Monika Hohlmeier ist CSU-Europaabgeordnete. (Foto: M. Hohlmeier)
Europa

Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit

Gastbeitrag Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin: Bei der Terrorismusbekämpfung müssen die Staaten Europas noch enger zusammenarbeiten. Doch Linke, Grüne und Liberale verhindern notwendige Verbesserungen, schreibt die Europaabgeordnete Monika Hohlmeier.

Straßburg im Advent ist märchenhaft. Der Charme des Christkindelsmärik – dem seit 1570 ausgerichteten ältesten Weihnachtsmarkt Frankreichs – zieht in der Vorweihnachtszeit Tausende Besucher aus aller Welt in das Elsass. Auch für uns Europa-Abgeordnete ist ein Besuch des Weihnachtsmarkts in der Straßburger Sitzungswoche im Dezember fast ein Muss trotz des mitunter hektischen Parlamentsalltags einer Plenarwoche. Beim Glühwein mit Freunden und Kollegen stehen Richtlinien und Verhandlungen mit Rat und Kommission einmal nicht im Vordergrund, ein bisschen Besinnlichkeit für wenigstens ein oder zwei Stunden vor Weihnachten gönnen wir uns, wenn es möglich ist, gerne.

Nationale Egoismen haben bislang eine verstärkte Kooperation behindert.

Monika Hohlmeier

Am frühen Abend des 11. Dezember des vergangenen Jahres wurde die Vorweihnachtsstimmung jäh gestoppt. Durch einen islamistisch motivierten Terroranschlag auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt starben fünf Menschen, elf weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Der Täter, ein mehrfach vorbestrafter französischer Staatsbürger mit marokkanischen Wurzeln, wurde zwei Tage später bei einem Schusswechsel mit der Polizei in Straßburg getötet.

Das schreckliche Attentat hat uns wieder einmal deutlich vor Augen geführt, dass die terroristische Gefahr nach wie vor allgegenwärtig ist. Es entbehrt dabei nicht einer gewissen tragischen Ironie, dass sich der Straßburger Anschlag ausgerechnet am Vorabend der Plenarabstimmung im Europäischen Parlament über den Abschlussbericht des Sonderausschusses Terrorismus, den ich als eine von zwei Co-Berichterstatterinnen federführend erarbeiten durfte, ereignete. Der Ausschuss hatte sich am 14. September 2017 mit dem Ziel konstituiert, die praktischen und legislativen Lücken bei der Terrorismusbekämpfung in der EU zu identifizieren, zu analysieren und konkrete Vorschläge zu machen, um diese effektiv zu schließen.

Besserer Informations- und Datenaustausch

Im Rahmen von Expertenanhörungen, Delegationsreisen in europäische Hauptstädte und vielen multi- und bilateralen Gesprächen hat sich zunehmend der Eindruck verfestigt, dass die größten Defizite nach wie vor beim Informationsaustausch bestehen. Dies betrifft sowohl den Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und auf nationaler Ebene zwischen den relevanten Sicherheitsbehörden als auch die Einspeisung von wichtigen Informationen in europäische Datenbanken wie etwa dem Schengener Informationssystem SIS. Wichtige Daten und Informationen müssen schnell für alle Mitgliedsstaaten zur Verfügung stehen. Terroristen nutzen jedes Schlupfloch mit kaltem Kalkül. Auch wenn es mittlerweile Fortschritte gibt, vier Kernpunkte stehen ganz oben auf der Agenda:

  • die Verbesserung der Qualität von Daten
  • die schnellere und bessere Verarbeitung und Analyse insbesondere großer Datenmengen und Informationen
  • die Entwicklung eines teil- bis vollautomatisierten Informationsaustauschs unter Zuhilfenahme intelligenter technischer Lösungen
  • Abbau nationaler Hindernisse, die den Datenaustausch behindern

Europol als Drehkreuz

Nationale Egoismen haben bislang eine verstärkte Kooperation behindert. Europol ist keine Konkurrenz für nationale Sicherheitsbehörden. Der europäischen Polizeibehörde kommt eine besondere Rolle zu: Sie muss zu einem echten Drehkreuz des europäischen Informationsaustauschs werden. Nur durch das Zusammenführen der verschiedenen Informationen, die in der gesamten EU und auch im außereuropäischen Ausland gesammelt wurden, können die Ermittler Muster erkennen, Netzwerke offenlegen und sich ein umfassendes Lagebild machen.

Ein wichtiger Schritt war die Schaffung des Europäischen Anti-Terrorismus-Zentrums ECTC, das bei Europol angesiedelt ist, im Jahr 2016. Es ermöglicht den Austausch sensibler nachrichtendienstlicher Informationen durch den gesicherten Kommunikationskanal SIENA und das Europol Informationssystem EIS und wird von den Sicherheitsbehörden der Mitgliedsstaaten mehr und mehr angenommen: Fünfzig Prozent der im EIS gespeicherten Informationen stehen mittlerweile im Zusammenhang mit Terrorismus – 2015 waren es noch zwei Prozent.

