Parlament darf über Brexit abstimmen
In Großbritannien muss das Parlament über die Austrittserklärung aus der EU abstimmen. Das hat das höchste britische Gericht in London entschieden und ist damit der Regierung in die Quere gekommen. Die elf Richter des Supreme Courts bestätigten in dem Berufungsverfahren ein früheres Urteil. Das Mitspracherecht des Parlaments könnte den Zeitplan der Verhandlungen mit der EU durcheinanderbringen.
London

Parlament darf über Brexit abstimmen

In Großbritannien muss das Parlament über die Austrittserklärung aus der EU abstimmen. Das hat das höchste britische Gericht in London entschieden und ist damit der Regierung in die Quere gekommen. Die elf Richter des Supreme Courts bestätigten in dem Berufungsverfahren ein früheres Urteil. Das Mitspracherecht des Parlaments könnte den Zeitplan der Verhandlungen mit der EU durcheinanderbringen.

An dem geplanten Ausstieg aus der EU ist wohl nicht mehr zu rütteln, die Regierung in London befürchtet aber zweierlei: Zum einen könnte das Mitspracherecht des Parlaments den ohnehin engen Zeitplan für die Verhandlungen mit der Europäischen Union durcheinanderbringen. Zum anderen wird befürchtet, dass die Abgeordneten den geplanten Brexit verwässern und eine stärkere EU-Nähe einfordern könnten. Die Parlamentarier gelten als überwiegend EU-freundlich.

May will den „harten“ Brexit

Premierministerin Theresa May hatte vor einer Woche in einer lange erwarteten Grundsatzrede angekündigt, dass sie Großbritannien nicht nur aus der EU, sondern auch aus dem europäischen Binnenmarkt führen will. Schon zuvor war klar: Die Regierung will die Austrittserklärung bis Ende März nach Brüssel senden. Sie wollte das Parlament dazu aber nicht befragen.

Das Parlament hatte sich zwar Anfang Dezember mit großer Mehrheit zu dem Brexit-Zeitplan bekannt, doch der Beschluss ist nicht bindend. Medien hatten berichtet, die Regierung plane, nun ein möglichst knapp formuliertes Gesetz ins Parlament einzubringen. Die Regierung verfügt über eine Mehrheit im Parlament. Die Weigerung Mays, Details aus der Strategie der Regierung zu veröffentlichen, stieß aber zum Teil auf Widerstand in den eigenen Reihen.

Ergebnis der Volksabstimmung hat keine Rechtskraft

Die Briten hatten sich am 23. Juni 2016 in einem historischen Referendum für einen Austritt Großbritanniens aus der EU entschieden. Das Ergebnis der Volksabstimmung hat aber keine Rechtskraft. Zahlreiche Brexit-Befürworter sind der Ansicht, dass Großbritannien zu viel Geld an die Europäische Union zahlen muss. Migranten aus der EU werden für Wohnungsnot, Engpässe im Gesundheitssystem und Wettbewerbsdruck auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich gemacht.

Der juristische Streit, der nun vom Supreme Court final entscheiden wurde, geht auf eine Gruppe um die Fondsmanagerin Gina Miller zurück. Sie wollte eine Abstimmung im Parlament erreichen. Die Richter des High Courts gaben ihr im vergangenen November recht. Danach war die Stimmung im Land teils aufgeheizt. Eine Zeitung nannte die Richter «Feinde des Volkes», Miller wurde bedroht. Die Regierung legte Berufung beim Supreme Court ein.

Hintergrund

In Artikel 50 des EU-Vertrags ist geregelt, wie der Austritt abläuft. Demnach muss die britische Regierung Brüssel zuerst formell über ihre Absicht in Kenntnis setzen, bevor die Verhandlungen über den Austritt beginnen können. Nach zwei Jahren müssen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Die Frist kann zwar verlängert werden – die Hürden dafür sind aber sehr hoch.

Die EU begibt sich mit dem britischen Austritt auf unbekanntes Terrain. Der Artikel 50 gibt zwar den Rahmen der Verhandlungen vor, regelt aber nicht alle Einzelheiten. Am 3. Februar wollen die Spitzen der 27 verbleibenden EU-Staaten auf Malta beraten, wie sie vorgehen und die Union ohne die Briten gestalten wollen. Doch formal können sie die Leitlinien für die Verhandlungen erst nach der offiziellen Information über die Austrittsabsicht durch London festlegen.

Brexit-Unterhändler der EU ist der als Bankenregulierer bekannt gewordene konservative französische Ex-EU-Kommissar und ehemalige Minister Michel Barnier. Nach jüngst von den EU-Staats- und Regierungschefs vereinbarten Eckpunkten für den Gesprächsprozess sollen zudem Vertreter der Staaten bei den Sitzungen mit dem Vereinigten Königreich anwesend sein.

Das Austrittsabkommen muss am Ende mit einer qualifizierten Mehrheit der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten beschlossen werden – von mindestens 55 Prozent der Staaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren müssen. Auch das EU-Parlament muss zustimmen. Wenn kein Abkommen zustande kommt und keine Fristverlängerung gewährt wird, würde Großbritannien zwei Jahre nach dem Einreichen des Austrittsgesuchs ungeregelt aus der EU ausscheiden.