Schlag gegen die Opposition
Die beiden Chefs sowie weitere Abgeordnete der pro-kurdischen Partei HDP wurden verhaftet. Erdogan wirft ihnen vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu unterstützen. Nach den Verhaftungen kam es in der Stadt Diyarbakir zu einem schweren Bombenanschlag.
Türkei

Schlag gegen die Opposition

Die beiden Chefs sowie weitere Abgeordnete der pro-kurdischen Partei HDP wurden verhaftet. Erdogan wirft ihnen vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu unterstützen. Nach den Verhaftungen kam es in der Stadt Diyarbakir zu einem schweren Bombenanschlag.

Die türkische Regierung setzt ihren Feldzug gegen oppositionelle Kräfte und vermeintliche Gegner des Staates mit unverminderter Härte fort. Sicherheitskräfte haben in der Nacht zum Freitag die beiden Vorsitzenden der pro-kurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdağ, im Zuge von Terrorermittlungen festgenommen. Das berichtete der staatliche türkische Sender TRT. Die beiden Politiker gehören zu zahlreichen HDP-Abgeordneten im türkischen Parlament, deren Immunität im vergangenen Mai auf Betreiben des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan aufgehoben worden war.

Vorwurf der Terror-Propaganda

Demirtas wurden den Berichten zufolge in Diyarbakir festgenommen, Yüksekdağ in der Hauptstadt Ankara. Den beiden wird von der Staatsanwaltschaft die Verbreitung terroristischer Propaganda vorgeworfen. Sie seien festgenommen worden, nachdem sie sich geweigert hätten, zur Vernehmung bei den Ermittlern zu erscheinen, teilten die Behörden in der Nacht mit. Die Staatsagentur Anadolu veröffentlichte eine Erklärung des Innenministeriums, nach der insgesamt elf HDP-Vertreter festgenommen worden seien, gegen vier weitere Angeordnete gebe es Haftbefehle.

„Polizeibeamten stehen vor meinem Haus in Diyarbakir mit dem Beschluss, mich gewaltsam in Gewahrsam zu nehmen“, twitterte Demirtas kurz vor seiner Festnahme. In den sozialen Medien wurden trotz erschwerten Zugangs Livevideos von den Festnahmen und anschließenden Hausdurchsuchungen gezeigt. Die HDP verbreitete über den Dienst Periscope zudem ein Video, dass eine Polizeirazzia in der HDP-Zentrale in Diyarbakir zeigen soll.

Angriffe auf Deutschland

Erdogan hält die HDP für das Sprachrohr der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Parlament. In den vergangenen Wochen hatte die türkische Regierung bereits in mehr als zwei Dutzend kurdischen Gemeinden die Bürgermeister durch Zwangsverwalter ersetzt. Die HDP ist mit 59 Sitzen im Parlament die drittgrößte Partei und die größte politische Vertretung der Kurden.

Der türkische Justizminister Bekir Bozdag verteidigte die Festnahmen von Abgeordneten als „rechtskonform“. Gleichzeitig erneuerte er die Angriffe der türkischen Regierung auf Deutschland und die EU. Weder Kanzlerin Merkel noch EU-Kommissare hätten das Recht, der Türkei „Lehren zu erteilen“, betonte er. „Sie müssen sehen und verstehen, dass die türkische Justiz genauso neutral und unabhängig ist wie die deutsche.“

In Deutschland, behauptete Bozdag,  gebe es „Rechtsstaat und Freiheiten“ nur für Deutsche. „Wenn Sie ein Türke in Deutschland sind, haben Sie überhaupt keine Rechte.“ Der türkische Präsident Erdogan hatte Deutschland am Donnerstag vorgeworfen, Terroristen Unterschlupf zu bieten, statt „rassistische Übergriffe gegen Türken“ zu verhindern. „Man wird sich zeitlebens an Euch erinnern, weil Ihr den Terror unterstützt habt“, sagte Erdogan.

Die Bundesregierung äußert Kritik

Das deutsche Außenministerium reagierte auf die jüngsten Vorfälle und bestellte den amtierenden türkischen Gesandten ein. Zur Begründung hieß es am Freitag, die Festnahmen von Politikern der pro-kurdischen Partei HDP seien eine „weitere drastische Verschärfung der Lage“. Die Türkei wird in Berlin nach dem Abschied des bisherigen Botschafters aktuell nur durch einen Gesandten vertreten. „Niemand bestreitet das Recht der Türkei, der Bedrohung durch den Terrorismus entgegen zu treten und den blutigen Putschversuch mit rechtsstaatlichen Mitteln aufzuarbeiten“, hieß es in einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes. „Das darf aber nicht als Rechtfertigung dafür dienen, die politische Opposition mundtot zu machen oder gar hinter Gitter zu bringen.“

Explosion in Diyarbakir

In der südosttürkischen Kurdenmetropole Diyarbakir kam es am Freitag Morgen laut Medienberichten zu einer schweren Explosion. Mindestens 30 Menschen seien bei der Detonation in der Nähe des Polizei-Hauptquartiers der Provinz verletzt worden, berichtete der Sender CNN Türk. Die Nachrichtenagentur Anadolu meldete zudem einen Toten. Die türkischen Behörden verhängten eine Nachrichtensperre. Das geschieht in der Türkei in der Regel bei Anschlägen. Anwohner sagten der Deutschen Presse-Agentur, die Detonation habe sich in der Nähe des Polizei-Hauptquartiers der Provinz Diyarbakir ereignet und sei in weiten Teilen der Stadt zu hören gewesen. Hubschrauber kreisten über Diyarbakir. Anadolu berichtete, zu der Detonation sei es neben einem Anbau der Polizeizentrale gekommen.

Massive Einsätze gegen Kurden

Die türkischen Behörden sind zuletzt massive gegen kurdische Politiker im Südosten des Landes vorgegangen. Anfang der Woche wurden bei Razzien in der Provinz Mardin 25 Politiker der kurdischen Partei DBP, die ein kommunaler Ableger der HDP ist, festgenommen. Vor einer Woche waren die DBP-Bürgermeister von Diyarbakir, Gültan Kisanak und Firat Anli, unter Terrorvorwürfen festgenommen worden. Gegen die beiden wurde inzwischen Haftbefehl erlassen.

Erst im September hatte die türkische Regierung 26 Bürgermeister im Südosten des Landes wegen mutmaßlicher Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK abgesetzt und deren Verwaltungen unter Zwangsaufsicht gestellt.

(dpa)