NATO Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte in Brüssel, wie wichtig es ist, dass der Konflikt zwischen der Türkei und Russland nicht eskaliere. Auch mit Blick auf den Kampf gegen den IS. Foto: imago/Xinhua
Flugzeugabschuss

Stoltenberg mahnt zur Besonnenheit

Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei hat NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zur Besonnenheit und zur Deeskalation aufgerufen. Der Vorfall kommt nicht nur für die NATO zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn eigentlich will sich Europa auf ein Vorgehen gegen den IS einigen - unter Umständen mit der Hilfe Russlands.

„Die Lage ist ernst“, daraus wollte Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO, gar keinen Hehl machen. Das türkische Militär hatte am Montag einen russischen Kampfjet abgeschossen, nachdem dieser angeblich den Luftraum der Türkei verletzt hatte. Aus Bündnis-Kreisen deutete sich jedoch an, dass sich der Kampfjet möglicherweise nur für wenige Sekunden über der Türkei aufgehalten hat. Zum Zeitpunkt des Beschusses befand er sich bereits wieder über Syrien. In einer Pressekonferenz erklärte Stoltenberg, es gebe übereinstimmende Berichte, dass sich der Kampfjet tatsächlich im türkischen Luftraum befunden habe. „Die Bewertungen, die wir von unseren Verbündeten bekommen haben, decken sich mit den von der Türkei vorgelegten Informationen“, so der NATO-Generalsekretär.

Zudem stellt sich die Frage, warum die Türkei sofort mit Beschuss auf die Luftraumverletzung reagierte. Auch aus Ländern wie Schweden oder den baltischen Staaten sind unzählige Verletzungen des Luftraums durch russische Maschinen bekannt – jedoch keine Abschüsse.

Konflikt zu einem schlechten Zeitpunkt

Diese Lage verlangt Ruhe und Diplomatie. Deshalb würde ich weitere Kontakte zwischen Ankara und Moskau begrüßen.

Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär

Der Abschuss kommt nicht nur für die NATO zu einem mehr als ungünstigen Zeitpunkt. Denn nach den Anschlägen von Paris sind die europäischen Länder auf der Suche nach einer gemeinsamen Strategie gegen den Islamischen Staat (IS) – mit russischer Unterstützung. Stoltenberg betonte die Dringlichkeit, solche Konflikte in Zukunft zu vermeiden. „Es ist wichtig, dass uns alle, einschließlich Russland, das übergreifende Ziel leitet, den IS zu besiegen.“

Ich möchte, dass Russland beim Kampf gegen den IS eine konstruktive Rolle spielt.

Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär

Russlands Präsident Putin hat bereits Konsequenzen angedroht. Wie diese aussehen sollen, ist aktuell noch nicht klar. Sollte Russlands Antwort auf den Abschuss eine militärische sein – wovon niemand ausgeht – müsste die NATO ihrem Partner Türkei beistehen. Auch militärisch. Doch noch hat der Konflikt der beiden Länder die NATO-Ebene nicht erreicht. „Russland wird viel Krach machen, wird sich empören, aber es hat kein Interesse daran, die Sache zu eskalieren“, sagte Jan Techau, Sicherheitsexperte der Brüsseler Denkfabrik „Carnegie Europe“ im ARD-Hörfunk-Interview.

An einem Tisch mit Putin

Auch für den Friedensprozess mit Syrien könnte der Abschuss des russischen Kampfjets negative Folgen haben. Denn wenn es um die Zukunft des Assad-Regimes geht, sitzt auch Russland mit am Tisch. Die Gespräche gelten als wesentliche Voraussetzung, um den IS überhaupt besiegen zu können.

Assad zu unterstützen, verlängert jedenfalls nur den Krieg.

Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär

Nach den Angriffen vom 13. November dringt die französische Staatsregierung auf die Bildung einer Allianz gegen den IS gemeinsam mit Russland. Es stellt sich die Frage, wie erfolgreich sie dabei sein wird, besonders vor dem Hintergrund des Konfliktes zwischen Russland und der Türkei. Sicher ist jedoch: Je mehr Konflikte innerhalb Europas und im Verhältnis zu Russland auftreten, desto größeren Nutzen zieht der IS daraus. Denn wenn die Länder mit sich selbst beschäftigt sind, können sie ihren Kampf gegen die Terror-Miliz nicht fortsetzen.