Der Nürnberger Prozess vor 70 Jahren. Auf der Anklagebank Vordere Reihe, von links: Hermann Göring, Rudolf Heß, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Ernst Kaltenbrunner, Alfred Rosenberg, Hans Frank, Wilhelm Frick, Julius Streicher und Walther Funk (nicht mehr im Bild: Hjalmar Schacht). Hintere Reihe, von links: Karl Dönitz, Erich Raeder, Baldur von Schirach, Fritz Sauckel, Alfred Jodl, Franz von Papen, Arthur Seyss-Inquart, Albert Speer und Konstantin van Neurath (nicht mehr im Bild: Hans Fritzsche). Foto: imago/ZUMA/Keystone
Menschenrechte

Akademie „Nürnberger Prinzipien“ eröffnet

Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly eröffnen am kommenden Wochenende ein internationales Forum zur Diskussion aktueller Fragen mit Bezug zum Völkerstrafrecht am historischen Ort der Nürnberger Prozesse.

Die Stiftung Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien wird am 6. und 7. Juni mit einer zweitägigen Veranstaltung unter dem Titel „Strafrechtliche Verantwortlichkeit – 70 Jahre nach den Nürnberger Prozessen“ eröffnet. Die feierliche Eröffnung der Akademie erfolgt durch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und Oberbürgermeister Ulrich Maly. Zu der Veranstaltung werden hochrangige Vertreter aus Politik und international renommierte Menschenrechtler und Juristen wie die ehemalige Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen Navi Pillay und der Auschwitz-Überlebende und ehemalige Richter am Internationalen Gerichtshof, Thomas Buergenthal, erwartet. Beide sind Mitglieder im Kuratorium der Stiftung.

Neben der feierlichen Eröffnung der Akademie werden international renommierte Völkerstrafrechtler und Praktiker des Völkerstrafrechts diskutieren, wie der Straflosigkeit bei den schlimmsten Menschheitsverbrechen am wirkungsvollsten begegnet werden kann. Weitere Diskussionsforen an denen u.a. der Chefankläger des Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, Serge Brammertz, und Bertram Schmitt, deutscher Richter am Internationalen Strafgerichtshof, teilnehmen werden, befassen sich mit den Lehren der Nürnberger Prozesse und der Zukunft der internationalen Strafgerichtsbarkeit.

Die Herrschaft des Rechts

„Hier in Nürnberg schaffen wir einen Stützpunkt für das moderne Völkerstrafrecht und geben der Erinnerungskultur eine Zukunftsbotschaft. Freiheit und Demokratie brauchen Einsatz, Engagement, Zivilcourage und Mut. Unsere Grundwerte und das internationale Völkerrecht sind der entscheidende Kompass für die Zukunft“, so der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer.

Außenminister Steinmeier sagte anlässlich der Eröffnung der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien: „Wir setzen uns weltweit für eine Stärkung der Herrschaft des Rechts in den internationalen Beziehungen ein. Das ist angesichts der vielen gewaltsamen Krisen und Konflikte mehr denn je nötig. Deutschland ist deshalb Vorreiter des Völkerrechts und insbesondere des Völkerstrafrechts, wie schon in den Verhandlungen über das Römische Statut und beim Aufbau des Internationalen Strafgerichtshofes. Daher haben wir gerne die Schaffung der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien als einen Ort der Forschung und des Dialogs für aktuelle völkerrechtliche und völkerstrafrechtliche Themen unterstützt.“

„Mit der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien wird ein internationales Forum zur Förderung des Friedens durch Recht eröffnet“, betont Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly. „Die Akademie wird durch ihre Arbeit, die sich an ein internationales Fachpublikum wendet, Nürnberg als Stadt des Friedens und der Menschenrechte bereichern.“

„Ziel der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien ist es, beruhend auf dem Vermächtnis von Nürnberg das moderne Völkerstrafrecht und seine Anwendung zu fördern und fortzuentwickeln“, so Bernd Borchardt, Gründungsdirektor der Akademie.

Die Nürnberger Prozesse und die Nürnberger Prinzipien gelten als Meilensteine des modernen Völkerstrafrechts. Am 20. November 2015 jährt sich der Beginn der Nürnberger Prozesse zum siebzigsten Mal (siehe Infobox).

