Auf dem IDU-Podium debattierten CSU-MdB Florian Hahn, CSU-MdL Reinhold Bocklet, der britische Abgeordnete David Lidington und der Politologe Roland Freudenstein (v.r.). (Foto: Bayerischer Landtag)
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Strategien gegen Moskaus Offensive

Auf der Tagung der konservativen Parteien-Vereinigung IDU in München wurde ein brisantes Thema diskutiert: Wie können sich westliche Demokratien gegen zunehmende Einmischung aus Russland wehren. Und wie verfährt man mit teilweise massiv von Moskau finanzierten Populisten.

„Russland versucht die politische Ordnung im Westen zu unterminieren und Deutschland ist das Angriffsziel Nummer eins im Jahr 2017.“ Es war eine deutliche Botschaft, die der frühere US-Kongressabgeordnete Mike Rogers den mehr 70 Delegierten der International Democratic Union (IDU) überbrachte. Die Politiker aus mehr als 35 Ländern hatten sich zu einer Tagung des Zusammenschlusses bürgerlich-konservativer Parteien im Bayerischen Landtag in München getroffen. Geladen hatte der ständige Ausschuss für Außenpolitik der IDU. Schwerpunkt des Treffens waren unter anderem Russlands Einflussversuche im Westen und der teilweise von Moskau geförderte Aufstieg populistischer Parteien.

Russland will durch eine Schwächung Deutschlands die EU und die Nato treffen.

Mike Rogers

Der Republikaner Rogers arbeitet inzwischen für das International Republican Institute (IRI), eine gemeinnützige Einrichtung, die sich vor allem um die Förderung der Demokratie kümmert. Das IRI beobachte seit Jahren, wie Moskau intensiv versuche, seinen Einfluss im Westen auszudehnen und politische Entscheidungen in seinem Sinne zu beeinflussen, berichtete Rogers.

Deutschland als Ziel Nummer eins

Der US-Politiker warnte mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland vor verstärkter russischer Einmischung. Vor allem Deutschland stehe im Zentrum des Interesses: „Russland will durch eine Schwächung Deutschlands die EU und die Nato treffen.“

Um seine Ziele zu erreichen, bediene sich Russland verschiedener Strategien, berichtete Rogers. Dazu zählten Hacker-Angriffe auf staatliche und politische Einrichtungen und Organisationen – wie zuletzt während der US-Wahl – das gezielte Verbreiten von Falschmeldungen, der Einsatz von „Troll-Fabriken“ – das sind Computerprogramme, die über Kommentare und Postings versuchten, Debatten im Internet zu beeinflussen – sowie die direkte Finanzierung von Parteien aus dem populistischen Spektrum.

Bei der Suche nach Verbündeten geht Moskau nicht wählerisch vor: Zu den Parteien, die finanzielle Unterstützung in Millionenhöhe aus Russland erhalten haben, zählten nach Rogers Angaben etwa Frankreichs Front National. Moskau unterhalte aber auch Verbindungen zu rechtsextremen Parteien in Griechenland und Ungarn, zur italienischen Cinque-Stelle-Bewegung und habe zuletzt ein Kooperationsabkommen mit der FPÖ abgeschlossen.

Falschnachrichten stiften Unruhe

Direkte Einmischung aus Moskau habe es auch vor der Abstimmung über das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine in den Niederlanden gegeben. Hier habe Russland Gegner des Abkommens finanziert, so Rogers. Russische Medien wie „Russia Today“ und „Sputnik News“ verbreiteten Moskaus Sicht der Dinge und versuchten durch ihre Propaganda die Menschen im Westen zu beeinflussen. So berichteten sie vor der Abstimmung in den Niederlanden wiederholt über „bewaffnete, faschistische Banden“, die angeblich in den Straßen Kiews patrouillierten.

Trotz ihrer teilweise sehr unterschiedlichen Ausrichtung hätten alle Akteure, die Moskau unterstütze, doch gemeinsame Ziele: Sie seien europafeindlich und antiamerikanisch. Und genau auf diese beiden Pfeiler der westlichen Ordnung richte Moskau sein Attacken: die Europäische Union und das transatlantische Bündnis.

Das ist ein schlechtes Signal für Demokratiebewegungen im Rest der Welt.

