Kontinent im Aufbruch: Südamerika. (Bild: Fotolia/pbardocz)
Kolumbien

Frieden nach 51 Jahren Krieg?

Einer der längsten Kriege der Welt scheint sein Ende gefunden zu haben: Kolumbiens Regierung und die Farc-Rebellen haben den entscheidenden Durchbruch in ihren Friedensverhandlungen erzielt. Beide Seiten hätten sich über den juristischen Umgang mit Verbrechen während ihres jahrzehntelangen Konflikts geeinigt, teilten die Vermittler bei den Friedensgesprächen in Havanna mit.

Der seit über einem halben Jahrhundert andauernde Krieg zwischen Militär und linker Guerilla in Kolumbien soll nun bis März 2016 mit einem Friedensvertrag beigelegt werden. Bei Verhandlungen in Kubas Hauptstadt Havanna einigten sich Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und die Führung der Farc-Rebellen im Beisein von Kubas Staatschef Raúl Castro auf den juristischen Rahmen zur Aufarbeitung des Konflikts.

Wir werden nicht scheitern. Die Stunde des Friedens ist gekommen.

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos

Vor der Unterzeichnung des Friedensvertrags muss der Text allerdings noch von den Kolumbianern in einem Referendum gebilligt werden. Dann soll die Farc innerhalb von zwei Monaten ihre Waffen niederlegen. Santos sprach von einem historischen Durchbruch: „Wir werden nicht scheitern. Die Stunde des Friedens ist gekommen.“ Santos kam in Havanna erstmals mit Farc-Anführer Rodrigo Londoño alias „Timochenko“ zu einem direkten Gespräch zusammen. Nach der gemeinsamen Pressekonferenz gaben sich die beiden Erzfeinde, symbolisch bekleidet mit weißen Hemden, die Hand. „Wir sind Gegner, wir stehen auf verschiedenen Seiten, aber heute gehen wir in dieselbe Richtung, in Richtung Frieden“, sagte Santos.

Keine harten Strafen selbst bei schwersten Verbrechen

Für politische Straftaten soll nun eine weitreichende Amnestie gewährt werden. Für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hingegen gebe es keinen Straferlass. Wer seine Beteiligung an schweren Verbrechen einräume, muss aber nur mit einer Freiheitsstrafe von bis zu acht Jahren rechnen, möglicherweise zu verbüßen als Hausarrest. „Die Sonderjustiz ermöglicht es uns, nach vorne zu schauen und die Vergangenheit hinter uns zu lassen“, sagte Farc-Chef „Timochenko“. „Das System erlaubt es allen Konfliktparteien, die Wahrheit offen zu legen.“ Mit der Festlegung einer moderaten Maximalstrafe kamen die Unterhändler der Regierung der Farc entgegen. Eine ähnliche Regelung war Mitte der 2000er Jahre mit den rechtsgerichteten Paramilitärs getroffen worden. Die Sonderjustiz soll auch für Soldaten und Polizisten gelten, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben.

Mehr als 50 Jahre Krieg

In dem Bürgerkrieg zwischen staatlichen Sicherheitskräften, linken Guerillagruppen und rechten Paramilitärs waren in dem südamerikanischen Land mehr als 220.000 Menschen getötet und Millionen Kolumbianer vertrieben worden. Zudem kam es wiederholt zu Entführungen von Ausländern, darunter auch die kolumbianische Ex-Präsidentschaftsbewerberin mit französischem Pass, Ingrid Betancourt. Im Juli 2008 wurde sie vom kolumbianischen Militär zusammen mit 14 anderen Geiseln spektakulär befreit. Die Farc hat sich durch solche Entführungen, aber auch durch Drogengeschäfte finanziert. Die 1964 aufgestellten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – Volksarmee (Farc-EP) sind die größte und älteste Guerillaorganisation Lateinamerikas. Mit anderen Rebellengruppen kontrollierten sie einst große Teile von Kolumbien. Seit 2002 drängte das Militär die Farc jedoch immer weiter zurück. Nach Einschätzung von Experten verfolgen die Farc kaum noch politische Ziele.

Lob und Kritik

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach von einem „bedeutenden Fortschritt“. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, Anerkennung gebühre auch den Ländern, die die Verhandlungen seit 2012 unterstützt haben: „Insbesondere Norwegen und Kuba, aber auch Venezuela und Chile haben und werden weiterhin eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielen.“ Kolumbiens konservativer Ex-Präsident Álvaro Uribe kritisierte dagegen, dass Kriegsverbrecher der Farc sich damit ihrer Strafe weitgehend entziehen könnten. Außerdem werde Terroristen erlaubt, sich künftig am politischen Leben Kolumbiens zu beteiligen.

(dpa/avd)