht München hat die Staatsregierung dazu verurteilt, ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge vorzubereiten. Umweltministerin Ulrike Scharf möchte das Verbot verhindern und erhält dafür Unterstützung von der bayerischen Wirtschaft.

Die bayerische Staatsregierung will nach wie vor auf Fahrverbote für Diesel-Autos verzichten. Dies erklärte Umweltministerin Ulrike Scharf nach einem Gerichtsverfahren in München. „Pauschale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Großstädten lehnen wir ab. Das trifft viele Bürger in unverhältnismäßiger Weise und ist in der Lage, den Wirtschaftsstandort Bayern zu gefährden.“

Frist bis Ende Mai

In dem Prozess, den die den Grünen nahe stehende Deutsche Umwelthilfe gegen die Staatsregierung angestrengt hatte, verurteilte das Verwaltungsgericht München den Freistaat Bayern zu einem Zwangsgeld von 4000 Euro, weil er kein Diesel-Fahrverbot in München plant. Da die Stickoxid-Grenzwerte an mehreren Straßenabschnitten in München den Grenzwert überschreiten, hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein vollzugsfähiges Konzept für Fahrverbote bis Ende 2017 verlangt – aber noch keine Fahrverbote an sich. Im neuen Luftreinhalteplan sei das aber nicht enthalten, rügte jetzt das Verwaltungsgericht. Bis Ende Mai muss der Freistaat nun Diesel-Fahrverbote für bestimmte Straßenabschnitte planen und auch veröffentlichen – andernfalls drohte ihm das Verwaltungsgericht das nächste Zwangsgeld in Höhe von 4000 Euro an.

EU-weites Problem

Das Problem besteht allerdings nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland sowie in einigen anderen europäischen Staaten, da es um EU-Grenzwerte geht. Nach einem Krisengespräch über Luftreinheit hat jetzt die EU-Kommission die von Deutschland und anderen Regierungen versprochenen Maßnahmen als nicht ausreichend bezeichnet. Es habe einige positive Vorschläge gegeben, sagte Umweltkommissar Karmenu Vella in Brüssel. Diese genügten aber nicht. „Die Standards zur Luftreinhaltung werden weiterhin überschritten werden.“ Vella will vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Neben Deutschland sind Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Rumänien, Ungarn, Tschechien und die Slowakei betroffen.

Die Zahl der deutschen Städte, in denen EU-Grenzwerte für Stickoxide überschritten werden, sei 2017 von 90 auf 70 gefallen, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in Brüssel. 50 weitere lägen nur wenig über den Standards. Auch der Mittelwert der gemessenen Stickoxide sei um fünf Prozent gesunken.

Grundsatzurteil im Februar

Über die Frage, ob zur Einhaltung von Schadstoff-Grenzwerten ein Diesel-Fahrverbot verhängt werden kann, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 22. Februar am Beispiel Düsseldorf. Das dortige Verwaltungsgericht hatte diese Maßnahme gefordert, die Politik lehnt Fahrverbote bislang ab.

Eine Enteignung durch Nutzungsverbote darf es nicht geben.

Betram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft

Die Rechtsvertreter des Freistaats und der Landeshauptstadt München hatten vor Gericht argumentiert, dass Land und Stadt zur Luftreinhaltung alles ausgeschöpft hätten, was rechtlich derzeit möglich sei. Zudem erklärten sie, dass streckenbezogene Fahrverbote nicht zwangsweise zu einer schnelleren Einhaltung der Grenzwerte führten, sondern zu einer Verlagerung des Verkehrs. Der Vertreter der Stadt München argumentierte, die vom Stadtrat anvisierte Weiterentwicklung der Umweltzone sei zielführender. Das Gericht habe „unser umfangreiches Maßnahmenpaket, das wir auf den Weg gebracht haben nicht ausreichend gewürdigt“, sagte Umweltministerin Scharf nach dem Urteil.

Die Staatsregierung verwahrte sich zudem gegen die Wortwahl der Richterin Martina Scherl. Die Kammervorsitzende hatte mit Blick auf den neuen Lufreinhalteplan für München von „allgemeinem Blabla“, und „so ner halben Larifari-Seite“ gesprochen. Staatskanzlei-Chef Marcel Huber sagte dazu, man sei sich im Kabinett einig gewesen, dass man „trotz hohem Respekt vor der richterlichen Unabhängigkeit die gestern verwendete Wortwahl für unangemessen“ halte. Der Freistaat habe ein 400 Millionen Euro schweres Paket für saubere Luft aufgelegt, der Bund habe ein Sofortprogramm beschlossen, die Landeshauptstadt ergreife eigene Maßnahmen. Das alles „derartig abzutun, ist mehr als unangebracht“, kritisierte Huber.

Belastung für Handwerk und Gewerbe

Rückendeckung für die Staatsregierung kam von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw): „Völlig zu Recht sieht die Bayerische Staatsregierung Fahrverbote für Dieselautos nicht als Mittel zur Luftreinhaltung vor“, sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Diesel-Fahrverbote könnten in München 300.000 Autofahrer treffen. „Pauschale Verbote hätten fatale Folgen“, warnte Brossardt.

Handwerk und Gewerbe seien auf umfassende Transportmöglichkeiten existenziell angewiesen und ein Großteil des Lieferverkehrs könnte ebenfalls zusammenbrechen. „Eine Enteignung durch Nutzungsverbote darf es nicht geben. Und die Käufer von Dieselfahrzeugen müssen sich auf Bestandsschutz verlassen können, da ihre Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Beschaffung den geltenden Normen entsprechen“, so Brossardt.