Roland Freudenstein

Der Vorsitzende des IDU-Außenpolitik-Ausschusses, der Fraktionsvorsitzende der Tories im Britischen Unterhaus, David Lidington, erklärte, Angriffe Moskaus hätten sich in den vergangenen zehn Jahren intensiviert und seien immer professioneller geworden. Die Absicht sei klar: Putin versuche die politische Ordnung, wie sie sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs entwickelt habe, zu seinen Gunsten zu verändern.

Der Westen ist schwach

Der Leiter des Wilfried Martens Zentrums für Europäische Studien, Roland Freudenstein, kritisierte angesichts der russischen Interventionen die Schwäche des Westens. Sie zeige sich in vielen Regionen, derzeit etwa im Nahen Osten. Dort wachse Moskaus Einfluss kontinuierlich. „Das ist ein schlechtes Signal für Demokratiebewegungen im Rest der Welt.“ Freudenstein warb für eine basis-demokratische Antwort auf Russlands aggressive Politik. Parteien, Medien, Verbände – alle müssten sich gemeinsam gegen die Politik Moskaus stellen. Die Regierungen alleine, so Freudenstein, könnten keine adäquate Antwort darauf geben.

Doch wie soll man im eigenen Land mit den populistischen Parteien umgehen, die mit teilweise massiver Unterstützung Moskaus beträchtliche Wahlerfolge erzielen? Für den CDU-Europaabgeordneten David McAllister war die Antwort klar: Es dürfe keinerlei Zusammenarbeit geben, appellierte er an die Delegierten. „Das sind böse, gefährliche Menschen“, warnte McAllister.

Kooperation oder Ächtung?

Wie kompliziert der Umgang mit Populisten tatsächlich ist, zeigten zwei Beispiele. Die schwedische Abgeordnete Cecilie Tenfjord-Toftby berichtete über die Erfahrungen ihrer konservativen Partei mit den Schweden-Demokraten. „Zunächst haben wir so getan, als existierten sie nicht“, sagte Tenfjord-Toftby. Weder mit der Partei noch deren Themen habe man sich beschäftigt. Doch das sei ein Fehler gewesen. Dem Erfolg der Populisten habe der Boykott nicht geschadet. Im Gegenteil: In Umfragen hätten die Wähler den Schwedendemokraten letztendlich hohe Kompetenzen bei Themen wie „Zuwanderung“ und „Innerer Sicherheit“ zugeschrieben. „Wir müssen zu den Menschen gehen und ihre Probleme ernst nehmen“, lautete Tenfjord-Toftbys Fazit. „Und wir müssen ihnen Lösungen präsentieren.“ So könne man auch die Populisten schlagen. „Die Wähler wollen nämlich keine Politiker, die nur die Probleme benennen. Sie erwarten von ihnen Lösungen.“

Wir müssen von unserem Podest herabsteigen. Und wir müssen besser sein als die Populisten.

John-Ragnar Aarset

Der norwegische Staatssekretär John-Ragnar Aarset verteidigte dagegen die Koalition, die seine konservative Partei „Rechts“ seit 2013 mit der Fortschrittspartei bildet. Es sei ein langer Weg gewesen, bis die Fortschrittspartei als Koalitionspartner in Frage gekommen sei. Aber zuletzt seien deren Vertreter bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen, berichtete Aarset. Und auch inhaltlich habe man sich angenähert. Schon vor der Wahl in Norwegen habe es zudem die klare Bereitschaft aller konservativen Kräfte gegeben, eine Regierung zu bilden, sollte dies möglich sein.

CSU als Inspiration

Auch Aarset kritisierte die fehlende Bereitschaft vieler etablierter Parteien wirklich auf die einfachen Bürger zu hören und deren Probleme wahrzunehmen. „Wir müssen von unserem Podest herabsteigen“, forderte er. „Und wir müssen besser sein als die Populisten.“ Beide Politiker waren sich in einem Punkt einig. Populisten seien immer dann erfolgreich, wenn etablierte Parteien zu spät auf Probleme reagierten. „Gebt nicht den Populisten die Schuld dafür, dass sie erfolgreich sind, gebt euch selbst die Schuld“, lautete das selbstkritische Fazit.

Der britische Konservative Lidington nannte zum Ende der Diskussion noch ein positives Beispiel für eine bürgernahe Politik. Die CSU regiere seit 60 Jahren in Bayern, sagt er. Ein Teil ihres Erfolges sei es, immer wieder neue Themen aufzugreifen und Probleme zu lösen – auch solche, die von Populisten angesprochen würden. „Das“, so Lidington, „sollte Inspiration für uns alle sein.“