Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). (Bild: Imago/S. Simon)
Zuwanderung

„Das Weiterwinken muss beendet werden“

Gastbeitrag Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Österreichs Außenminister Sebastian Kurz verteidigt die Maßnahmen seines Landes in der Flüchtlingskrise. Nicht jeder, der in Europa eine bessere wirtschaftliche Zukunft suche, könne auch aufgenommen werden.

Österreich ist traditionell ein solidarisches Land. Schon während der Ungarn-Krise 1956/57 kamen rund 180.000 Menschen nach Österreich. Nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die damalige Tschechoslowakei flüchteten 1968 162.000 Menschen und von 1992 bis 1995 kamen im Zuge des Krieges im ehemaligen Jugoslawien wieder 90.000 Flüchtlinge nach Österreich.

Auch in der aktuellen Flüchtlingskrise hat Österreich einen überproportional großen Beitrag geleistet. Alleine im letzten Jahr haben wir mit 90.000 Personen, bei einer Einwohnerzahl von rund 8,5 Millionen, die zweitmeisten Flüchtlinge pro Kopf nach Schweden aufgenommen. Seit Beginn des Jahres sind über 100.000 Menschen über die Balkanroute gekommen, das sind zehn Mal so viele wie im Vergleichszeitraum des Jahres 2015. Sie alle haben das Ziel Skandinavien, Deutschland und Österreich. Wir waren daher gezwungen, nationale Maßnahmen zu setzen, weil diese Dimension und dieses Ausmaß an Menschen uns schlicht und einfach überfordern würden. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass das Weiterwinken der Flüchtlinge der falsche Weg ist. Daher hat die österreichische Bundesregierung für dieses Jahr eine Obergrenze von 37.500 beschlossen. Damit leistet unser Land weiterhin einen solidarischen Beitrag, der weit über dem der meisten EU-Länder liegt. Ich hoffe, andere europäische Länder werden unserem Beispiel folgen und ähnlich viele Menschen aufnehmen.

„Wir brauchen endlich wieder einen funktionieren Schutz der EU-Außengrenzen“

Unsere Maßnahmen üben jedenfalls Druck für eine europäische Lösung aus und diese brauchen wir auch. Eine europäische Lösung sollte insbesondere dazu führen, dass der Zustrom erheblich reduziert wird. Dazu benötigen wir, ebenso wie Bayern, aber wieder einen funktionierenden Schutz der EU-Außengrenzen und deutlich mehr Hilfe vor Ort. Die EU-Türkei-Vereinbarung gilt es nun umzusetzen und mit Leben zu erfüllen. Die Türkei ist insbesondere dazu aufgerufen, die Küstenabschnitte strenger zu kontrollieren und hart gegen die kriminellen Schleppernetzwerke, die vom Leid der Menschen profitieren, vorzugehen.

Die Politik des Weiterwinkens muss beendet werden.

Niemand kann sich einfach aussuchen, in welchem Land er den Asylantrag stellt und in welchem Land er leben möchte. Das hat zuletzt auch der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, ganz klar hervorgehoben. Die Politik des Weiterwinkens muss beendet werden. Das haben auch alle EU-Staats- und Regierungschefs im Anschluss an ihr Treffen mit Ministerpräsident Davutoglu Anfang März erklärt – mit dem Zusatz, dass bei den irregulären Migrationsströmen entlang der Westbalkanroute nun das Ende erreicht ist. Präsident Tusk bedankte sich bei den Westbalkanländern für ihre Unterstützung bei der Umsetzung dieser EU-Politik.

„Oft geht es hier um die Suche nach einer besseren ölonomischen Zukunft“

Es gilt auch ehrlich auszusprechen, dass es hier primär nicht um die Suche nach Schutz geht, sondern um die Suche nach einer besseren ökonomischen Zukunft. Das ist menschlich absolut nachvollziehbar, aber das können wir in Europa einfach nicht bieten. Niemand kommt nach Lesbos oder Lampedusa, um dort in Sicherheit zu leben. Es besteht auch kein Fluchtgrund aus Griechenland. Und trotzdem wollen derzeit Tausende von einem sicheren EU-Land Griechenland in das Nicht-EU-Land Mazedonien fliehen. Wir müssen daher wieder zur Normalität und zur Einhaltung europäischen Rechts, insbesondere der Dublin-Regeln, zurückkehren. Mit sicheren Außengrenzen wollen wir auch ein Europa ohne Binnengrenzen retten. Für meine Generation ist das Reisen ohne Grenzen in Europa eine Selbstverständlichkeit, wir sind damit aufgewachsen und das möchte ich bewahren.

Im Sinne der europäischen Solidarität unterstützen wir natürlich Griechenland bei der Versorgung der Migranten mit humanitärer Hilfe. Daher stellt Österreich fünf Millionen Euro an humanitärer Hilfe entlang der Ägäis-Route, insbesondere in Griechenland und dem Libanon, bereit. Die EU wird Griechenland und andere betroffene Länder mit einem Hilfspaket von insgesamt 700 Millionen Euro bei der Versorgung der Flüchtlinge unterstützen. Wir müssen zudem mit den Geldern, die längst bereitstehen, funktionierende Hotspots, unter anderem in Griechenland, schaffen, in denen die Flüchtlinge untergebracht werden. Damit bieten wir jenen, die Schutz brauchen, Hilfe, aber wir ermöglichen ihnen nicht die Weiterreise. Denn es kann nicht sein, dass die, die es bis nach Griechenland schaffen, dann automatisch nach Mitteleuropa weiterreisen dürfen

„Die Politik des Weiterwinkens ist beendet“

Wir müssen zudem ehrlich sein und auch in den Herkunftsländern kommunizieren, dass die Politik des Weiterwinkens nun beendet wird und sich niemand mehr aussuchen kann, wo ein Asylantrag gestellt werden kann. Damit vermeiden wir, dass etliche weitere Menschen ihr Hab und Gut verkaufen, kriminelle Schlepper bezahlen, um nach Mitteleuropa zu kommen und letztendlich vollkommen überrascht sind, wenn sie in der Türkei oder Griechenland aufgehalten werden.

All jene, die in Österreich einen positiven Asylbescheid erhalten, gilt es erfolgreich zu integrieren.

Die Flüchtlingskrise ist keine Krise, die nur einige Länder der EU betrifft. Sie ist eine europäische Krise. Österreich hat und wird weiterhin einen solidarischen Beitrag leisten, der weit höher ist als in den meisten anderen Staaten. Aber auch wir haben keine unbegrenzten Kapazitäten zur Aufnahme und vor allem zur Integration. All jene, die in Österreich einen positiven Asylbescheid erhalten, gilt es erfolgreich zu integrieren. Dazu habe ich bereits im November mit dem Migrationsforscher Heinz Faßmann den „50-Punkte-Plan zur Integration von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten vorgestellt. Dieser wurde im Jänner diesen Jahres als Gesamtstrategie der österreichischen Bundesregierung festgelegt. Diejenigen, die bleiben werden, müssen wir rasch integrieren. Zentral sind dabei drei Bereiche: der Spracherwerb, die Wertevermittlung und der Berufseinstieg. Integration ist eine Querschnittsmaterie, die den Einsatz von Bund, Ländern und auch Gemeinden fordert, dann kann Integration gelingen und erfolgreich sein.

Dies setzt aber voraus, dass keine unkontrollierte Einreise nach Europa mehr möglich ist. Die Priorität muss daher eine europäische Lösung sein, mit einem ordentlichen Schutz der Außengrenzen und mehr Hilfe vor Ort, damit die Menschen in ihren Herkunftsländern wieder eine Perspektive haben.

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