Erinnerungen an früher: Kamelkarawane mit Touristen vor den Sanddünen der Wüste Gobi beim Aufstieg auf den Mount Mingshan bei Dunhuang an der Seidenstraße. (Bild: imago/imagebroker)
Seidenstraße

Alle Wege führen nach China

China strebt eine Führungsrolle in der Welt an. Mit seinen Milliarden sollen Häfen, Straßen und Bahnstrecken entlang der alten Seidenstraße gebaut werden, um neue Handelskorridore zwischen Asien, Afrika und Europa zu schaffen.

Es wird ein „Familienfoto“ geben, auf dem sich demokratische Politiker nicht so gerne zeigen: Neben Gastgeber Xi Jinping versammeln sich Russlands Alleinherrscher Wladimir Putin, der umstrittene philippinische Regierungschef Rodrigo Duterte, der türkische Diktator Recep Tayyip Erdogan sowie die Autokraten Alexander Lukaschenko aus Weißrussland und Nursultan Nasarbajew aus Kasachstan. Der Gipfel am Sonntag und Montag in Peking ist das größte diplomatische Ereignis des Jahres in China – auch wenn „nicht gerade eine feine Gesellschaft“ versammelt ist, wie Kritiker monieren.

„Neue Seidenstraße“ entlang antiker Handelsrouten

Dabei geht es bei dem Treffen nicht um die neuesten Unterdrückungsmethoden für Oppositionelle oder Journalisten, sondern um eine fantastische Idee mit historischen Dimensionen: Den Bau einer „Neuen Seidenstraße“, eines modernen Verbindungsnetzes entlang der mythischen antiken Handelsrouten, die Asien, Afrika und Europa über Land und See verbunden haben. Wo einst Seide, Gewürze, Tee, Porzellan, Gold und Silber gehandelt wurden, sollen künftig Hochgeschwindigkeitszüge und Frachtwaggons rollen, Öl und Gas durch neue Pipelines fließen, Straßen und Häfen entstehen und sich Unternehmen in neuen Wirtschaftszonen ansiedeln.

Es ist das ehrgeizigste geopolitische und wirtschaftliche Vorhaben des chinesischen Staats- und Parteichefs. Ein Jahr nach seinem Amtsantritt startete Xi Jinping 2013 die Idee mit 40 Milliarden US-Dollar für den Anfang. Es können leicht einige hundert Milliarden werden. Das Projekt läuft unter „Neue Seidenstraßen“ oder „One Belt, One Road“ (Ein Gürtel, ein Weg) für die Routen über Land und See, kurz OBOR oder „Belt and Road“-Initiative. Zu dem Gipfel am Wochenende reisen 28 Staats- und Regierungschefs an. 110 Länder sind vertreten. Angela Merkel war auch eingeladen, aber statt der Kanzlerin nimmt Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) teil.

„Make China great again“

Während sich die USA unter Präsident Donald Trump aus dem transpazifischen Handelsabkommen (TPP) zurückgezogen haben und dem freien Welthandel den Rücken kehren, stößt China in die Lücken vor, um den „chinesischen Traum“ einer „Wiederauferstehung“ zur Weltmacht zu verwirklichen. Wollte der marktwirtschaftliche Reformarchitekt Deng Xiaoping einst keine Rolle auf der Weltbühne, sondern vorerst Chinas „Stärke verstecken und auf den richtigen Augenblick warten“, ist für Xi Jinping jetzt der Zeitpunkt gekommen.

Wirtschaftsmotor auch für Chinas Westen

„Was hat China?“, sagt Tom Miller, Autor eines Buches über die Initiative. „Sein Militär ist nicht so groß wie das der USA. Auch hat China nicht so viele Freunde. Aber es hat jede Menge Geld und wirtschaftliches Gewicht.“ Peking versuche, seine Führungsrolle durch Investitionen und „Infrastruktur-Diplomatie“ auszubauen. „Durch bessere Konnektivität versucht Peking, eine Art Handelsnetz zu schaffen, in dem alle Wege zurück nach China führen.“

Peking versucht, eine Art Handelsnetz zu schaffen, in dem alle Wege zurück nach China führen.

Tom Miller, Buchautor

Die zweitgrößte Volkswirtschaft wächst nur noch langsam und sucht frische Triebkräfte. Da sollen weitere Märkte geschaffen werden: „Eine neue Ära der Globalisierung.“ Auch sollen die rückständigen Regionen im Westen des Riesenreiches besser wirtschaftlich mit den westlichen Nachbarn verknüpft werden. Eines der Vorzeigeprojekte – auch wenn es vorher geplant war – ist der China-Pakistan-Wirtschaftskorridor von Xinjiang im fernen Westen Chinas zur pakistanischen Hafenstadt Gwadar am Arabischen Meer unweit der Ölrouten vom Persischen Golf.

Verkehrswege bis Duisburg und Spanien

65 Länder sollen ihr Interesse angemeldet haben. In Europa stehen zwei Regionen im Fokus: Zentral- und Mitteleuropa sowie die Mittelmeer-Region. Prominente Projekte waren und sind die Übernahme des griechischen Hafens von Piräus und der geplante Bau der Eisenbahn zwischen Belgrad und Budapest.

Auch die neuen Güterzugverbindungen von China bis zum großen europäischen Binnenhafen Duisburg, den Xi Jinping 2014 besichtigt hatte, oder bis nach Spanien, zählen dazu. Doch auch diese Projekte waren zum Teil vorher gestartet worden.

China muss Vertrauen erarbeiten

Die Initiative verfolgt verschiedene Ziele. So versucht China unter anderem auch, seine technischen Standards beim Eisenbahnbau, in der Telekommunikation oder im Energiewesen zu exportieren. Bestes Beispiel ist der Bau der Hochgeschwindigkeitsbahn in Indonesien, wo sich China gegen Japan durchgesetzt hat. „Für Peking könnte dieses Geschäft verlustbringend sein, aber es ist ein großer Durchbruch, ein anderes Land zu überzeugen, chinesische Technologie und Standards zu akzeptieren“, findet Peter Cai vom australischen Lowy-Institut.

Experten sehen durchaus Potenzial, mit den Investitionen regionales und globales Wachstum anzukurbeln. Aber die Gefahr durch Korruption oder die Förderung nutzloser oder nicht lebensfähiger Vorhaben ist groß. Auch gebe es „einen beträchtlichen Mangel an Vertrauen“ zwischen China und Ländern, die für die Initiative infrage kommen, meint Cai. Bestes Beispiel sei Indien, das Chinas Kooperation mit seinem Rivalen Pakistan misstrauisch beäugt. Indiens Premier Narendra Modi fehlt denn auch auf dem Gipfel in Peking.

Schwierige Partner

Weitere Hindernisse: Zwei Drittel der OBOR-Länder haben eine derart schlechte Kreditwürdigkeit, dass Chinas Banker zurückzucken. Hinzu kommen politische Instabilität und Sicherheitsrisiken für Chinas Unternehmen, die beim Bau der Infrastrukturprojekte vorrangig zum Zuge kommen sollen, was ohnehin umstritten ist. Unter der Frage „Chinas Seidenstraße nach Nirgendwo?“ sagte Angela Stanzel von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) schon früh „große Herausforderungen“ voraus.

(dpa)