Entwicklungsminister Gerd Müller schaut sich nach der Eröffnung des Migrationsberatungszentrums in Erbil mit einem aus Deutschland zurückgekehrten Flüchtling Jobangebote an. (Foto: dpa/K.Nietfeld)
Migration

Perspektive Heimat

Entwicklungsminister Gerd Müller reist in den Irak und eröffnet ein Migrationsberatungszentrum, das rückkehrwilligen Flüchtlingen bei der Heimkehr helfen soll. Seinen Etat würde der Minister gerne um eine Milliarde Euro aufstocken.

Mit Jobs und Ausbildungsplätzen vor Ort will die Bundesregierung Tausende irakische Flüchtlinge in ihre alte Heimat zurücklocken. Bei einem Besuch in Bagdad vereinbarte Entwicklungsminister Gerd Müller mit der irakischen Regierung eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Rückkehr von Flüchtlingen und eröffnete im kurdischen Erbil ein Migrationsberatungszentrum. Niemand solle als „Loser“ in seine Heimat zurückkehren müssen, betonte der CSU-Politiker. Deshalb schaffe man mit den irakischen Behörden und der Wirtschaft Ausbildungs- und Beschäftigungsangebote vor Ort. Bis zu 10.000 Iraker sollen mit dem Projekt unterstützt werden, wieder in ihrer Heimat Fuß zu fassen. Dabei setze man auf Freiwilligkeit.

Die Menschen müssen eine Zukunft für sich sehen.

Gerd Müller, Entwicklungsminister

In der kurdischen Provinzhauptstadt Erbil eröffnete der CSU-Politiker das erste deutsche Rückkehrerzentrum im Nahen Osten. Solche Zentren gibt es im Rahmen des Projekts „Perspektive Heimat“ bereits in Albanien, im Kosovo, in Serbien, Tunesien, Marokko, Ghana und im Senegal. In Afghanistan und Nigeria sind solche Einrichtungen geplant. Von den 240.000 Irakern in Deutschland sind nach Angaben des Entwicklungsministeriums knapp 12.000 ausreisepflichtig. „Wenn im Irak Hunderttausende Binnenvertriebene in ihre Dörfer und Heimatstädte zurückkehren können, dann ist auch die Rückkehr aus Deutschland möglich“, sagte Müller der Zeitung Die Welt.

Taxi in Bagdad, Backen in Erbil

Der Iraker Abu Bakar ist ein Rückkehrer. Sein Vater wurde von Milizen vor seinen Augen getötet, sein Bruder angeschossen, er selbst entführt, wie er berichtet. Im Oktober 2015 entfloh der 22-Jährige der Gewalt und Perspektivlosigkeit nach Deutschland. Die Menschen hätten ihn willkommen geheißen, erzählt er. Doch 2016 machte er sich auf den Weg zurück in die Heimat, um seine Familie zu unterstützen, wie er sagt. Seine Mutter sei krank. Nun fährt er in Bagdad Taxi, die Arbeit hat er durch die Entwicklungszusammenarbeit. „Das ist der beste Job, den man hier kriegen kann.“

Auch Mustafa Mohammed aus Erbil hat sich ein besseres Leben in Deutschland erhofft. Acht Monate blieb er, aber gefunden hat er dieses Leben nicht. Er habe weder arbeiten noch eine Ausbildung absolvieren dürfen in der Bundesrepublik, sagt der 19-Jährige heute. „Ich war noch jung, ein Kind.“ Seit Februar ist er wieder bei seiner Familie in Kurdistan. Mit Unterstützung einer Hilfsorganisation arbeitet er nun in einer Bäckerei. Nach Deutschland will er erstmal nicht mehr. „Vielleicht in ein paar Jahren mal, um Urlaub zu machen.“

Marshallplan für die Dritte Welt

Minister Müller möchte das Rückkehrerprogramm „Perspektive Heimat“ aufstocken, vor allem Afrika sei auf Dauer eine „große und langfristige Herausforderung“. Der „Marshallplan mit Afrika“ sei das Konzept der Bundesregierung, um die Wirtschaft auf dem Kontinent zu fördern. Insgesamt drängt er für den Entwicklungsetat 2018 auf Verstärkungsmittel von rund einer Milliarde Euro. Einer Kürzung der Entwicklungshilfe für Länder, die keine Flüchtlinge zurücknehmen wollen, die in Deutschland straffällig wurden, sieht Müller freilich skeptisch. Klar sei, „Kriminelle müssen zurückgeführt werden“. Aber eine Streichung von Geldern treffe „ja gerade die Ausbildungs- und Jobprogramme, die eine Rückkehr fördern“.

Nach dem dreijährigen Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) sind große Teile der Infrastruktur des Iraks zerstört. Das Land liegt in Trümmern. Für den Wiederaufbau werden nach Angaben der Weltbank mehr als 70 Milliarden Euro benötigt. Deutschland ist zweitgrößter Geldgeber für den Irak und hat dem Land für dieses Jahr 350 Millionen Euro Hilfe zugesagt. Das Geld soll überwiegend an Projekte zur Nothilfe und zum Wiederaufbau der Infrastruktur fließen. Nach Angaben des Entwicklungsministeriums handelt es sich um direkte Hilfen, die nicht an die irakische Regierung gehen.

Die Flüchtlingskrise hat die Entwicklungspolitik in eine ganz neue Dimension gerückt.

Gerd Müller

Eigentlich ist der Irak mit seinen riesigen Ölvorräten ein reiches Land. „Dennoch braucht das Land unsere Unterstützung“, sagte Müller. Denn der niedrige Ölpreis und die weit verbreitete Korruption im Irak stehen einem schnellen Wiederaufbau im Weg. Durch den Niedergang des IS brechen zudem innerstaatliche Konflikte und alte Wunden wieder auf.

Mangelnder Zusammenhalt

Vor einer Konferenz der Europäischen Union und der Vereinten Nationen über die Zukunft Syriens in dieser Woche klingt Müller freilich desillusioniert, was die Solidarität der internationalen Staatengemeinschaft betrifft. „Solche Konferenzen laufen immer nach einem Schema ab: 100 Länder machen Hilfszusagen, und am Ende geben sechs Länder – darunter Deutschland – rund 90 Prozent der Gelder“, erklärte er in der Welt.

(BK)