Schmutzige Ecke: Einmündung Leonrodstraße/Landshuter Allee, wo in München die höchsten Emissionswerte gemessen werden. (Foto: Imago/HRSchulz)
Verkehr

Keine Schadstoff-Bremse in Städten

Umweltministerin Hendricks (SPD) stößt auf Widerstand, deutschen Städten per Verordnung die Möglichkeit zu geben, Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge wegen zu hoher Stickoxid-Werte zu verhängen. Bundesverkehrsminister Dobrindt hält dies für den "falschen politischen Ansatz". Zudem könnten die zuständigen Straßenverkehrsbehörden schon jetzt Umweltzonen einrichten und Verbote verhängen.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist mit ihrem neuen Vorstoß zum Einfahrverbot für Diesel-Autos in Städten auf Widerstand gestoßen. Das Verkehrsministerium kritisierte die vorgeschlagene Verordnung am Montag als nicht zielführend. Zudem hätten die Kommunen bereits jetzt Möglichkeiten, Autos mit hohem Stickoxid (NOx)-Ausstoß aus den Innenstädten heraus zu halten, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Die jeweils örtlich zuständige Straßenverkehrsbehörde könnte bereits über die Einrichtung von Umweltzonen Fahrverbote erlassen. Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes könnten sie auch Ausnahmen für Benziner, den Warenverkehr oder für Menschen mit Behinderung zulassen, regt das Haus von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) an.

Wo wir ran müssen, sind Fahrzeuge, die sich ständig im Stadtverkehr befinden, etwa Taxis, Busse, Behördenfahrzeuge.

Alexander Dobrindt

Dobrindt hält es für „nicht wirkungsvoll“, Autos mit Verboten zu belegen, die ein oder zweimal im Monat in die Stadt fahren. „Wo wir ran müssen, sind Fahrzeuge, die sich ständig im Stadtverkehr befinden, etwa Taxis, Busse, Behördenfahrzeuge. Die müssen wir baldmöglich auf alternative Antriebe umstellen. Das dient der Reduzierung von Stickoxiden deutlich mehr als Einfahrverbote.“ Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel äußerte sich zurückhaltend: Man solle doch erstmal damit beginnen, den öffentlichen Nahverkehr auf schadstoffarme Motoren und Elektroantrieb umzustellen. „Das wäre mein Vorschlag, damit mal direkt anzufangen.“ Die Chancen für eine Umsetzung von Hendricks‘ Vorschlag dürften damit gering sein.

Pläne des Umweltministeriums ausgehebelt

Nach den Plänen des Umweltministeriums sollten den Kommunen drei Instrumente an die Hand gegeben werden, um die durch Diesel ausgelöste NOx-Belastung zu senken. Erstens sollten sie mittels zusätzlicher Autoplaketten zu einigen Zeiten für bestimmte Autos die Zufahrt einschränken können. Zum zweiten sollte es die Möglichkeit geben, zwischen Autos mit geraden und ungeraden Nummernschildern zu unterscheiden und sie zu bestimmten Zeiten jeweils aus belasteten Bereichen zu verbannen. Drittens sollte es auch eine grundsätzliche Differenzierung zwischen Benziner und Diesel geben können.

Ein Sprecher des Umweltministeriums wies darauf hin, dass sein Haus von etlichen Kommunen und Ländern aufgefordert worden sei, neue Möglichkeiten eines Fahrverbots zu schaffen, um Autos, die hohe Stickoxidwerte hätten, aus den Innenstädten herauszuhalten. Offenbar gebe es hier unterschiedliche Auffassungen, ob die bestehenden Möglichkeiten eines Verbotes funktionieren. Im übrigen sehe die neue Regelung bereits Ausnahmen für den Wirtschaftsverkehr vor. Trotz der bisherigen Verbotsregelung hielten die Grenzwert-Überschreitungen bei Stickoxid in teilweise mehr als 80 deutschen Städten an. Es habe sich nichts geändert. Das sei auch eine Frage der öffentlichen Gesundheit. Zugleich laufe bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland in der ersten Stufe.

Keine blaue Plakette

Hintergrund ist, dass die EU wegen der anhaltenden Schadstoffbelastung in deutschen Städten bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat. Ein erster Vorstoß zu einer neuen blauen Plakette, die Fahrzeuge mit geringem NOx-Ausstoß kennzeichnen sollte, war schon am Widerstand der Verkehrsminister der Länder gescheitert. Kommunen sollten diese Plakette einführen können, um bei ungünstigen Wetterlagen mit hoher NOx-Belastung Innenstädte zeitweise sperren zu können. Der neue Vorstoß sei nun unternommen worden, da dies zahlreiche Kommunen sowie die Umweltminister der Länder gefordert hätten, erklärte das Bundesumweltministerium.

Das ist ein falscher politischer Ansatz. Es ist nicht wirkungsvoll, Autos mit Verboten zu belegen, die ein oder zweimal im Monat in die Stadt fahren.

Alexander Dobrindt, Verkehrsminister

Der Deutsche Städtetag wehrt sich dagegen, durch Fahrverbote für bestimmte Fahrzeugsorten die Verantwortung für eine saubere Luft zugeschoben zu bekommen. „Die Städte sind nicht Verursacher der Schadstoffe, und wir wollen den Verkehr in den Städten nicht lahmlegen“, erklärte Städtetags-Geschäftsführer Helmut Dedy. Lösen könne das Problem nur die Automobilindustrie – „durch sauberere Motoren“.

Für Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer hat das Jahr 2016 aber ohnehin den Niedergang des Dieselmotors bei Autos eingeläutet. Das zeige der deutliche Rückgang des Dieselanteils bei Neuwagen. „Mit dem Einbruch der Dieselmarktanteile steigt der klimaschädliche CO2-Ausstoß bei den Neuwagen. So sind im Vormonatsvergleich die Kohlendioxid-Werte der Neuwagen erstmals seit mehr als fünf Jahren wieder gestiegen“, heißt es in einer Untersuchung Dudenhöffers.

Umweltzonen wirkungslos?

Eine neue Fraunhofer-Studie ergab zudem erst vor wenigen Tagen, dass Umweltzonen keinen nachweisbaren Beitrag zur Verminderung der Feinstaubwerte leisten – genau an diesem Ausstoß orientieren sich aber die Plaketten. Im Gegenteil erhöht sich wegen der Dieselfahrzeuge der Stickstoffdioxidausstoß. Oder umgekehrt: Weniger Diesel bedeute mehr Feinstaub, das eine geht also nicht ohne das andere. „Umweltzonen bewirken keine Verbesserung der Luftsituation“, so Matthias Klingner, der Studienleiter, über seine wissenschaftlichen Ergebnisse. Um den NOx-Ausstoß zu verringern, sei ein flüssiger Verkehr das weitaus bessere Mittel, das diese Schadstoffe um 28 bis 55 Prozent reduziere. Auch der Schwerlastverkehr trage überproportionale Schuld an den Emmissionen, aufgezeigt am Beispiel Ulm: das Aussperren von nur 1100 schweren Lastern aus der Innenstadt führe zu den gleichen Einsparungen wie wenn man gleich 30 Prozent aller Ulmer Autos ein Fahrverbot erteilen würde.

(GD/avd)