75 Bürgermeisterinnen aus ganz Bayern trafen sich auf Einladung des bayerischen Gemeindetags (vorne: Jürgen Busse), um sich für mehr Frauen in der Kommunalpolitik einzusetzen. Bild: Bayerischer Gemeindetag / fkn
Kommunalpolitik

Mehr Frauen in die bayerischen Rathäuser

Weniger als zehn Prozent der Bürgermeister im Freistaat sind Frauen. Die Kraillinger Bürgermeisterin Christine Borst will das zusammen mit dem Bayerischen Gemeindetag ändern und lud in den Landtag zu einer Impulskonferenz. "Wir brauchen dringend die Kompetenz und die Lebenserfahrung von Frauen", sagt Jürgen Busse vom Gemeindetag.

Auf der kommunalen Ebene erleben die Bürger Demokratie vor der eigenen Haustür. Hier werden in den Stadt- und Gemeinderäten politische Entscheidungen gefällt, die die Bevölkerung unmittelbar betreffen und oft auch emotional berühren. Die Herausforderungen des demografischen Wandels, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Gestaltung einer seniorengerechten Kommune, die Zukunftsfragen des sozialen Zusammenhalts vor Ort, das Miteinander von Jung und Alt, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund oder die Inklusion von Menschen mit Behinderungen – die derzeitigen Topthemen in der Kommunalpolitik – sind Fragen, die darüber entscheiden, wie unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aussieht und miteinander umgeht.

„Es sind dies auch alles wichtige Zukunftsfragen, bei denen wir die Kompetenz und auch die Lebenserfahrung von Frauen dringend benötigen“, so Jürgen Busse, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bayerischen Gemeindetags. „Wir wollen, dass künftig mehr Frauen am Rednerpult in der Kommunalpolitik stehen und verantwortlich die Geschicke ihres Heimatortes mitgestalten.“

Wenige Frauen in Führungspositionen

Unterstützt wird diese Forderung des Gemeindetags durch eine 2014 durchgeführte Studie der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) in Berlin, die deren Vorsitzende, Helga Lukoschat, den 75 bayerischen Bürgermeisterinnen im Landtag vorstellte. Zunächst die Zahlen: Während in den Parlamenten in Bund und Ländern gut ein Drittel der Abgeordneten Frauen sind, sind es auf kommunaler Ebene nur ein Viertel und in Führungspositionen – also als Bürgermeisterinnen oder Landrätinnen – nur noch zehn Prozent. In Bayern sind sogar nur 5,6 Prozent aller Landräte weiblich und den 2056 Gemeinden stehen 178 Bürgermeisterinnen vor.

Das, so betont Helga Lukoschat, liegt aber nicht unbedingt immer an den Herren. Viel zu oft sind es die Frauen, die den Weg an die Spitze scheuen. „Weil sie allen Rollen gerecht werden wollen“, so Lukoschat. „Sie wollen eine vorbildliche Mutter und Ehefrau sein, aber auch eine engagierte Bürgermeisterin. Sie wollen gut aussehen und verständnisvoll im Umgang mit anderen sein.“ Und – ein weiterer Stolperstein: „Sie müssen zuerst durch das Nadelöhr des innerparteilichen Nominierungsprozesses.“

Das kann auch Gemeindetagsmitglied Busse bestätigen. „Wenn Sie einen Mann fragen, ob er Bürgermeister werden will, entscheidet er das in einer Woche. Bei einer Frau ist das in aller Regel ganz anders, weil sie sich dreimal überlegt, welche Risiken solch ein Job – auch für die Familie – hat. Da dauert solch eine Entscheidung schon einmal zwei Monate.“

Netzwerk für den Erfahrungsaustausch könnte helfen

Einige der geladenen Bürgermeisterinnen fügten hinzu: Frauen müssen sich auch gegen die männliche Konkurrenz durchsetzen und oft besser sein als Männer. Dafür fehlt ihnen in vielen Fällen aber ein entsprechendes Netzwerk für den Erfahrungsaustausch mit Mitstreiterinnen, wie es etwa die Männer in ihren Stammtischen oder Schützenvereinen hätten. Außerdem bräuchten sie regelmäßige Coachings, bei denen sie geschult werden; in Verhandlungsführung zum Beispiel.

Damit diese Anregungen und Initiativen in Bewegung kommen, soll es künftig einmal im Jahr einen Austausch zwischen den Bürgermeisterinnen geben; nicht immer in München, sondern auch in den verschiedenen Regionen. Jürgen Busse: „Der Tag heute war eine erste Kontaktaufnahme. Nun ist es leichter, aufeinander zuzugehen und auch einmal um Rat zu fragen. Wir werden ein Netzwerk aufbauen, es geht was ­voran.“