Gemeinsamer Grenzschutz in der EU. Foto: imago/Pixsell
Sicherheit

EU will Grenzschutz massiv verstärken

Die Europäische Union will ihre Außengrenzen besser schützen und einen gemeinsamen Europäischen Grenz- und Küstenschutz einführen. Dieser soll aus der bisherigen Grenzschutzagentur Frontex hervorgehen. Dazu soll nicht nur die Zahl der Mitarbeiter mehr als verdoppelt werden, sondern auch eine Erweiterung der Bedürfnisse veranlasst werden.

Die Grenzschutzagentur Frontex ist nicht gerade das, was man sich unter einer der übermächtigen Einrichtungen der Europäischen Union vorstellt. Mit gerade mal 300 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 100 Millionen Euro ist Frontex eine eher schlanke Institution. Doch geht es nach dem Willen der EU-Kommission, soll sich das schon bald ändern. Denn Frontex soll angesichts der anhaltenden Flüchtlingsströme weiter ausgebaut werden.

Neuer Name, neue Aufgaben

Bisher leisten die Frontex-Mitarbeiter von der Zentrale in Warschau aus vor allem Amtshilfe. Beispielsweise erstellen sie aktuelle Lagebilder, koordinieren die Einsätze der nationalen Polizei oder beraten in technischen Dingen wie der Sicherung von Grenzanlagen. In manchen Fällen begleiten sie auch sogenannte Rückführungsaktionen illegal eingereister Flüchtlinge.

Menschen, die unseres Schutzes bedürfen, müssen wir natürlich in der EU aufnehmen. Aber Menschen, die irregulär einwandern, haben keinerlei Recht, sich hier anzusiedeln. Und wenn sie illegal hierher kommen, dann werden sie in ihre Heimat zurückgebracht.

Fabrice Leggeri, Direktor von Frontex

Patrouillieren und illegale Einwanderer an der Einreise in das Hoheitsgebiet der EU zu hindern, ist nicht Aufgabe der Frontex. Der Schutz und die Überwachung der 14.000 Kilometer langen Grenze ist nach wie vor die Aufgabe der Mitgliedsländer – bisher.

Denn schon bald sollen Beamte der EU-Agentur Frontex die Außengrenzen Europas kontrollieren, „selbst wenn ein Staat unfähig oder unwillig ist, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“. Das schlug die EU-Kommission am Dienstag zum „Europäischen Grenz- und Küstenschutz“ vor. Frontex soll damit zu einer echten Küsten- und Grenzschutzbehörde ausgebaut und umbenannt werden.

Dazu soll die Mitarbeiterzahl von bisher 300 auf 1.000 mehr als verdoppelt werden. Das Budget soll im kommenden Jahr 238 Millionen Euro betragen und 2020 auf insgesamt 322 Millionen Euro steigen.

Die wohl bemerkenswerteste Veränderung: Die Behörde soll eine Art eigenes Mini-Heer mit 1.500 Polizisten aus den 28 EU-Staaten bekommen. Somit könnten Grenzschützer auch gegen den Willen von Staaten agieren. Im Fokus steht etwa Griechenland, dem vorgeworfen wird, seine Grenzen nicht zu kontrollieren und Flüchtlinge unregistriert in andere EU-Staaten weiterreisen zu lassen. Ein Beobachtungszentrum soll in regelmäßigen Abständen Einschätzungen dazu abgeben, ob ein Land der EU seine Grenzen ausreichend sichern kann oder nicht. Haben die Beobachter Zweifel, sollen zunächst Empfehlungen an das betroffene Land gehen. Bleiben diese erfolglos, kann die EU-Kommission in kurzer Zeit ein Eingreifteam beauftragen, die Sicherung der Grenzen zu übernehmen.

Eingriff oder Unterstützung?

Die Agentur soll auch selbst Ausrüstung erwerben können, bei der Abschiebung von Asylbewerbern helfen und gemeinsame Einsätze in benachbarten Nicht-EU-Ländern machen. Damit Drittländer abgeschobene Migranten auch wirklich zurücknehmen, soll es ein Standard-Reisedokument für die Rückführung geben.

Zu den Befürwortern der neuen Grenzschutzbehörde gehören neben Deutschland auch Frankreich und Italien. Außenminister Frank-Walter Steinmeier betonte, Frontex müsse „eigenständig dort tätig werden können, wo Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen“.

Auch der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU) begrüßte den Vorstoß:

Nicht jeder, der nach Europa will, kann auch hierherkommen.

Manfred Weber

Da Grenzkontrollen in die nationale Kompetenz fallen, greift der Vorschlag massiv in die Souveränität der Staaten ein und ruft Kritik hervor, etwa von Polen und Ungarn. Er kann nur dann Gesetz werden, wenn die EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen. EU-Diplomaten erwarten, dass die Idee dort noch verwässert wird. Polen lehnt die Abgabe von Hoheitsrechten ab und spricht von einer „undemokratischen Struktur“. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sagte dem EU-Portal bruxinfo.hu, die Pläne stünden „im Gegensatz zu dem Prinzip, welches den Grenzschutz in die Kompetenz der nationalen Souveränität fallen lässt“.

Steinmeier betonte, er erwartete die Unterstützung der Länder, die sich bisher vehement gegen eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb  der EU gestellt haben. Und meint damit neben Polen und Ungarn auch die Slowakei und Tschechien.

Bei ihrem nächsten Treffen am Donnerstag und Freitag in Brüssel wollen sich die Staats- und Regierungschefs der EU das erste Mal mit dem Vorschlag der Kommission auseinandersetzen.