Falsche Zahlen, wenig Kenntnis
Arbeitgeber und Wirtschaftsexperten zerpflücken die Pläne des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Dessen Vorschlag, die Agenda 2010 in vielen Teilen abzuwickeln, gefährde Arbeitsplätze und die Konjunktur in Deutschland.
Wahlkampf

Falsche Zahlen, wenig Kenntnis

Arbeitgeber und Wirtschaftsexperten zerpflücken die Pläne des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Dessen Vorschlag, die Agenda 2010 in vielen Teilen abzuwickeln, gefährde Arbeitsplätze und die Konjunktur in Deutschland.

Deutschlands Arbeitgeber und Wirtschaftsexperten haben die Reformvorschläge von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz für den Arbeitsmarkt auseinandergenommen. „Viele Vorschläge sind ohne präzise Kenntnis der Zahlen oder der Rechtslage in Deutschland formuliert“, heißt es in einer Bewertung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), aus der die Zeitungen der Funke Mediengruppe zitieren. Eine Verlängerung des Arbeitslosengeld-I-Bezugs würde „eine schnelle Wiederaufnahme von Arbeit erschweren“.

Gefahr für die Stabilität

Zudem habe Schulz „viel zu hohe Zahlen“ zu befristeten Beschäftigungsverhältnissen genannt, hieß es weiter. In der Altersgruppe zwischen 25 und 35 Jahren seien tatsächlich gut zwölf Prozent der Beschäftigten befristet tätig. Schulz hatte dagegen im Interview der Bild-Zeitung von knapp 40 Prozent gesprochen.

Für die CSU gilt weiter: Sozial ist, was Arbeit schafft.

Andreas Scheuer

Der SPD-Kanzlerkandidat hatte am Montag angekündigt, mit einer Änderung der umstrittenen Agenda 2010 in den Wahlkampf ziehen zu wollen. In der Neuen Westfälischen begründete er die Motivation für seinen Vorstoß: „Die Agenda war in vielen Punkten ein Erfolg, in manchen nicht. Wir müssen Lösungen mit heutigen Antworten finden und nicht mit einer rückwärts gewandten Debatte.“

Kosmetische Korrekturen

Warnungen vor einer Aufweichung der Agenda 2010 kamen auch von anderen Wirtschaftsexperten. „Die Politik sollte sich auch im Wahlkampfmodus erst einmal fragen, welche Grundpfeiler in den vergangenen Jahren die Stabilität des deutschen Arbeitsmarkts getragen haben“, sagte der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, der Rheinischen Post. „Ein wesentlicher Bestandteil waren die Reformen der Agenda 2010, die den beeindruckenden Abbau der Arbeitslosigkeit und gleichzeitigen Aufbau der Beschäftigung seit 2005 mitgetragen haben.“

Ifo-Instituts-Präsident Clemens Fuest sagte der Zeitung: „Bei undifferenzierter Rückabwicklung der Agenda drohen Gefahren für den Arbeitsmarkt und für das Wirtschaftswachstum in Deutschland.“

Das größte Arbeitsmarktproblem ist immer noch die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit.

Bert Rürup, Wirtschaftswissenschaftler

Der Kritik an Schulz‘ Plänen schloss sich auch das Institut der deutschen Wirtschaft an. Direktor Michael Hüther warnte in der Passauer Neuen Presse ebenfalls vor einer verlängerten Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I. „Eine Ausdehnung der Zahlung führt nicht zu höherer Wiederbeschäftigung, das wissen wir aus vielen Studien und Befragungen. Es wäre reine Alimentierung.“ Ähnlich äußerte sich der Koblenzer Arbeitsmarktforscher Stefan Sell im MDR: „Das ist eine Korrektur, die dem Einzelnen dann ein, zwei, drei Monate hilft. Aber es ändert an dem Hartz-IV-System doch gar nichts.“

Schlachten der Vergangenheit

Der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, geht davon aus, dass die SPD mit ihren neuen Wahlversprechen den Arbeitsmarkt nicht verbessern werde.

„Das größte Arbeitsmarktproblem ist immer noch die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit“, sagte der Ökonom dem Handelsblatt. Den Langzeitarbeitslosen helfe eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengelds nicht.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warf Schulz die „Rückabwicklung der Agenda 2010“ vor. Mit den „Schlachten der Vergangenheit“  gefährde die SPD die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Schulz sei als SPD-Präsidiums- sowie Vorstandsmitglied seit 1999 immer eingebunden gewesen in die Politik der SPD, auch in die Agenda 2010.

Signal für Rot-Rot-Grün

„Für die CSU gilt weiter: Sozial ist, was Arbeit schafft“, betonte Scheuer. Dagegen wolle die SPD die Arbeitslosigkeit alimentieren und verwalten. Man werde den Wählern klar machen: „Wir unterscheiden uns deutlich von der Wischiwaschi-SPD und Schwafel-Schulz. Die Wahl im September wird eine Richtungsentscheidung für Deutschland.“ Der Generalsekretär warnte vor Rot-Rot-Grün: Alle Anzeichen und auch die jüngsten Programmaussagen von SPD und Grünen machten deutlich, wohin die Reise gehe. „Die Braut macht sich schick für Rot-Rot-Grün!“

(dpa)