Die Jugendfeuerwehrgruppe Kolbermoor im Landkreis Rosenheim. (Bild: A. Schuchardt)
Ehrenamt

Freiwillige vor und Wasser marsch!

Einsatzübungen, Wettbewerbe, Gerätetechnik – mit verschiedenen Angeboten versuchen Freiwillige Feuerwehren Kinder und Jugendliche für das Ehrenamt zu gewinnen. Wie das funktionieren kann, zeigt ein Besuch der Jugendfeuerwehrgruppe Kolbermoor im Landkreis Rosenheim.

Zu unzähligen Einsätzen ist Kreisbrandrat Richard Schrank bereits ausgerückt. Einen wird er niemals vergessen. „Man kommt da an, im Morgengrauen, die Vögel haben gezwitschert und es war erst einmal Totenstille.“ Schrank war einer der Ersten an der Unglücksstelle, als zwei Regionalzüge auf der Strecke von Holzkirchen nach Rosenheim im Februar 2016 bei Bad Aibling frontal zusammengestoßen waren. „Die Schreie von den Hilfesuchenden, die Geräusche an der Einsatzstelle, sie lassen sich schwer beschreiben. Das sind Eindrücke, die braucht man kein zweites Mal“, sagt Schrank. Der Chef aller 117 Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Rosenheim engagiert sich aus Überzeugung. „Ich diene einer guten Sache – helfe Menschen in Not, schütze Sachwerte – das ist für mich Motivation genug“, sagt der gebürtige Bayer.

Ich diene einer guten Sache – helfe Menschen in Not, schütze Sachwerte – das ist für mich Motivation genug.

Richard Schrank, Kreisbrandrat Rosenheim

Diese Einstellung teilen jedoch immer weniger Menschen. Gerade die Freiwilligen Feuerwehren ringen deutschlandweit um Nachwuchs. Mithilfe von Kampagnen stabilisierten sich die Mitgliederzahlen immerhin in Bayern. Im Regierungsbezirk Oberbayern gibt es sogar leichten Zuwachs, auch unter den insgesamt 9500 Jugendlichen. 400 mehr als noch im Jahr 2012 schlossen sich im vergangenen Jahr einer Freiwilligen Feuerwehr an.

Der Wert des Ehrenamtes

Kinder und Jugendliche dafür zu begeistern, ist nicht so einfach. Schließlich locken vom Fußballverein bis zur Judogruppe allerhand andere Freizeitangebote. Deshalb will Schrank besonders jungen Eltern den Wert des Ehrenamtes nahe bringen. Je früher die Kleinen an das Thema spielerisch herangeführt werden, desto größer sei die Chance, dass sie dabei blieben, sagt er. Das war auch der Grund, warum er 2003 die Jugendfeuerwehrgruppe Kolbermoor im Landkreis Rosenheim gründete.

Schrank, der damals dort Kommandant war, hatte auch eine persönliche Motivation. Seine Tochter wollte der Feuerwehrmann damit am Ball halten. Das Konzept ging auf. Nina Schrank ist seit der Gründung vor 14 Jahren mit dabei. Inzwischen betreut sie als Jugendwartin die 12- bis 16-Jährigen. „Mir wurde das in die Wiege gelegt und ich habe nur darauf gewartet, endlich starten zu können“, sagt die 29-Jährige. Ausflüge mit Einsatzübungen und Szenarien sowie Leistungswettbewerbe hält sie für besonders wichtig, um die Jugendlichen an das Hobby zu binden. Was Kinder und Jugendliche an der Freiwilligen Feuerwehr schätzen, verraten sie im Video.

Jugendfeuerwehr Kolbermoor: Technik statt TorePlay Video
Jugendfeuerwehr Kolbermoor: Technik statt Tore

Tatsächlich ist gelebte Familientradition für viele ein Grund für den Eintritt. Vom Großteil der Jungen und Mädchen in der 20-köpfigen Jugendgruppe der Freiwilligen Feuerwehr Kolbermoor waren schon die Großväter in der Feuerwehr. Auch Mund-zu-Mund-Propaganda bewegt junge Menschen, zu den Übungen zu kommen. Ob sie sich langfristig für den Dienst entscheiden, hänge oft von der verfügbaren Technik ab, sagt Schrank. „Wir haben im Landkreis verschiedene Situationen. Einige haben wirklich Probleme, Nachwuchs zu bekommen, wenn nicht viele technische Geräte da sind und dann das Interesse der Jugend nicht ganz so hoch ist“, sagt Schrank. Die Freiwillige Feuerwehr Kolbermoor hat damit keine Probleme. Im Gerätehaus stehen elf Einsatzfahrzeuge, darunter ein Hubrettungsfahrzeug mit Drehleiter – besonders für die Jüngeren eine Attraktion.

