Entgrenzte Gewalt in den Grenzen von 1937
Ein Vertreter der selbsternannten "Reichsbürger-Bewegung" schießt in Georgensgmünd bei Nürnberg vier Polizisten nieder. Einer davon ist mittlerweile an seinen Verletzungen gestorben. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kündigt an, die Sicherheitsbehörden würden die radikale Vereinigung verstärkt ins Visier nehmen: "Wir werden alles tun, um die Menschen vor diesen Leuten zu beschützen."
Angriff auf Polizisten

Entgrenzte Gewalt in den Grenzen von 1937

Ein Vertreter der selbsternannten "Reichsbürger-Bewegung" schießt in Georgensgmünd bei Nürnberg vier Polizisten nieder. Einer davon ist mittlerweile an seinen Verletzungen gestorben. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kündigt an, die Sicherheitsbehörden würden die radikale Vereinigung verstärkt ins Visier nehmen: "Wir werden alles tun, um die Menschen vor diesen Leuten zu beschützen."

Ein sogenannter „Reichsbürger“ hat bei einer Razzia in Georgensgmünd bei Nürnberg auf vier Polizisten geschossen. Einer davon ist mittlerweile gestorben. Bei dem Einsatz am Mittwoch-Morgen gegen 6 Uhr sollten auf Betreiben des Landratsamtes der Kreisstadt Roth die ursprünglich legal erworbenen Waffen des 49-Jährigen wegen Unzuverlässigkeit sichergestellt werden. Dabei eröffnete der Mann sofort das Feuer auf die Beamten. Der Täter konnte leicht verletzt festgenommen werden. Zur Unterstützung waren Spezialeinheiten der Polizei am Tatort.

Staatsfeinde im Visier

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sprach auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz im Landratsamt Roth von einer „bisher so in Bayern nicht gekannten Eskalation“. Die bayerischen Sicherheitsbehörden würden die „Reichsbürger-Bewegung“ künftig „verstärkt in den Blick nehmen“, da sie dem Staat und der Verfassung den Fortbestand abspreche. Speziell jene Anhänger, die Waffen besitzen und durch extremistische Einstellungen auffallen, sollen ins Visier genommen werden.

Die ‚Reichsbürger-Bewegung‘ ist nicht als Vereinigung von Spinnern abzutun. Sie verrennen sich in ihrer Ideologie.

Innenminister Joachim Herrmann

Laut Herrmann hatte der Schütze vom Morgen 31 Waffen bei sich zu Hause. Als Jäger habe er sie legal erworben. Bei dem Polizeieinsatz wurde ein 32-jähriger SEK-Beamter zunächst lebensgefährlich verletzt. Am frühen Donnerstag-Morgen ist er seinen schweren Schussverletzungen erlegen. Ein weiterer Beamter erlitt einen Durchschuss im Oberarm, die anderen beiden Polizisten bekamen zudem leichte Verletzungen ab. Entsetzt konstatierte Herrmann: „Die ‚Reichsbürger-Bewegung‘ ist nicht als Vereinigung von Spinnern abzutun. Sie verrennen sich in ihrer Ideologie. Wir werden alles tun, um die Menschen vor diesen Leuten zu schützen.“

Die „Reichsbürger“

erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Dabei legen sie oft die Grenzen von 1937 zugrunde. Vor diesem Hintergrund sprechen sie dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren amtliche Bescheide nicht. Etliche Akteure sind nach Einschätzung von Verfassungsschützern auch in der rechtsextremen Szene aktiv. Ihre Zahl schätzen Experten auf mehrere hundert.

Nähe zur AfD

Der jüngst als Abgeordneter für die AfD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern eingezogene Juraprofessor Ralph Weber pflegte die Nähe zu der radikalen Bewegung. So hatte er im Januar einen Vertreter der „Reichsbürger“, Thomas Mann, in seiner Vorlesungsreihe an der Universität Greifswald auftreten lassen. Mann sprach in seinem Vortrag von der „BRD-GmbH“, in der die Bürger „nur Personal“ seien. Als Beleg für seine Theorie führte er den Namen des Dokuments „Personalausweis“ an. Er polemisierte gegen den deutschen Staat und gegen Juden. Die Uni Greifswald wollte danach die Einladung des „Reichsbürgers“ am Maßstab des Grundgesetzes überprüfen, nach dem die Freiheit der Lehre nicht von der Verfassungstreue entbindet. AfD-Mann Weber redete sich heraus, er habe nicht gewusst, wen er da zur Vorlesung eingeladen habe. Mann sei ihm als Experte für die Geschichte Preußens empfohlen worden.

Entsetzte Polizei-Gewerkschaft

Mit Betroffenheit hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf die Schüsse von Georgensgmünd reagiert. „Das blutige Ereignis ist ein weiterer schockierender Höhepunkt der Gewalt gegen Polizeibeamte im täglichen Dienst“, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow.

Seehofer kondoliert den Angehörigen

Ministerpräsident Horst Seehofer zeigte sich ebenfalls tief betroffen: „Der Tod des jungen Polizisten im direkten Einsatz für die Sicherheit der Menschen im Freistaat macht mich fassungslos. Ganz Bayern trauert. Stellvertretend für alle Bürgerinnen und Bürger spreche ich den Angehörigen und Freunden des Opfers dieser verachtenswerten Tat unsere tief empfundene Anteilnahme aus.“ Die Polizei im Freistaat werde bis zur Beerdigung des Beamten Trauerflor tragen.

Auch die Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Roth und Nürnberger Land, Marlene Mortler, verurteilt den Angriff: „Ich bin schockiert von der Skrupellosigkeit, mit der der Täter sofort das Feuer auf die Polizisten eröffnet hat.“ Die Tat ist laut Mortler eine Kampfansage an die Demokratie. Die CSU-Politikerin warnte davor, die Gruppierung der „Reichsbürger“ zu unterschätzen. „Mit ihrer Weltanschauung, die zum Teil den Fortbestand des Dritten Reiches proklamiert, leugnen sie schlichtweg historische und politische Realitäten. Ich halte es für sehr gefährlich, die Anhänger nur als Sonderlinge zu sehen. Die mitunter gewalttätigen Übergriffe der ‚Reichsbürger‘ auf Staatsbedienstete, Sicherheitskräfte sowie unbescholtene Bürger sind keine Einzelfälle, sondern sie nehmen zu.“

Herrmann will „gerechte Strafe“

Innenminister Herrmann erklärte angesichts der Todesnachricht: „Dieses brutale Verbrechen macht uns alle fassungslos.“ Es sei eine schwere Stunde für die bayerische Polizei und ein schrecklicher Verlust. „Wir werden alles daran setzen, damit der Täter seine gerechte Strafe erhält“, betonte Herrmann.
(dpa/grd)