Das hätte Hayek gefallen: Ohne freien Warenverkehr ist keine Marktwirtschaft vorstellbar. Weniger hätte ihm heute allerdings der Staatsinterventionismus und die hohen Steuern gefallen. Bild: Nightman1965/Fotolia/fkn
Friedrich August v. Hayek

Freiheit oder Sozialismus

Kommentar Wegweisend für Strauß, Erhard und Thatcher: Der Ökonom Friedrich August von Hayek kämpfte sein Leben lang für die Freiheitsrechte des menschlichen Individuums, für eine funktionierende Marktwirtschaft und gegen die Ideologie des Sozialismus. Über Sozialismus von links und rechts als Feindbild...

„Was tatsächlich die Sozialisten auf der Linken und auf der Rechten zusammenführt, ist die gemeinsame Feindschaft gegen die Konkurrenz und ihr gemeinsamer Wunsch, sie durch eine gelenkte Wirtschaft zu ersetzen.“ Dieses Zitat aus dem Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ von 1944 spricht sich vehement gegen eine staatliche Planwirtschaft aus, die letztlich immer zum Verlust der Freiheit und zu kollektiver Armut führt. Es stammt von einem der bedeutendsten Wirtschaftswissenschaftler des 20. Jahrhunderts: Friedrich August von Hayek (1899-1992). Sein Leben lang kämpfte Hayek für die Freiheitsrechte des menschlichen Individuums, für eine funktionierende Marktwirtschaft und gegen die Ideologie des Sozialismus. Seine Lehren übten großen Einfluss auf das ökonomische Denken konservativer und liberaler Politiker aus: Hierzu gehörten der Bundeswirtschaftsminister und spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard, der Bundesfinanzminister und spätere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß, ebenso der US-amerikanische Präsident Ronald Reagan und die britischen Premierminister Winston Churchill und Margaret Thatcher.

Geboren wurde Hayek am 8. Mai 1899 in Wien. Seine Familie entstammte dem k.u.k.-Beamten­adel; sein Vater war Arzt und Professor für Botanik. Nachdem er den Ersten Weltkrieg als Soldat an der Westfront verbracht hatte, absolvierte Hayek ab 1918 an der Wiener Universität ein Studium der Rechtswissenschaft. Dieses schloss er 1921 mit dem Doktor der Rechte ab. Nebenbei besuchte er Kurse in Ökonomie und Psychologie, denen sein eigentliches Interesse galt. 1923 erwarb er einen zweiten Doktortitel, diesmal in Volkswirtschaftslehre. Seit 1927 war Hayek beim Österreichischen Institut für Konjunkturforschung tätig, welches er gemeinsam mit dem brillanten Ökonomen Ludwig von Mises (1881-1973) leitete.

Wie viele Intellektuelle seiner Generation, die desillusioniert aus dem Krieg zurückkehrten, sympathisierte Hayek mit den Ideen des Sozialismus, die eine vermeintlich bessere und gerechtere Welt versprachen. Schon bald jedoch änderte Hayek seine Meinung schlagartig, maßgeblich beeinflusst durch die Lektüre des Buches „Die Gemeinwirtschaft“.

Verhängnisvolle Fehlallokationen und Versorgungsengpässe

Diese 1922 von Mises verfasste Abhandlung wies mit Argumenten, die auf logischem Weg nicht widerlegt werden können, nach, dass eine sozialistische Planwirtschaft niemals funktionsfähig ist: Wenn nämlich sämtliches Privateigentum abgeschafft und durch Kollektiveigentum ersetzt wird, existiert kein Markt mehr, auf dem Güter zu solchen Preisen gehandelt werden, die sich durch das freie Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage ergeben. Wenn es keine Marktpreise für Güter gibt, ist ergo auch keine Kostenrechnung möglich. Dies führt zu verhängnisvollen Fehlallokationen, gravierenden Versorgungsengpässen und schließlich zum Kollabieren des planwirtschaftlichen Systems.

