Harte Aussprache mit Putin
Kaum greifbare Ergebnisse des Vierer-Gipfels in Berlin: Eine vage Roadmap und eine Polizeimission für die Ostukraine, eine elfstündige Waffenruhe für Aleppo. Eine längere Feuerpause gibt es nur, wenn auch die Islamisten sie einhalten. Alle Details müssen noch ausgearbeitet werden. Frankreichs Präsident Hollande wirft Putin Kriegsverbrechen in Syrien vor und droht mit weiteren EU-Sanktionen.
Gipfel in Berlin

Harte Aussprache mit Putin

Kaum greifbare Ergebnisse des Vierer-Gipfels in Berlin: Eine vage Roadmap und eine Polizeimission für die Ostukraine, eine elfstündige Waffenruhe für Aleppo. Eine längere Feuerpause gibt es nur, wenn auch die Islamisten sie einhalten. Alle Details müssen noch ausgearbeitet werden. Frankreichs Präsident Hollande wirft Putin Kriegsverbrechen in Syrien vor und droht mit weiteren EU-Sanktionen.

Humanitäre Hilfe für Aleppo und eine bewaffnete Polizeimission im Donbass: Nach dem Berliner Gipfel mit Russlands Präsident Wladimir Putin gilt es nun, unverbindliche Absichtserklärungen in die Tat umzusetzen. Während die Bundesregierung von unerwartet weitreichenden und konkreten Verabredungen zur Ukraine-Krise sprach, hieß es zum Syrien-Konflikt, man sei noch „sehr weit entfernt” von einer Einigung.

Roadmap für die Ukraine

Als wichtigsten Fortschritt der knapp sechsstündigen und „sehr harten Aussprache” mit Putin im Kanzleramt, bei der auch die Präsidenten der Ukraine und Frankreichs zugegen waren, bezeichnete Kanzlerin Angela Merkel einen neuen Fahrplan (Roadmap) für die Ostukraine. Merkel: „Die gute Nachricht ist, dass wir ein Ausgangsdokument haben, das aber noch viele Unstimmigkeiten hat.” Den Fahrplan sollen nun die Außenminister der vier Länder bis spätestens Ende November ausarbeiten, wie der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erklärte.

Ein Zustand der täglichen Waffenstillstandsverletzung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Der Friedensprozess im Bürgerkriegsgebiet stockt seit langem. Laut Poroschenko sollen nun mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) − deren Vorsitz Deutschland zurzeit innehat − die Details einer bewaffneten Polizeimission im Donbass geklärt werden. Zudem sei vereinbart worden, die demilitarisierten Zonen dort auszuweiten und mehr Distanz zwischen den Konfliktparteien zu schaffen. Mit Blick auf die momentane Situation im Donbass sprach Merkel von einem „Zustand der täglichen Waffenstillstandsverletzung”.

Zwar sagte Putin, die OSZE-Mission im Donbass könnte ausgedehnt werden. Details nannte er aber nicht. Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), nannte die angedachte Polizeimission im Deutschlandfunk „ein deutliches Entgegenkommen gegenüber der Ukraine” – als sei das von Russland angegriffene Land irgendwie verantwortlich für die Zustände. Allerdings hieß es dazu aus OSZE-Kreisen, es gebe „noch kein konkretes Konzept” für die Mission. So sind Art der Bewaffnung, Standort und Größe der Mission noch unklar. An eine Aufrüstung der bisher zivilen Beobachtermission, die mit rund 700 Experten das Geschehen protokolliert, ist nach bisherigen Informationen nicht gedacht. In jedem Fall wäre ein neues Mandat nötig, das die 57 OSZE-Staaten einstimmig beschließen müssten. Bisher hat es noch nie eine bewaffnete OSZE-Mission gegeben. Weiteres Problem: Die prorussischen Separatisten lehnten eine bewaffnete Polizeimission umgehend ab. „Dafür gibt es keine Notwendigkeit”, sagte Separatistensprecher Wladislaw Dejnego der Agentur Interfax.

