Ein Grenzübergang von Slowenien nach Österreich. (Bild: Imago/Chromorange)
Österreich

Wien bleibt bei der Obergrenze

Vor einem Jahr führte Österreich eine Obergrenze für Flüchtlinge ein. Jetzt zieht Rot-Schwarz in Wien Bilanz - und macht deutlich: Die klare Begrenzung der Zuwanderung nach Österreich bleibt zentraler Bestandteil der österreichischen Asylpolitik. Künftig soll es auch Kontrollen an den Grenzen zur Slowakei geben.

Vor einem Jahr, Anfang 2016, machte Österreich seine Grenzen dicht – und sorgte so für eine deutliche Verringerung der Flüchtlingszahlen über die Balkanroute. Zusätzlich führte die Alpenrepublik eine Obergrenze von 35.000 Flüchtlingen ein, die das Land pro Jahr aufnehmen will.

Debatte über Halbierung der Obergrenze

Jetzt zog Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in einer Grundsatzrede Bilanz – und machte deutlich, dass die Begrenzung der Zuwanderung ein zentrales Element seiner rot-schwarzen Regierung bleiben wird. „Es ist eine Frage der Verantwortung, dass wir zu diesem Prinzip stehen.“

Diese Grenze wird durch den Zusammenhalt der Gesellschaft definiert.

Christian Kern, Österreichs Bundeskanzler

Innerhalb der Bundesregierung ist auf Initiative der konservativen ÖVP außerdem eine Diskussion entbrannt, ob die Obergrenze von zur Zeit 35.000 Menschen jährlich noch einmal halbiert werden sollte. Die Aufnahmefähigkeit einer Gesellschaft habe Grenzen, sagte Kern. „Diese Grenze wird durch den Zusammenhalt der Gesellschaft definiert.“

Österreich geht den eingeschlagenen Weg weiter

Österreich macht 2017 also da weiter, wo es vor einem Jahr, am 20. Januar 2016, mit dem Beschluss zur Obergrenze angefangen hat – und es setzt nun auf eine letztlich europaweite Verschärfung der Asyl-Politik. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) preschte Anfang Januar vor und forderte Schutzzonen für Migranten außerhalb der EU – ähnlich wie zuvor schon die CSU. „In sichere Schutzzonen sollen auch jene Menschen gebracht werden, die illegal in die EU eingereist sind“, heißt es in einem Entwurf des Papiers, das in Brüssel zunächst auf Ablehnung stieß. Denn Migranten könnten Asylanträge so nur noch außerhalb Europas stellen. Die EU-Kommission behauptet, dies sei nicht mit europäischem Recht vereinbar – einige Juristen sehen das anders. Zudem könnte man das Recht auch entsprechend ändern.

Die Anti-Migrations-Formel Österreichs bei seinem zunächst von linken Politikern und Medien angefeindeten, später stillschweigend dankbar akzeptierten Solo-Kurs lautete im Januar 2016 so: Flüchtlinge sollten maximal in einem Ausmaß von 1,5 Prozent der Bevölkerung zum Asylverfahren zugelassen werden. 127.500 Asylverfahren – mit abnehmender Tendenz aufgeteilt auf vier Jahre. Auf die Bundesrepublik übertragen würde dies 1,2 Millionen Asylverfahren in vier Jahren bedeuten. Im Schnitt wären das 300.000 Verfahren – und damit mehr als die von der CSU geforderte Obergrenze von 200.000 pro Jahr.

Der Außenminister ist die treibende Kraft

Treibende Kraft – damals wie heute – ist die konservative ÖVP und dabei vor allem Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz. Offen sind allerdings noch einige rechtliche und praktische Fragen. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) schlug die Nutzung von Kasernen als Übergangsquartiere vor, für alle, die erst nach Erreichen der Obergrenze um Schutz bitten. Zusätzlich müsste die Obergrenze in der österreichischen Verfassung verankert werden, um den Asylbehörden eine Verweigerung der Entgegennahme von Asylanträgen zu ermöglichen.

Zuwanderungszahl blieb 2016 unter der Obergrenze

Die Probe aufs Exempel blieb dem Land und den Flüchtlingen 2016 erspart. Die Zahl der Asylverfahren lag mit 36.030 knapp unter den erlaubten 37.500. Doch sollte sich die ÖVP mit ihrer Forderung nach nur noch 17.500 Asylverfahren für 2017 durchsetzen, müssten die Grenzen für Migranten bald geschlossen sein. Denn in den nächsten Monaten müssen bis zu 14.000 im Vorjahr zurückgestellte Fälle bearbeitet werden. Im Frühjahr wäre die Obergrenze erreicht. Grundsätzliche Zustimmung zur Praxis erhält Wien auch von Amnesty International. Der österreichische Ableger der Organisation teilte mit, aus seiner Sicht sei ein Limit der Zuwanderung an sich kein Tabu. „Ich bin nicht gegen eine Planungsgröße. Das kann gutes politisches Management sein“, sagte AI-Generalsekretär Heinz Patzelt. Die aktuell genannte Größenordnung von 17.500 Menschen pro Jahr hält er allerdings für zu niedrig. Sie liege unter den Asyl-Zahlen aus den vergangenen zehn Jahren. Grundsätzlich aber gelte: „Wir müssen extrem gut aufpassen, dass nur Bewerber mit gut belegtem Recht auf Asyl anerkannt werden. Arbeitsmigration geht nicht.“

Wir müssen extrem gut aufpassen, dass nur Bewerber mit gut belegtem Recht auf Asyl anerkannt werden. Arbeitsmigration geht nicht.

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich

Die Diskussion wird aber auch in Österreich nicht nur vom Andrang, sondern von den riesigen Problemen bei der Abschiebung bestimmt. „Wir bringen eine Kultur in Gang, die in kleinerer oder größerer Kriminalität enden muss“, sagt dazu Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Und er räumt gleichzeitig eine Kluft zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit ein. „Viele fühlen sich nicht mehr sicher. Dieses subjektive Gefühl wird durch die Medien verstärkt, auch wenn es objektiv so nicht stimmt.“

Grenzkontrollen auch zur Slowakei

Was den Schutz der österreichischen Grenzen betrifft, hat die Regierung in Wien weitere Maßnahmen angekündigt. Jetzt im Fokus: Die Grenze zur Slowakei. Dort sollen ebenfalls verstärkte Kontrollen stattfinden. Das sei der nächste Schritt zur Verringerung der Flüchtlingszahlen, sagte Verteidigungsminister Doskozil in einem Zeitungsinterview.

Schlepper hätten zuletzt vermehrt Routen über die Slowakei gewählt. Immer mehr Migranten und Asylbewerber reisen nach Aussagen des Ministers auch mit dem Zug nach Österreich ein. Doskozil will deshalb die Kontrollen in Zügen deutlich verstärken – vorzugsweise ebenfalls an der Grenze. Dafür könnten bis zu 100 Soldaten zur Verfügung gestellt werden. Forcieren will der Verteidigungsminister zudem eine Rückkehrberatung. Es sei vorstellbar, dass abgelehnte Asylbewerber in eigenen Einrichtungen zusammengezogen und dort gezielt über Möglichkeiten zur Rückkehr ins Herkunftsland beraten werden. In den ersten beiden Wochen des neuen Jahres wurden nach Angaben von Doskozil bereits rund 1250 Flüchtlinge aufgegriffen. Knapp 790 hätten Asyl beantragt.

(dpa/BK)