Trotzdem: Die Mitgliedsstaaten müssen sich hier noch mehr anstrengen, denn immer wieder treten Lücken im Austausch von Informationen und Daten auf, die terroristischen Netzwerken ihre Arbeit erleichtern. Bis heute behindern sozialdemokratische, grüne, linke und liberale Regierungsbeteiligte mit Argumenten, die angeblich dem Datenschutz dienen sollen, in Wirklichkeit aber den Verbrechern ihr Handwerk erleichtern, eine engere Zusammenarbeit.

Rot-Rot-Grün und Liberale haben mit ihrem völlig überzogenen Datenschutzverständnis die Arbeit der Sicherheitsbehörden behindert.

Monika Hohlmeier

Essenziell ist in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der Interoperabilität, das heißt der besseren Vernetzung der relevanten zentralen EU-Informationssysteme und Datenbanken. Die gesetzgeberischen Grundlagen, die derzeit zwischen Parlament und Rat final verhandelt werden, sollen einen Informationsabgleich und die gemeinsame Nutzung von Daten der verschiedenen Systeme ermöglichen und sicherstellen, dass Polizei- und Grenzschutzbeamte Zugang zu den relevanten Informationen haben, wann immer sie diese für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen. Derzeit sind die Informationssysteme der EU nicht miteinander verknüpft, sondern speichern die Informationen getrennt voneinander, sodass sie fragmentiert, komplex und schwierig zu nutzen sind.

Rot-Rot-Grün und Liberale haben mit ihrem völlig überzogenen Datenschutzverständnis die Arbeit der Sicherheitsbehörden behindert. Schwachstellen wurden nachgewiesenermaßen in der Vergangenheit von Terroristen genutzt: So wurden einige der Paris-Attentäter bei ihrer Einreise in die EU zwar in der Eurodac-Datenbank für Migranten registriert, diese wurde jedoch nicht mit der im SIS abgespeicherten Liste über ausländische Kämpfer und Gefährder abgeglichen, sodass die Terroristen unentdeckt blieben. Zwei Maßnahmen sind unumgänglich:

Erstens: Technische Voraussetzungen für den Abgleich der verschiedenen europäischen Datenbanken herstellen; später sollten wichtige nationale Datenbanken angeschlossen werden können.

Zweitens: Abschaffung gesetzlicher Hindernisse für die Sicherheitsbehörden, um notwendige Daten und Informationen abgleichen zu können. Zudem müssen wir einen sinnvollen, transparenten und nachvollziehbaren Zugriff auf Daten erlauben, damit unsere Polizei und auch die Dienste ihren anspruchsvollen Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung nachkommen können.

Dass die derzeit verhandelten Richtlinien und Verordnungen immer noch von erheblichen Teilen von Rot-Rot-Grün sowie Liberalen behindert werden, ist beschämend. Im Angesicht der Größenordnung der Bedrohung sollten die Sicherheitsbehörden Rückhalt und Unterstützung ihrer Volksvertreter spüren und nicht ideologische Vorbehalte beziehungsweise Vorurteile.

Prävention gegen Radikalisierung

Religiöser Fanatismus, extremistische Botschaften, welche die Normen unseres Grundgesetzes aushöhlen, ausnutzen und pervertieren, führen zu einer Radikalisierung, die einen idealen Nährboden für terroristische Netzwerke bietet. Die Botschaft ist klar und unmissverständlich: In der Europäischen Union gibt es keinen Platz für extremistische Praktiken von Islamisten und anderen religiösen oder politischen Eiferern, die Grundrechte mit Füßen treten. Für Hassprediger, die zu Gewalt und Radikalismus innerhalb und außerhalb von Moscheen anstacheln, fordern wir eine EU-weite schwarze Liste.

Wenn solche Hetzer und Hassprediger strafrechtlich auffallen oder gar ausgewiesen werden, dann in einen anderen Mitgliedsstaat reisen, um dort ihre Umtriebe fortzusetzen, dann müssen dort die zuständigen Behörden sofort wissen, wes Geistes Kind diese Leute sind, um entsprechend handeln zu können. No-Go-Areas, ethnisch getrennte Gettos mit „eigenen Regeln“, Schariagerichte, Hasspredigten, extremistische Vereine und noch vieles mehr müssen verhindert und mit allen Möglichkeiten des Rechtsstaats beendet werden. Wegsehen oder eine viel zu weit gefasste Interpretation von Meinungs- und Religionsfreiheit nutzen Fanatiker und Verbrecher, um unseren Rechtsstaat auszuhöhlen.

Keine rechtsfreien Räume

In unserem digitalen Zeitalter nutzen terroristische Organisationen auch Internet- und Social-Media, um an junge Menschen heranzukommen und diese zu radikalisieren. Sie missbrauchen das Internet für jede Art der Organisation, Finanzierung oder sonstige Verbrechen, die ihrem Ziel dienen. Es ist zwingend erforderlich, dass die Unternehmen deutlich besser mit Ermittlungsbehörden kooperieren, um terroristische Propaganda und Inhalte im Internet zu bekämpfen. Wir wollen die Unternehmen verpflichten, terroristische Inhalte innerhalb einer Stunde nach Benachrichtigung vollständig zu entfernen.