Internationales Forum für Völkerstrafrecht

Die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien (IANP) ist eine Stiftung zur Förderung des Völkerstrafrechts mit Sitz am historischen Ort der Nürnberger Prozesse, dem Geburtsort des modernen Völkerstrafrechts. Sie versteht sich als internationales Forum zur Diskussion aktueller Fragen mit Bezug zum Völkerstrafrecht. Ziel der IANP ist es, weltweit die Legitimität, die Rechtmäßigkeit und die Akzeptanz des Völkerstrafrechts und seiner Anwendung zu fördern. Ihre Tätigkeitsfelder umfassen interdisziplinäre Forschung, zielgruppenspezifische Trainings- und Beratungsangebote und Menschenrechtsbildung. Ein besonderer Fokus der IANP liegt auf der Arbeit mit Ländern und Gesellschaften, die vor völkerstrafrechtlichen Herausforderungen stehen. Gründer der Stiftung sind das Auswärtige Amt, der Freistaat Bayern und die Stadt Nürnberg.

 

Die Nürnberger Prozesse umfassen den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof sowie zwölf weitere so genannte Nachfolge-Prozesse vor einem amerikanischen Militärgerichtshof, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Justizpalast Nürnberg zwischen dem 20. November 1945 und dem 14. April 1949 gegen Verantwortliche des Deutschen Reichs zur Zeit des Nationalsozialismus durchgeführt wurden. Von den 24 Angeklagten des Hauptprozesses wurden drei freigesprochen, zwölf zum Tode verurteilt, sieben Angeklagte erhielten langjährige oder lebenslange Haftstrafen und gegen zwei konnte der Prozess nicht beendet werden. Robert Ley brachte sich vor Prozessbeginn um, Gustav Krupp von Bohlen und Halbach schied aus gesundheitlichen Gründen aus. Martin Bormann, engster Mitarbeiter Hitlers im Führerhauptquartier, galt bei Kriegsende als verschollen und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Seine sterblichen Überreste wurde erst 1972 bei Bauarbeiten in Berlin entdeckt, was 1998 nochmal per DNA-Analyse bestätigt wurde: Er starb 1945 bei dem Versuch, vor der Roten Armee zu fliehen. Hermann Göring vergiftete sich kurz vor der Vollstreckung selbst, die anderen Todesurteile wurden vollzogen. Nur Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß blieb bis ins hohe Alter im Spandauer Gefängnis, wo er sich 1987 im Alter von 93 Jahren das Leben nahm. Angeklagt in den Folgeprozessen waren Ärzte, Juristen, Mitglieder von SS und Polizei, Industrielle und Manager, militärische Führer sowie Minister und hohe Regierungsvertreter. Von den 185 Angeklagten der Folgeprozesse wurden 35 freigesprochen, 24 zum Tode verurteilt (12 wurden hingerichtet, die anderen später zu Haft umgewandelt), 20 zu lebenslanger Haft und 98 zu Freiheitsstrafen zwischen 18 Monaten und 25 Jahren. Die Nürnberger Prozesse gelten als Durchbruch des Prinzips, dass es für einen Kernbestand von Verbrechen keine Immunität geben darf. Erstmals wurden die Vertreter eines zum Zeitpunkt ihrer Taten souveränen Staates für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen.
Als Nürnberger Prinzipien  gingen diese Grundsätze des Gerichts in das Völkerrecht ein:

  • Jede Person, welche ein völkerrechtliches Verbrechen begeht, ist hierfür strafrechtlich verantwortlich.
  • Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder sind für von ihnen begangene völkerrechtliche Verbrechen nach dem Völkerrecht verantwortlich.
  • Auch wenn das nationale Recht für ein völkerrechtliches Verbrechen keine Strafe vorsieht, kann sich ein Täter nach dem Völkerrecht strafbar machen.
  • Handeln auf höheren Befehl („Befehlsnotstand“) befreit nicht von der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit, sofern der Täter auch anders hätte handeln können.
  • Jeder, der wegen eines völkerrechtlichen Verbrechens angeklagt ist, hat Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verfahren.

Folgende Verbrechen sind als völkerrechtliche Verbrechen strafbar:

  • Verbrechen gegen den Frieden: Führen eines Angriffskrieges
  • Kriegsverbrechen
  • Verbrechen gegen die Menschlichkeit
  • Verschwörung zur Begehung der genannten Verbrechen stellt ebenfalls ein völkerrechtliches Verbrechen dar.

Die Nürnberger Prozesse sind somit Wegbereiter gewesen für die UN-Kriegsverbrechertribunale für die juristische Aufarbeitung der Bürgerkriege in Jugoslawien, Ruanda und Sierra Leone sowie für das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Letzterer wurde ausgerechnet von den USA (und anderen Ländern) bis heute nicht anerkannt.