Mekka ist die berühmteste Stadt Saudi-Arabiens. Dort findet man das zentrale Heiligtum des Islams, die Kaaba. (Bild: Fotolia/ayazad)
Saudi-Arabien

„Wie der Islamische Staat”

50 Stockhiebe nach dem Freitagsgebet und das ist erst der Anfang. Ein liberaler Blogger wurde in Saudi-Arabien wegen "Beleidigung des Islam" zu 1000 Stockhieben, 10 Jahren Haft und 230.000 Euro Strafe verurteilt. Die ungeheure Brutalität der Scheich-Diktatur erzeugt Proteste in der westlichen Welt – ändern wird sich nichts.

Das saudische Regime verurteilt den Terror in Paris und ist Verbündeter des Westens im Kampf gegen den Islamischen Staat. Zuhause geht es mit brutalen Scharia-Strafen gegen liberale Geister vor.

„Sowie ein Denker seine Gedanken vorträgt, findet man sofort hunderte von Fatwas, die ihn des Unglaubens beschuldigen, nur weil er es gewagt hat, auch heilige Themen zu erörtern. Ich mache mir große Sorgen, dass arabische Denker auswandern, auf der Suche nach frischer Luft und um dem Schwert der Religionsautoritäten zu entkommen.“

Für solche und andere Eintragungen in seinem 2008 gegründeten Internet-Blog „Forum der Saudischen Freien Liberalen“ ist der 31-jährige saudi-arabische Blogger Raif Badawi für „Beleidigung des Islam“ zu zehn Jahren Haft, umgerechnet 230000 Euro Strafe – und zu 1000 Peitschenhieben verurteilt worden. Er hat noch Glück gehabt. Der Staatsanwalt hatte ihn der Apostasie – Abfall vom Glauben – beschuldigt. Darauf steht in Saudi-Arabien der Tod.

50 Schläge unmittelbar nach dem Freitagsgebet

Die erste Rate von 50 Stockschlägen hat er schon erhalten – unmittelbar nach dem Freitagsgebet, auf dem Platz vor der Al-Jafali-Moschee in der Hafenstadt Jeddah, vor hunderten von Zuschauern, die anschließend in Allahhu-Akbar-Rufe ausbrachen, klatschten und pfiffen, berichtet die Londoner Tageszeitung The Guardian. 19 Prügel-Raten müssen nun noch folgen, jeden Freitag nach dem Freitagsgebet vor der Moschee in Jeddah.

Die zweite Rate à 50 Stockschläge war zunächst ausgesetzt worden. Nicht weil das Gericht oder die Regierung in Riad sich von – eher sanften – Protesten aus Washington, London, Berlin, oder von Menschenrechtlern und vom jordanischen UN-Kommissar für Menschenrechte hätte beeindrucken lassen. Sondern auf Anweisung des Arztes und weil Badawi sich von den ersten 50 Hieben noch nicht gut genug erholt hatte. Bei Erscheinen dieser Ausgabe wird er die zweite Prügelrate wahrscheinlich erhalten haben. 18 Prügel-Freitage stehen ihm dann noch bevor – und zehn Jahre Haft.

Riad will demonstrieren, dass Saudi-Arabien den wahren Islam vertritt

Eben erst hat natürlich auch Riad den dschiadistischen Terror in Paris wortreich verurteilt – allerdings ohne dabei ein Wort über Presse- oder Meinungsfreiheit zu verlieren. Im Kampf gegen die Terrorarmee des Islamischen Staats (IS) geriert sich Saudi-Arabien als wichtiger Verbündeter des Westen. Mit der bestialischen, aber eben typisch saudi-arabischen Strafe für einen liberalen Saudi, der völlig friedlich ein Recht auf freie Rede einfordert, – die erste Prügelrate in Jeddah erfolgte drei Tage nach dem Bludbad in der Redaktion von Charlie Hebdo – stellt sich Riad auf die Seite der Dschihadisten. „Die saudische Regierung benimmt sich wie der IS“, klagt denn auch Badawis Frau, die mit ihren drei kleinen Kindern nach Kanada ausgereist ist und um das Leben ihres Mannes fürchtet.

So sehen es auch andere Beobachter. Der 90-jährige König Abdullah hat Lungenentzündung. Riad steht vor einem heiklen Machtwechsel in unruhiger Zeit. Mit dem brutalen Urteil gegen Badawi will Riad potentielle liberalen Nachahmer abschrecken und Saudi-Arabiens wahabitisch-salafistische Geistlichkeit beruhigen. Zugleich will Riad vorführen, dass nicht der IS, sondern Saudi-Arabien den wahren Scharia-Islam vertritt. „Sie wollen zeigen, dass sie fromm sind und den Glauben schützen“, so The Guardian. Das lässt sich auch an der Zahl der Hinrichtungen ablesen: Im neuen Jahr hat Riad schon zehn Todesurteile vollstrecken lassen, im ganzen Jahr 2014 waren es 87. Zuletzt wurde Mitte Januar eine Frau aus Burma hingerichtet, in der heiligen Stadt Mekka, wo Ungläubige gar nicht hindürfen – es sei denn zu ihrer öffentlichen Enthauptung. Die Burmesin hat sich bis zum Schluss gesträubt, berichtet die Londoner Zeitung The Daily Telegraph. Der Scharfrichter brauchte drei Schwertschläge.