DIW-Chef Marcel Fratzscher lobt gerne die Politik der SPD. (Foto: Imago/IPON)
Studien

Willfährige Wahlhelfer

Kommentar Zwei Forschungsinstitute liefern Untersuchungen ab, die wie bestellt zum Umverteilungswahlkampf der SPD passen. Mit der Realität im Land haben sie nur allerdings wenig zu tun. Das haben auch die drei jüngsten Wahlen gezeigt.

Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Institut daher. Nach diesem Motto versuchen derzeit offenbar einige Forschungseinrichtungen, der schwächelnden Kampagne der SPD neuen Schwung zu verleihen. Pünktlich zum Wahlkampfauftakt liefern jedenfalls das Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) aus Berlin und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung Expertisen ab, die wie bestellt zum Umverteilungs-und Gerechtigkeitswahlkampf des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten passen.

Geschätzte Erbschaften

Den Anfang machte das DIW. In Deutschland werde viel mehr Geld vererbt als bisher bekannt, verkünden die Wissenschaftler. Nicht wie bisher angenommen 200 bis 300 Milliarden Euro im Jahr, nein, 400 Milliarden sollen es sein. Die Zahl beruht, wie das DIW einräumt, auf Schätzungen. Wie viel genau vererbt oder verschenkt werde, sei nicht bekannt. Statistiken dazu fehlten.

Das hindert die DIW-Experten nicht daran, zum Kern ihres Anliegens vorzustoßen: Der Staat bekomme von all diesen Milliarden so gut wie nichts ab. „Die Mehrzahl der Erbschaften kann aufgrund der aktuell geltenden hohen Freibeträge steuerfrei übertragen werden. Das gilt auch für sehr hohe Vermögen, die als Betriebsvermögen weitgehend steuerfrei übertragen werden können. Dies kann unter dem Aspekt der Chancengleichheit Anlass zu Kritik sein“, klagt das DIW und liefert die Lösung gleich mit: „Ein Überdenken der letzten Reform der Erbschaft- und Schenkungssteuer im Hinblick auf die gewährten Freibeträge und die Steuerprivilegien für Unternehmensvermögen ist hier anzuraten.“

Rückkehr der Neiddebatte

Kein Wort davon, dass ein großer Teil der Erbschaften in Betriebsvermögen steckt und für Unternehmenserben bereits mehrjährige Haltefristen gelten. Und natürlich kein Wort davon, dass vererbtes Geld bereits mehrfach verteuert wurde. Hauptsache sie ist wieder da, die Neid-Debatte um die Erbschaftssteuer. Dankbar steigt die SPD darauf ein: „2 Klassen-Erben: 10% pro Jahr erben im Schnitt 3 Millionen. 50% nix. Erbschaftsteuer muss hoch.“ Twittert der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnet Karl Lauterbach. Und legt später noch nach: Von der Steuer der Erben könnten die Kita-Plätze der Nichterben bezahlt werden.

Stichwortgeber der SPD

Auf das DIW als Stichwortgeber ist eben Verlass. Erst kürzlich kürte die FAZ den Instituts-Chef Marcel Fratzscher zum „ersten und lautstarken Claqueur der Sozialdemokraten“, dessen Masche es sei, „in vorauseilendem Gehorsam ein Thema einsam in die Welt zu setzen, die SPD anschließend darauf aufspringen zu lassen, um der Partei hinterher zu bescheinigen, sie habe das rechte Thema zur richtigen Zeit gefunden“. In diesem Sinne scheint auch die neueste Publikation aus seinem Haus ihren Zweck zu erfüllen.

Schlusslicht in Europa?

Beauftragt hat die DIW-Studie die Hans-Böckler-Stiftung, die kurz darauf noch eine eigene, nicht weniger alarmistische Untersuchung veröffentlicht. In Deutschland habe sich die Zahl der Menschen, die trotz Arbeit arm seien, binnen zehn Jahren verdoppelt. 2004 waren der Böckler-Stiftung zufolge in Deutschland knapp zwei Millionen Erwerbstätige zwischen 18 und 64 Jahren betroffen, ein Jahrzehnt später mehr als doppelt so viel. In keinem anderen Land Europas sei die Quote der armutsgefährdeten Berufstätigen so stark gestiegen.

Die Empfehlungen der Autoren klingen wie eins zu eins aus einem Programm von SPD oder Linken übernommen: „Möglichkeiten der beruflichen Qualifikation und Weiterbildung sollten ausgebaut und für atypisch Beschäftigte beziehungsweise für Beschäftigte im Niedriglohnbereich geöffnet werden“, empfehlen die Wissenschaftler. Hartz-IV-Leistungen sollten erhöht, Sanktionen und Zumutbarkeitsregeln entschärft werden.

Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt

Was die Studie verschweigt: Im nahezu selben Zeitraum, nämlich seit Amtsantritt von Angela Merkel im Jahr 2005, hat sich die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland halbiert. Statt mehr als fünf Millionen sind nur noch 2,5 Millionen Menschen ohne Job. Die Arbeitslosenquote sank auf 5,5 Prozent. Gleichzeitig ist die Zahl der Beschäftigten um 5 Millionen angewachsen. Derzeit gibt es in Deutschland 44 Millionen Beschäftigungsverhältnisse, so viele wie noch nie zuvor.

Statt auf Arbeitslosengeld oder gar Hartz IV angewiesen zu sein, können immer mehr Menschen aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt bestreiten und haben so die Chance auf weiteren wirtschaftlichen Erfolg und gesellschaftliche Teilhabe. In Ländern wie Italien oder Spanien, die von den Autoren als Vergleich herangezogen werden, haben die Menschen diese Gelegenheit nicht. Dort verharren die Arbeitslosenquoten auf exorbitant hohem Niveau: In Italien bei mehr als 11 Prozent, in Spanien bei fast 18 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt dort sogar 37 beziehungsweise 38,6 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland waren zuletzt 6,7 Prozent der unter 24-Jährigen ohne Arbeit – der niedrigste Wert in Europa.

Drei Mal gescheitert

Weil es der SPD und ihrem Spitzenkandidaten nicht gelingt, das Land schlecht zu reden, versuchen jetzt offenbar politisch nahestehende Institute, passende Argumente zu liefern. Es wird keinen Erfolg haben. Der „Gerechtigkeitswahlkampf“ der SPD ist schon dreimal gescheitert: im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Er trifft nicht die Befindlichkeit der großen Mehrheit in Deutschland. Den Menschen in Deutschland geht es gut, vielen sogar besser als je zuvor. Und dafür, dass es so bleibt, stellen CDU und CSU in ihrem Regierungsprogramm die Weichen.