Heutzutage ist es zudem immer häufiger möglich, dass Unternehmen selbst bei Vorliegen richterlicher Beschlüsse verschlüsselte Inhalte nicht für Behörden öffnen. Wenn Verbrecher weiter die Möglichkeit haben, Verschlüsselung in Messengerdiensten und Co für ihre Zwecke zu missbrauchen und die Ermittlungsbehörden keinerlei Zugriff auf für die Ermittlungen wesentliche Inhalte bekommen, dann wird hierdurch nicht nur der Rechtsstaat, sondern die Bevölkerung unmittelbar bedroht, da verbrecherische Organisationen nicht aufgedeckt werden können. In Zukunft sollten bei Nichtkooperation empfindliche Sanktionen für die Unternehmen festgelegt werden.

Leider dienen Gefängnisse immer wieder als „Brutstätten“ von Radikalisierungsprozessen.

Monika Hohlmeier

Radikalisierungsprävention und soziale Integration anfälliger junger Menschen funktionieren nach einhelliger Expertenmeinung am effektivsten auf lokaler Ebene. Kommunen und nichtstaatliche Akteure müssen bei ihren Anstrengungen, Polarisierung und Radikalisierung in der Gesellschaft zu bekämpfen, finanziell gestärkt und sozial anerkannt werden. Radikalisierungsprävention muss auch früh ansetzen – erinnert sei etwa an das fünfzehnjährige Mädchen, das im Jahr 2016 einen Bundespolizisten in Hannover ermorden wollte. Lehrer und Jugendbetreuer müssen noch besser geschult werden, wie sie junge Menschen, die für Radikalisierung anfällig sind, oder bereits radikalisierte Schüler erkennen können. Aber nicht nur das Erkennen ist wichtig, sie brauchen effektive Hilfe und Unterstützung, wie sie mit radikalisierten Jugendlichen umgehen sollen.

Leider dienen Gefängnisse immer wieder als „Brutstätten“ von Radikalisierungsprozessen – auch der Straßburg-Attentäter hat sich mutmaßlich während eines Haftaufenthalts radikalisiert. Innerhalb unserer Mitgliedsstaaten sind viele gute Ansätze entwickelt worden, terroristische Netzwerke daran zu hindern, schwache, leicht beeinflussbare und damit leichter radikalisierbare Gefängnisinsassen für ihre Zwecke zu missbrauchen. Ein „Erasmus“ für den Austausch bewährter Praktiken für Justizvollzugsbeamte und Polizeibeamte würde sowohl im präventiven als auch im ermittelnden Sektor ebenso sinnvoll sein wie ein fest strukturierter europaweiter Austausch über Weiterbildung und Tagungen.

Unterstützung von Terroropfern

Wenn wir über Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus sprechen, wird einer wichtigen Gruppe leider häufig nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die sie eigentlich verdient hätte: den Opfern und ihren Angehörigen. In Bayern haben wir weitgehend bewährte Verfahren, aber in Deutschland ist die Betreuung und Hilfe für Opfer – ebenso wie in anderen Ländern der EU – verbesserungsbedürftig. Terrorattacken sind Angriffe auf unsere Wertegesellschaft und somit auf uns alle.

Die Opfer wurden Opfer, weil Terroristen unsere Gesellschaft und ihre Werte bekämpfen wollen. Wir schulden den Opfern und ihren Familien einen sensiblen und sachgerechten Umgang. Wir schulden ihnen schnelle und unkomplizierte Hilfe, klar definierte Rechte und angemessene Entschädigungen für das erlittene Leid, medizinische und psychische Unterstützung, solange sie es benötigen. Wir brauchen auch eine Unterstützung für die Opferverbände und eine europäische Koordinierung, denn oft sind Opfer nicht Staatsangehörige des Landes, in dem sie von der Attacke getroffen wurden. Wir schulden Opfern Menschlichkeit und Anerkennung – nicht mehr und nicht weniger!

Wer denkt, dass diese wichtigen Forderungen zumindest von allen demokratischen Parteien geteilt werden, der irrt leider: Der Großteil der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament hat entweder gegen den Bericht gestimmt oder sich enthalten. Die FDP hat geschlossen dagegen, die Grünen haben mit wenigen Ausnahmen gegen den Bericht gestimmt. Sogar der AfD-Abgeordnete Meuthen, der sich selbst gern zum Retter des Abendlandes stilisiert, hat sich enthalten. Unverantwortlich! Die Unionsparteien sind die einzige politische Kraft, die sich konsequent und verlässlich für Innere Sicherheit einsetzt. Hundertprozentige Sicherheit kann es in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht geben. Aber Sicherheit und Freiheit sind untrennbar miteinander verbunden, denn ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit. Dafür steht die CSU – in Bayern, in Berlin und in Europa.