Zwei Drittel der Deutschtürken für Erdogan
Der türkische Präsident Erdogan hat das Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems knapp gewonnen. Nach dem vorläufigen Ergebnis entfielen 51,3 Prozent der Stimmen auf "Ja“ und 48,7 Prozent auf "Nein“. Bemerkenswert: Über 63 Prozent der in Deutschland lebenden Türken stimmten beim Referendum mit "Ja".
Referendum

Zwei Drittel der Deutschtürken für Erdogan

Der türkische Präsident Erdogan hat das Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems knapp gewonnen. Nach dem vorläufigen Ergebnis entfielen 51,3 Prozent der Stimmen auf "Ja“ und 48,7 Prozent auf "Nein“. Bemerkenswert: Über 63 Prozent der in Deutschland lebenden Türken stimmten beim Referendum mit "Ja".

Dem knappen Ausgang der Abstimmung war ein spannendes Rennen vorausgegangen, bei dem der „Ja“-Anteil von anfangs mehr als 60 Prozent mit fortschreitender Auszählung der Stimmen beständig abnahm. Erst Stunden nach Schließung der Wahllokale trat Erdogan in Istanbul vor die Kameras und sprach von einer „historischen Entscheidung“, mit der das Volk der zugestimmt habe.

Erdogan sagte vor begeisterten Anhängern in Istanbul, seine „erste Aufgabe“ werde sein, die Wiedereinführung der Todesstrafe auf die Tagesordnung zu setzen. „Wir haben viel zu tun, wir haben noch viel zu erledigen in diesem Land.“ Die Menge skandierte: „Todesstrafe, Todesstrafe“. Wenn er dafür nicht die nötige Unterstützung im Parlament bekomme, „dann machen wir eben auch dazu eine Volksabstimmung“, bekräftigte der Präsident.

EU reagiert mit Zurückhaltung

Die EU hatte im Vorfeld des Referendums angekündigt, dass der Beitrittsprozess der Türkei beendet würde, sollte dort die Todesstrafe wieder eingeführt werden. Die Kommission reagierte zunächst zurückhaltend auf den Ausgang des Referendums. Man warte noch auf die Bewertung der internationalen Wahlbeobachter, „auch mit Blick auf angebliche Unregelmäßigkeiten“, teilten die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, der EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik, Johannes Hahn, und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit.

Türkei ist ein gespaltenes Land

Die türkische Opposition, die eine Ein-Mann-Herrschaft Erdogans befürchtet, kritisierte Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung und will den Ausgang der Abstimmung anfechten. „Dieses Referendum hat eine Wahrheit ans Licht gebracht: Mindestens 50 Prozent dieses Volkes hat dazu „Nein“ gesagt“, sagte Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der Mitte-Links-Partei CHP. Die Wahlkommission habe ihre eigenen Vorgaben nicht beachtet. „Das werden wir bis zuletzt verfolgen.“ Die prokurdische HDP kündigte an, man werde Beschwerde gegen das Ergebnis von zwei Dritteln der Wahlurnen einlegen.

Erdogan hat die Türken in der Türkei und in Europa gespalten. Der Despot vom Bosporus will eine veraltete, rückwärtsgewandte Staatsform. Wir müssen dieses knappe Volksvotum respektieren. Wir müssen aber auch die richtigen Konsequenzen daraus ziehen.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer

Große Mehrheit der Deutschtürken für Erdogan

Fast mit Zweidrittelmehrheit haben die in Deutschland lebenden Türken für das Präsidialsystem von Staatschef Erdogan gestimmt. 63,1 Prozent votierten beim Referendum mit „Ja“, meldete die staatliche Nachrichtenagentur „Anadolu“ nach Auszählung fast aller Stimmen aus dem Ausland. Die Wahlbeteiligung in Deutschland lag nach ihren Angaben bei knapp 50 Prozent der Deutschtürken.

Am Sonntagabend feierten zahlreiche in Bayern lebende Türken den Wahlausgang des Referendums mit Autokorsos in der Münchner Leopoldstraße und rund um den Nürnberger Plärrer. Besonders mit Deutschland und den Niederlanden hatte der Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder für schwere Verwerfungen mit Ankara geführt. Erdogan hatte beiden Ländern „Nazi-Methoden“ vorgeworfen.

Weber fordert Abbruch der Beitrittsverhandlungen

Aus Deutschland kamen deutliche Reaktionen, in denen eine Neubewertung des Verhältnisses zur Türkei und auch ein Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara gefordert wurde. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), forderte einen Abbruch der Verhandlungen über einen EU-Beitritt.

Diese Lebenslüge, die wir in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei haben, nämlich die Vollmitgliedschaft, die muss jetzt ernsthaft diskutiert werden und aus unserer Sicht vom Tisch genommen werden.

CSU-Vize Manfred Weber

Ähnlich äußerte sich der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff. CDU-Vizechefin Julia Klöckner sagte: „Die Tür zu einem EU-Beitritt ist nun endgültig zu.“ Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte in einer ersten Stellungnahme dagegen vor zu schnellen Rückschlüssen: „Wir sind gut beraten, jetzt kühlen Kopf zu bewahren und besonnen vorzugehen.“