Man kann sich der Sanktionsoption nicht berauben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel

In Teilen der ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk bekämpfen sich seit April 2014 Regierungseinheiten und von Moskau unterstützte und gesteuerte Separatisten. Als Auslöser gelten die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland und Moskaus Destabilisierungsstrategie für die Ukraine. Aufständische in Donezk und Luhansk erklärten gar ihre „Unabhängigkeit” von der Ukraine. Schätzungen zufolge sind in dem Konflikt bisher fast 10.000 Menschen getötet worden.

Waffenruhe für Aleppo

Auch zur Lösung des blutigen Syrien-Konflikts wurden in Berlin keine greifbaren Erfolge erzielt. Der französische Präsident François Hollande warf den Russen „Kriegsverbrechen” im syrischen Aleppo vor und forderte einen dauerhaften Waffenstillstand.

Zwar trat am Donnerstagmorgen um 8.00 Uhr Ortszeit (7.00 Uhr MESZ) eine von Russland und Syrien verkündete elfstündige Waffenruhe für Aleppo in Kraft. Dies hatte Moskau schon vor dem Treffen im Kanzleramt angekündigt, um humanitäre Hilfe für die Menschen in der umkämpften Stadt zu ermöglichen. Unklar blieb aber, ob Putin bereit ist, darüber hinauszugehen. Nach dem Berliner Gipfel nannte er als Voraussetzung, dass sich die bewaffneten Gruppen in Aleppo ebenfalls zu einer Feuerpause bereit erklärten. Er schlug zudem vor, die Arbeit an einer neuen syrischen Verfassung und möglichen Neuwahlen zu forcieren.

Weitere Sanktionen gegen Moskau möglich

Auch Merkel verurteilte die Bombardierung Aleppos, für die auch Russland Verantwortung trage, als unmenschlich und grausam. Die Europäische Union muss sich nach Meinung Merkels die Möglichkeit offenhalten, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. „Man kann sich der Option nicht berauben”, sagte Merkel. Hollande erklärte, beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag werde es eine Diskussion über Sanktionen geben. Einige EU-Länder wollen eine härtere Gangart gegen Moskau, entschieden wird diesmal aber wohl noch nichts.

Russland ist in Syrien inzwischen nicht mehr Vermittler, sondern Kriegspartei.

Elmar Brok, Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament

Der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), äußerte sich im Bayerischen Rundfunk pessimistisch: „Russland hat sich durch die Zusage, (den Waffenstillstand) zu verlängern, ein bisschen Zeit gekauft, aber wir müssen feststellen, dass Russland dort inzwischen nicht mehr Vermittler ist, sondern Kriegspartei.” Moskau müsse mit Sanktionen für die Rüstungs- und Finanzindustrie belegt werden, „das tut am meisten weh”.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), einst engster Mitarbeiter des Putin-Lobbyisten und Altkanzlers Gerhard Schröder, wies derartige Forderungen zurück. „Noch so lautstarke Pressestatements oder Sanktionsandrohungen helfen niemandem, keinem Kind, keiner Mutter, keinem Vater, keinem Kranken oder Verletzten, der in Aleppo Brot oder medizinische Versorgung braucht”, sagte er der Rheinischen Post.

Am Ukraine-Gipfel im Kanzleramt hat auch ein Berater von Kremlchef Wladimir Putin teilgenommen, der auf der EU-Sanktionsliste steht. Wladislaw Surkow wurde wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine 2014 eigentlich mit einem Einreiseverbot in die Europäische Union und die USA belegt. Der frühere Vizeregierungschef hatte damals ironisch mit den Worten reagiert: „Es ist eine große Ehre.” Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte auf dpa-Anfrage, nach den EU-Vorschriften für Ausnahmeregelungen sei für Surkow für das Treffen in Berlin eine solche Ausnahme gewährt worden.

(dpa/BK/H.M.)