Kampagnen für den Nachwuchs

Aber mit Technik alleine finden die 62 aktiven Feuerwehrmänner und -frauen aus Kolbermoor keinen Nachwuchs. „Um junge Mitglieder zu rekrutieren, haben wir anfangs 1500 Haushalte in der Umgebung angeschrieben“, erinnert sich Schrank. Immerhin zehn kamen, zwei von ihnen sind immer noch Teil der Truppe. Auch wenn es sich dafür gelohnt habe, wie Schrank sagt, greifen die Ehrenämtler inzwischen zu anderen Mitteln, um neue Mitglieder zu bekommen. Drei- bis viermal im Jahr laden sie Kindergartengruppen und Schulklassen ins Gerätehaus ein und zeigen ihr Equipment. Aktionen wie „Tag der offenen Tür“, Wettbewerbe, Brandschutzerziehung und Besuche in Schulen tragen ebenfalls dazu bei.

Wir müssen früher auf uns aufmerksam machen.

Nina Schranke, Jugendwartin FFW Kolbermoor

Um die Nachwuchsrekrutierung zu unterstützen, soll auch das Bayerische Feuerwehrgesetz geändert werden. Es macht sogenannte „Kinderfeuerwehren“ möglich. Es schafft gesetzliche Rahmenbedingungen wie den Versicherungsschutz, damit auch sechs- bis zwölfjährige Kinder in die Feuerwehr kommen können. „Bei den Kinderfeuerwehren steht nicht die Ausbildung im Vordergrund, sondern dass die Kleinen ein Gefühl für die Feuerwehr bekommen und spielerisch an das Thema Brandschutz herangeführt werden“, sagt Schrank. Wer Kinderfeuerwehren anbietet, braucht allerdings zusätzliches Personal für die Betreuung. Insgesamt gibt es in Oberbayern bereits 17 Kinderfeuerwehren. In Kolbermoor hapert es noch an der Nachfrage. Nina Schrank befürwortet die Idee. „Andere Vereine nehmen Kinder bereits mit sechs Jahren auf. Dadurch gehen uns viele verloren, die später keine Zeit mehr haben für ein weiteres Hobby wie die Freiwillige Feuerwehr. Deshalb müssen wir früher auf uns aufmerksam machen“, sagt sie.

Schrumpfende Mitgliederzahlen

Engagierten sich im Jahr 2012 deutschlandweit noch über 1,3 Millionen Menschen für die Freiwillige Feuerwehr, Berufs-, Jugend- und Werkfeuerwehr waren es im Jahr 2014 knapp 20.000 weniger. Aktuellere Zahlen liegen dem Deutschen Feuerwehrverband noch nicht vor. In Bayern schrumpfen die Mitgliederzahlen ebenfalls. Im vergangenen Jahr auf knapp 330.000. Der Großteil von ihnen, knapp 97 Prozent, hilft bei der Freiwilligen Feuerwehr. Im Landkreis und der Stadt Rosenheim gibt es insgesamt 117 Freiwillige Feuerwehren, zwei Betriebs- und eine Werkfeuerwehr. Von den 6350 ehrenamtlichen Feuerwehrmitgliedern sind 943 Jugendliche.

Über das Ehrenamt zum Studium

In Bayern stärkt ein Projekt der Augsburger Hochschule die Nachwuchsförderung und das Ehrenamt. Dort ist ein Studium auch ohne Numerus Clausus möglich. Voraussetzung ist nicht wie üblich ein bestimmter Notenspiegel oder unter Umständen ein Abitur, sondern ehrenamtliches Engagement. Möglich macht das die Kooperation zwischen der Hochschule, dem Stadtfeuerwehrverband und der Arbeitsgemeinschaft der Augsburger Hilfsorganisationen. Das Konzept könnte in ganz Bayern Schule machen.

Über`s Ehrenamt zum Studium an die Fachhochschule AugsburgPlay Video
Über`s Ehrenamt zum Studium an die Fachhochschule Augsburg

Das Bayerische Feuerwehrgesetz

Insgesamt leisten in Bayern derzeit rund 330.000 Menschen aktiven Feuerwehrdienst, hiervon über 318.000 ehrenamtlich. Im Herbst 2016 beschloss die Bayerische Staatsregierung, das Feuerwehrrecht an die geänderten demografischen Rahmenbedingungen anzupassen. Um die Freiwilligen Feuerwehren zukunftsfähig zu machen, sollen zur Nachwuchsgewinnung künftig sogenannte „Kinderfeuerwehren“ möglich sein. Außerdem soll das Höchstalter für den aktiven Feuerwehrdienst von 63 auf 65 Jahre heraufgesetzt werden. Weiter sieht der Gesetzentwurf unter anderem die Stärkung der kommunalen Zusammenarbeit im Feuerwehrwesen, die Entlastung der Kreisbrandräte und Möglichkeiten der Inklusion vor.

Das Bayerische Feuerwehrgesetz wurde zuletzt vor neun Jahren geändert. Bislang ist der neue Gesetzentwurf des Bayerischen Innenministeriums mit den betroffenen Verbänden besprochen worden. Diese konnten weitere Vorschläge einbringen. In einem nächsten Schritt wird der endgültige Entwurf in den Bayerischen Landtag eingebracht und dort in den zuständigen Ausschüssen wie dem Innenausschuss diskutiert. Das neue Gesetz kann dann aller Voraussicht nach im ersten Halbjahr 2017 in Kraft treten.