Ein häufiges Bild während Wahlkämpfen: zerstörte Wahlplakate. (Foto: imago)
Meinung

Demokratie braucht Wachsamkeit

Gastbeitrag "Nur wer umfassend informiert ist, ist immun gegenüber den Lockrufen der Extremisten", schreibt Burkhard Körner. In den Verfassungsschutzbehörden sieht er ein Frühwarnsystem, um Gefahrenpotentiale für unsere Demokratie rechtzeitig zu erkennen.

Die Bedrohungslagen durch gewalttätigen Extremismus und Terrorismus jeglicher Art sind in den letzten Jahren gestiegen. Der islamistische Terror ist noch näher nach Europa gerückt, als je zuvor. Im Juli 2016 mussten wir innerhalb nur einer Woche erleben, dass der islamistische Terror nun auch in Bayern angekommen ist. Ein 17-jähriger Afghane verletzte in einem Regionalzug nahe Würzburg mehrere Personen zum Teil lebensgefährlich, bevor er von der Polizei gestoppt werden konnte. Kurz darauf wurden bei einem Sprengstoffanschlag in Ansbach durch einen 27-jährigen syrischen Staatsangehörigen mindestens 12 Personen zum Teil schwer verletzt. Der Attentäter selbst kam bei der Detonation ums Leben.

Zu beiden Anschlägen bekannte sich die Terrororganisation Islamischer Staat. Der IS ist zwar in Syrien und Irak auf dem Rückzug, aber er hat nach wie vor den Willen und die Kraft, Terroranschläge gegen Ziele in Europa durchzuführen. Je weiter er in Syrien und im Irak militärisch zurückgedrängt wird, desto mehr kampferprobte Dschihadisten können mit Anschlagsplänen aus Nahost nach Europa zurückkehren. Zudem ruft er seine Anhänger verstärkt dazu auf, Anschläge in ihren Herkunftsländern zu begehen.

Unsere Demokratie muss wachsam bleiben und sich gegenüber ihren Bedrohungen, egal aus welcher Richtung, wehrhaft zeigen.

Dr. Burkhard Körner

Ein anderer wichtiger Bereich, der dem Verfassungsschutz Sorgen bereitet, ist der Rechtsextremismus. Im Zusammenhang mit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen bekam die rechtsextremistische Szene ideologischen und propagandistischen Auftrieb. Ein Resonanzboden für rechtsextremistische Ideologiefragmente entstand, die Folge war ein Ausfransen der rechtsextremistischen Szene in ein Umfeld hinein, das bislang nicht in extremistischen Strukturen verankert war, diesen aber offenkundig ideologisch nahesteht. Sogenannte Fake News können das Meinungsklima insbesondere in sozialen Netzwerken vergiften. Anknüpfend an vorhandene Stereotype und Vorurteile werden durch sie letztlich Feindbilder geformt und gefestigt, die den Nährboden bilden können für Radikalisierungsverläufe. Der Personenkreis, von dem rechtsextremistisch motivierte Gewalt ausgehen kann, hat sich erheblich vergrößert.

Eine neue Herausforderung für den Verfassungsschutz ist die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter, die in den letzten Jahren merklich gewachsen ist. Deren Ideologie ist im Grundsatz geeignet, aus einer anfänglichen Ablehnungshaltung gegenüber dem Staat zu Staatshass und damit zu gewalttätigen Handlungen zu führen. Auch das Aggressionspotenzial der gewaltbereiten linksextremistischen Szene ist weiterhin hoch. Die massiven militanten Ausschreitungen bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg haben die Szene beflügelt, sie hat einen spürbaren Motivationsschub bekommen.

Unsere Demokratie muss wachsam bleiben

Unsere Demokratie muss wachsam bleiben und sich gegenüber ihren Bedrohungen, egal aus welcher Richtung, wehrhaft zeigen. Der Schutz der Verfassung und ihrer Grundprinzipien ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach ihrer Verfassung eine wertgebundene, wachsame und wehrhafte Demokratie. Während Verfassungsfeinde in der Weimarer Republik nahezu ungestört die Demokratie schwächen konnten, wurde mit dem Grundgesetz eine wehrhafte Demokratie geschaffen, die sich zu Werten bekennt, denen sie eine besondere Bedeutung beimisst und sie gegenüber extremistischen Positionen verteidigt. Die Verfassungsschutzbehörden sind ein wichtiges Frühwarnsystem, um Gefahrenpotenziale für die Demokratie rechtzeitig zu erkennen. Es ist die Aufgabe der Nachrichtendienste Informationen zu sammeln und auszuwerten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen die Polizei, die politisch Verantwortlichen und die Öffentlichkeit in die Lage versetzen, die Gefahrenlage zu beurteilen und den verfassungsfeindlichen Kräften angemessen entgegenzutreten.

Föderale Struktur hat sich bewährt

Innerhalb des Verfassungsschutzverbundes von Bund und Ländern arbeiten die Behörden arbeitsteilig zusammen. Der föderale Aufbau der Sicherheitsarchitektur in Deutschland hat sich bewährt. Entscheidend sind die enge Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit den weiteren Sicherheitsbehörden sowie wirksame Eingriffsbefugnisse, die den aktuellen Erfordernissen gerecht werden. Eine große Zentralbehörde bedeutet nicht unbedingt, dass die Aufgaben besser und effektiver gelöst werden. Aufgrund der räumlichen Nähe können Landesbehörden beispielsweise regionale Gefahrenlagen eher erkennen und darauf schneller und flexibler reagieren.

In Bayern ist im Sommer 2016 ein modernes Verfassungsschutzgesetz in Kraft getreten, das die Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz an die aktuellen Herausforderungen angepasst hat. Die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden untereinander wie auch mit Polizei und Justiz wurde in den letzten Jahren weiterentwickelt. Gemeinsame Terrorismus- und Extremismusabwehrzentren bündeln sicherheitspolitisches Expertenwissen und teilen relevante Informationen in Echtzeit miteinander. Polizei und Verfassungsschutz arbeiten beim Schutz von Staat und Verfassung eng und vertrauensvoll zusammen. Ein Großteil unseres Personals hat eine Polizeiausbildung durchlaufen und steht damit für eine enge Verzahnung mit der Polizei. Denn nur die Vernetzung von Expertenwissen und der unmittelbare und schnelle Austausch sicherheitsrelevanter Informationen können dazu beitragen, Anschlagspläne islamistischer Terroristen oder gewaltbereiter Extremisten zu verhindern.

Nur wer umfassend informiert ist, ist immun gegenüber den Lockrufen der Extremisten.

Dr. Burkhard Körner

Die gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz erleichtert auch die Präventionsarbeit in Bayern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz organisatorisch angesiedelten Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus rekrutieren sich aus Polizei und Verfassungsschutz. So können wir in Bayern schnell reagieren, wirksam informieren und regionalspezifisch beraten, um unserem Ziel gerecht zu werden, dem Extremismus entgegenzuwirken, bevor er entsteht.

Wir als Verfassungsschutz arbeiten dabei nicht für die Schublade. Wir spiegeln die Ergebnisse unserer Arbeit in die Gesellschaft zurück. Zu unserer Arbeit gehört auch die Aufklärung: Nur wer umfassend informiert ist, ist immun gegenüber den Lockrufen der Extremisten. Der Verfassungsschutz ist dabei ein unverzichtbares Instrument unserer wehrhaften Demokratie.

Zum Autor:

Der promovierte Jurist Burkhard Körner leitet seit 2008 das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz in München.