Ausnahmezustand: Ein Polizist in Denizli nimmt im Juli einen Mann mit "Hero"-T-Shirt fest. Das Wort "Held" gilt den Behörden als Unterstützung für den verfemten Prediger Gülen. (Foto: Imago/Depo Photo)
Türkei

Kalte Schulter der USA

Die Regierung Erdogan will einen inhaftierten US-Geistlichen gegen den islamischen Prediger Gülen austauschen. Das US-Außenministerium reagiert nur indirekt - und verschärft seine Reisewarnung für Amerikaner in der Türkei.

Die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Erdogan hat der US-Administration ein pikantes Tauschgeschäft angeboten: Dem in der Türkei inhaftierten US-Pastor Andrew Brunson würde er die Ausreise über den Atlantik gewähren – wenn die Amerikaner im Gegenzug den islamischen Prediger Fethullah Gülen ausliefern. Den in die USA emigrierten Glaubensmann sieht Erdogan als Drahtzieher hinter dem Militärputsch vom Juli vergangenen Jahres.

Kühl abgetropft

Die Washingtoner Exekutive reagierte auf den Vorschlag recht kühl – nämlich gar nicht. Oder bestenfalls: indirekt. Aber auf jeden Fall nicht so, wie Erdogans Leute in Ankara erwartet hätten. Denn das US-Außenministerium verschärfte schlicht seine Reisehinweise für Reisende aus den Vereinigten Staaten in die Türkei.

Bleiben sie weg von politischen Versammlungen und Demonstrationen.

US-Reisewarnung für die Türkei

Unter Hinweis auf die anhaltende Terror-Lage im Land schreibt die Behörde in ihrer „Turkey Travel Warning“: „Wir raten US-Bürgern, momentan die Notwendigkeit einer Reise in die Türkei sorgfältig zu erwägen, und Reisen in die Südost-Türkei zu vermeiden.“ Doch nicht nur der Terror von IS und PKK gibt Anlass zur Warnung: Erdogans Staat halte den nach dem Putsch verhängten Ausnahmezustand aufrecht, der es ihr erlaube „jede Person zu jedem Zeitpunkt festzunehmen“. Mehrere US-Bürger seien festgesetzt worden ohne gesicherten Zugang zu Anwälten oder Familie. Auch der konsularische Zugang sei nicht mehr oder nur verspätet zugelassen. Andere US-Bürger seien zwar nicht physisch festgesetzt, dafür aber „deportiert oder rechtlich belangt“ worden. Die Warnung schließt mit dem Hinweis an Touristen: „Bleiben sie weg von politischen Versammlungen und Demonstrationen.“

Ein Angebot, das Deutschland ablehnte

Der amerikanische Prediger Brunson, der eine evangelikale Kirche in der Millionenstadt Izmir betreibt, war im Oktober 2016 zusammen mit seiner Frau verhaftet worden. Vorwurf der Behörden: Er habe die „nationale Sicherheit“ der Türkei gefährdet und sei Mitglied in der Bewegung des Predigers Gülen. Wie ein Evangelikaler zur als islamistisch geltenden Gülen-Gruppe passen soll, ist unklar – oder eben einer der absurden Vorwürfe, mit denen Erdogan seit 2016 tausende Menschen inhaftierte.

Das Recht zum Austausch von in der Türkei inhaftierten Ausländern mit im Ausland lebenden „gesuchten“ Türken hatte sich Erdogan kürzlich sogar gesetzlich einräumen lassen. Nicht erst seitdem häufen sich die Berichte, die Erdogan als Geiselnehmer sehen.

Mit einem ähnlichen Versuch des „Gefangenenaustauschs“ mit Deutschland war die Administration Erdogans ebenfalls gescheitert. Inoffiziell hatten türkische Stellen der Bundesregierung vorgeschlagen, den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel gegen Gülen-Unterstützer zu tauschen, die in der Bundesrepublik leben. Der seinerzeitige Außenminister Sigmar Gabriel wies das Ansinnen empört zurück.

(BK)