Verschleppt, erfroren, verhungert: Nahezu alle armenischen Kinder starben auf den Deportationsmärschen. Bild: PD / fkn
Armenien-Massaker

Das klärende V-Wort

Die Fraktionen von Union und SPD sprechen beim Massaker an den Armeniern vor genau 100 Jahren jetzt doch von einem Völkermord. Die Regierungsfraktionen fordern die Türkei auf, sich mit den Vertreibungen und Massakern endlich offen auseinanderzusetzen und zwischen Türken und Armeniern einen Versöhnungsprozess einzuleiten.

In dem Antragsentwurf der Regierungsfraktionen heißt es, das Schicksal der Armenier „steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist“. Am 24. April 1915 habe das damalige jungtürkische Regime mit der planmäßigen Vertreibung und Vernichtung von über einer Million ethnischen Armeniern begonnen.

„Versöhnungsprozess bedarf neuer Impulse“

Weiter heißt es in dem Antrag, über den der Bundestag am Freitag (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) berät: Der Versöhnungsprozess zwischen Türken und Armeniern „bedarf dringend neuer Impulse“. Zudem wird die „unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches“ betont, das trotz eindeutiger Informationen nicht gegen die Verfolgung der Armenier eingeschritten sei.

In einem früheren Entwurf des Antrags von Union und SPD war der Begriff Völkermord zunächst nur in der Begründung verwendet worden, nun rückte er in den Haupttext. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte den Begriff Völkermord in einem Interview am Sonntag noch vermieden. Mehrere EU-Länder wie Frankreich, Belgien oder Österreich bezeichnen das Armenien-Massaker schon seit Jahren als Völkermord. Frankreichs Präsident Hollande fährt sogar zu den Gedenkfeierlichkeiten nach Jerewan.

Ein Völkermord oder Genozid ist seit dem Beschluss durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen von 1948 ein Straftatbestand im Völkerstrafrecht, der nicht verjährt. Gekennzeichnet ist er durch die spezielle Absicht, auf direkte oder indirekte Weise „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Zu beachten ist, dass nur die Absicht zur Vernichtung der Gruppe erforderlich ist, nicht aber auch die vollständige Ausführung der Absicht.