Antrittsbesuch in Berlin
Am Tag nach seiner Amtseinführung kommt Frankreichs neuer Staatspräsident Emmanuel Macron nach Berlin − mit Vorschlägen für Investitionen im Euroraum. Finanzminister Schäuble tritt auf die Bremse. Keine Eurobonds will Bayerns Finanzminister Söder.
Frankreich

Antrittsbesuch in Berlin

Am Tag nach seiner Amtseinführung kommt Frankreichs neuer Staatspräsident Emmanuel Macron nach Berlin − mit Vorschlägen für Investitionen im Euroraum. Finanzminister Schäuble tritt auf die Bremse. Keine Eurobonds will Bayerns Finanzminister Söder.

Die Reise ist Symbol: Frankreichs neuer Präsident kommt zuallererst und schnell nach Deutschland: Am Sonntag Übernahme der Amtsgeschäfte und Fahrt über die Prachtstraße Champs-Élysées, am Montag Ernennung des Premierministers, dann Abflug zum Antrittsbesuch nach Berlin.

Die Bundesregierung und mit ihr viele Parteien und Bürger in Deutschland sind gespannt auf Emmanuel Macron. Am Abend wird der jüngste französische Präsident der Geschichte neben Kanzlerin Angela Merkel stehen und mit ihr die deutsch-französische Freundschaft beschwören. Es lebe Frankreich, Deutschland, Europa.

Dissens in Berlin

Vor der Ankunft Macrons in Berlin zeigt sich innerhalb der Berliner Koalitionsregierung ein Dissens über den Umgang mit dessen bislang noch vagen europolitischen Vorstellungen und Wünschen. Während des Wahlkampfs hat Frankreichs neuer Staatschef davon gesprochen, die Eurozone solle eine Wirtschaftsregierung mit Finanzminister erhalten. Dazu ein massiver Etat für Investitionen, verabschiedet und kontrolliert von einem eigenen Eurozonen-Parlament. Problem: Woher die Finanzmittel kommen sollen, hat Macron noch nicht gesagt. „Wir brauchen ein effizienteres, demokratischeres, politischeres Europa”, so der frischgebackene Staatschef zum Amtsantritt.

Wenn wir Europa stärker machen wollen, muss jedes Land zunächst einmal dafür sorgen, dass es selbst stärker wird.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble

Bundeskanzlerin Merkel wolle mit Macron auch über dessen Überlegungen zur Reform der Eurozone sprechen, heißt es in Berlin. SPD-Außenminister Sigmar Gabriel geht sehr viel weiter und spricht schon von einem gemeinsamen Investitionsfonds. Wie Macron fordert Gabriel außerdem ebenfalls einen gemeinsamen Haushalt für die Eurozone, einen Eurozonen-Finanzminister und gemeinsame soziale Standards im Eurozonenraum. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat auch schon von einem eigenen Haushalt der Eurostaaten gesprochen und davon, dass er eine „gemeinsame Budgetfinanzierung” für „sinnvoll” halte.

Markus Söder: Keine Eurobonds

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble äußert dagegen Vorbehalte gegen Macrons Vorschlag zur Schaffung eines Eurozonen-Finanzministers mit gemeinsamem Budget. Er weist auch darauf hin, dass für die Umsetzung eines solchen Vorschlags eine Änderung der europäischen Verträge notwendig wäre − samt jahrelangem Ratifizierungsprozess. Schäuble im Interview mit dem Wochenmagazin Der Spiegel: „Es gibt nicht viele in Europa, die das derzeit für realistisch halten.” Mit Blick auf Frankreichs schwierige Wirtschaftslage − 10,1 Prozent Arbeitslosigkeit, schwaches Wachstum, über 3 Prozent Haushaltsdefizit und 96 Prozent Staatsverschuldung − rät der Finanzminister: „Wenn wir Europa stärker machen wollen, muss jedes Land zunächst einmal dafür sorgen, dass es selbst stärker wird.”

Wir brauchen nicht mehr Brüsseler Bürokratie, Gemeinschaftshaftung oder Transferleistungen.

Markus Söder, Bayerns Finanzminister

Unterstützung erhält Schäuble aus Bayern. Finanzminister Markus Söder lehnt die Forderungen des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur EU-Finanzpolitik klar ab. Die europäische Idee heiße nicht, mit Eurobonds Schulden zu teilen statt selbst zurückzuzahlen, so Söder. „Wir brauchen nicht mehr Brüsseler Bürokratie, Gemeinschaftshaftung oder Transferleistungen”, sagte der CSU-Politiker der Welt am Sonntag. Auch einen EU-Finanzminister mit Kontrolle über Bundes- und Länderhaushalte in Deutschland „wollen wir nicht”, sagte Söder. Statt den deutschen Export-Überschuss zu beklagen, solle Frankreich sein Arbeits-, Renten- und Steuerrecht reformieren und wettbewerbsfähiger werden. Der CSU ist der Chef der Europäischen Zentralbank, der Italiener Mario Draghi, Warnung genug für die Übertragung von Finanzkompetenzen: Denn Draghi lässt jede berechtigte Kritik an seiner Nullzinspolitik ungerührt an sich abprallen.

Es ist eine gewaltige Aufgabe, zu versuchen, die EU aus der schwierigen Lage zu holen, in der sie sich befindet.

Sylvie Goulard, europapolitische Beraterin im Elyséepalast

Auch den neuen Verantwortlichen im Élyséepalast ist klar, dass vor der Bundestagswahl in vier Monaten keine Verständigung über weitreichende EU-Reformpläne zu erreichen sein kann. Macrons europapolitische Beraterin Sylvie Goulard meinte in einem Interview, in Berlin sollten wichtige Themen angesprochen und ein Fahrplan für die weitere Arbeit in Angriff genommen werden. „Es ist eine gewaltige Aufgabe, zu versuchen, die EU aus der schwierigen Lage zu holen, in der sie sich befindet”, bilanziert die 52-Jährige, die für den Premierministerposten oder ein hohes Ministeramt im Gespräch ist.

Dritte Berlinreise in diesem Jahr

Es ist schon die dritte Berlin-Reise Macrons in diesem Jahr. Im Januar, da war der Kandidat der Bewegung „En Marche!” noch Außenseiter, hielt er eine Rede in der Humboldt-Universität. Zwei Monate später wurde der Anwärter dann von Merkel empfangen − und sprach danach zu Medienvertretern vor dem Kanzleramt. Wieder zwei Monate später kommt er jetzt als Chef einer Atommacht − und kann mit der Kanzlerin auf Augenhöhe sprechen.

Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass wir gut zusammenarbeiten werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Macron ist übrigens nach Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und François Hollande der vierte französische Präsident in Merkels Amtszeit seit 2005. In einem ist sie sich schon vor dem Besuch ganz sicher: „Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass wir gut zusammenarbeiten werden.”