Grüße aus der Schweiz: Die Eidgenossen stellen potenzielle Steuerstraftäter an den Internet-Pranger. Bild: eyegelb, Fotolia.
Schweiz

Deutsche Steuersünder am Internet-Pranger

Viele Jahre gehörte das Bankgeheimnis zur Schweiz wie die Berglandschaften und der Käse. Jetzt denken zumindest die eidgenössischen Ermittlungsbehörden anders – und stellen Namen von Deutschen ins Netz, zu denen ein Amtshilfeersuchen eingereicht wurde. Ob es sich dabei tatsächlich um Straftäter in Sachen Steuervergehen handelt, ist nicht bewiesen.

Die Schweizer Steuerverwaltung hat damit begonnen, die Namen möglicher deutscher und anderer ausländischer Steuerbetrüger im Internet zu veröffentlichen. Sie werde von Amtshilfegesuchen der Steuerfahnder in diesen Ländern überhäuft und wolle die Betroffenen auf diesem Wege darüber in Kenntnis setzen, berichtete die Schweizer „Sonntagszeitung“. Eigentlicher Sinn ist es demnach, den Betroffenen zu ermöglichen, Rechtsmittel gegen die Preisgabe ihrer Daten einzulegen. Unter den veröffentlichten Namen sind nach Angaben der Zeitung auch Prominente, beispielsweise der Inhaber eines schwäbischen Mittelständlers, aber auch diverse Personen, die offenbar bereits verstorben sind – zumindest finden sich bei einer Internetrecherche zur Namens-Geburtsdatums-Kombination passende Todesanzeigen.

Banken haben wenig Interesse, diskret zu suchen

Tatsächlich sind im Internet-Portal des Schweizer Bundesblatts, in dem Gesetze und Beschlüsse der Regierung wie des Parlaments veröffentlicht werden, frei zugänglich zahlreiche „Mitteilungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) – Amtshilfe“ zu finden – insgesamt eine niedrig dreistellige Zahl, die dem Datum nach teilweise bereits mehrere Jahre dort zu finden sein müssen. Warum die Schweizer Zeitung das Thema gerade jetzt aufgreift (und warum über diese Praxis zuvor noch nicht berichtet wurde), ist somit unklar. In den Dokumenten wird jeweils unter Nennung des Namens, teilweise des Geburtsdatums und der Staatsangehörigkeit eines Betroffenen mitgeteilt, dass die Steuerverwaltung Amtshilfe leisten wird – und dass dagegen innerhalb einer bestimmten Frist Rechtsmittel möglich sind. Genannt werden zudem zahlreiche Firmen mit Namen und Land des Hauptsitzes.

Zu finden sind neben Namen aus Deutschland solche etwa aus Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Polen, Tschechien und Russland, aber auch Indien und – in diesem Falle nur mit Initialen – den USA. Bei der Steuerverwaltung heißt es der Zeitung zufolge, es gebe inzwischen viel mehr Amtshilfeverfahren als noch vor einigen Jahren. „Es ist schon speziell, dass man den Namen einer von einem Amtshilfeersuchen betroffenen Person outet“, sagt Alexandre Dumas von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) dem Blatt, doch ließen viele Länder eine direkte Kontaktaufnahme nicht zu – ein Zustand, der in Zukunft geändert werden solle. Die Banken wiederum haben dem Bericht zufolge offenbar wenig Interesse, die betroffenen Kunden zu suchen ­– zumal viele kein Konto mehr in der Schweiz haben.

Zweierlei Maß bei Steuerauskünften

Das Perfide dabei: Es handelt sich mitnichten in allen Fällen von vorneherein um einen Fall von Steuerhinterziehung, sondern lediglich um ein Amtshilfeersuchen, sprich um eine Recherche oder Ermittlung. Die „Sonntagszeitung“ spricht von einem Tabubruch der Schweizer Behörden. „Denn jetzt ist nicht nur für den ausländischen Fiskus einsehbar, wer ein Problem mit den Steuerbehörden hat, sondern für alle. Seltsam ist, dass dieselbe ESTV von den ausländischen Ämtern verlangt, die von der Schweiz erhaltenen Unterlagen vor der Öffentlichkeit geheim zu halten.“

Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) hat die Nennung von Namen durch die Schweiz kritisiert. „Beim Kampf gegen Steuerhinterziehung geht es nicht darum, einzelne an den Pranger zu stellen, sondern darum, Gerechtigkeit im Sinne der großen Mehrheit der ehrlichen Steuerzahler herzustellen“, sagte Schmid in Stuttgart. Die Schweizer Praxis erscheine zumindest verwunderlich, zumal das Land bisher nicht gerade als Hort der Transparenz bekannt gewesen sei. Eine Nennung der Namen einzelner Steuerpflichtiger sei nicht mit dem Steuergeheimnis in Deutschland zu vereinbaren. Nordrhein-Westfalen hat unterdessen angekündigt, die von der Schweiz veröffentlichten Namen möglicher deutscher Steuerbetrüger überprüfen zu wollen. Wenn die Schweiz Namen von Bundesbürgern im Zusammenhang mit möglichen steuerlichen Unregelmäßigkeiten nenne, „müssen und werden unsere Behörden dem aber nachgehen“, ließ NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans auf dpa-Anfrage mitteilen. (tw/dpa)