Unter dem Einfluss von Mises entwickelte sich Hayek zu einem radikalen Marktwirtschaftler, eine Überzeugung, die er sein gesamtes weiteres Leben beibehielt. 1929 habilitierte sich Hayek im Fach Ökonomie. Zwei Jahre später wurde er an die London School of Economics berufen – als erster Nicht-Engländer überhaupt. 1938 nahm Hayek die britische Staatsbürgerschaft an. 1950 folgt er einem Ruf an die Universität von Chicago. Zwölf Jahre später siedelte er wieder nach Europa über, um einen Lehrstuhl in Freiburg zu übernehmen. Nach seiner Emeritierung 1969 wirkte er in Salzburg als Gastprofessor. 1974 wurde Hayek der Wirtschaftsnobelpreis verliehen, als Auszeichnung für seinen Beitrag zur Konjunkturtheorie. Nach einem langen und ereignisreichen Gelehrtenleben starb er am 23. März 1992 in Freiburg, im hohen Alter von 92 Jahren. Sein Grab befindet sich auf dem Neustifter Friedhof in Wien.

Welche Strömungen prägten Hayeks Denken? Am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert hatte sich in der Donaumetropole Wien ein einzigartiges intellektuelles Milieu herausgebildet, aus dem zahlreiche Geistesgrößen hervorgingen: die Philosophen Karl Popper und Ludwig Wittgenstein, die Komponisten Gustav Mahler und Arnold Schönberg, die Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal und Stefan Zweig, der Maler Gustav Klimt und der Psychologe Sigmund Freud. Diesem Umfeld entsprang auch eine der bedeutendsten Denkrichtungen der Volkswirtschaftslehre: die Österreichische Schule. Ihre wichtigsten Vertreter waren Carl Menger, Eugen von Böhm-Bawerk, Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek und der US-amerikanische Mises-Schüler Murray N. Rothbard.

Freiheitliche und marktwirtschaftliche Überzeugungen

Aus der Österreichischen Schule stammen bahnbrechende ökonomische Erkenntnisse, so die Lehre vom Grenznutzen sowie Theorien zu Geldpolitik, Zins und Konjunkturzyklen. Das übergeordnete Ziel ihrer Forschungen bestand darin, das wirtschaftliche Handeln des Menschen zu verstehen und davon solche ökonomischen Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, die unabhängig von Zeit und Ort allgemeingültig sind. Hayek und die übrigen Vertreter der Österreichischen Schule waren Wirtschaftsliberale („Freiheitliche“) im wahrsten Sinne des Wortes: Sie forderten die uneingeschränkte staatliche Anerkennung von Privateigentum und freien Verträgen sowie ein Vertrauen auf die Kräfte des freien Marktes. Eine sozialistische Interventions- und Umverteilungspolitik lehnten sie ab.

Ebendiese freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Überzeugungen flossen auch in Hayeks berühmtestes Werk ein: Es erschien zunächst 1944 in England als „The Road to Serfdom“ und 1945 auf Deutsch unter dem Titel „Der Weg zur Knechtschaft“. In diesem Buch, entstanden in der Endphase des Zweiten Weltkriegs unter dem Eindruck beispielloser Barbarei, analysierte Hayek die totalitären Geistesströmungen seiner Zeit.

Seine aufsehenerregende Kernthese lautete: Sozialismus und Faschismus besitzen denselben Ursprung. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Sowohl der rote als auch der braune Sozialismus stehen in größtmöglichem Gegensatz zum Liberalismus. Beide verfolgen das Ziel, die Demokratie und den Marktmechanismus sowie die Rechte der Individuen auf Privateigentum, Vertragsfreiheit und persönliche Freiheit zu zerstören. Beide wollen diese Errungenschaften der menschlichen Zivilisation durch eine Diktatur ersetzen, die auf einer sozialistischen Wirtschaftsordnung basiert, welche durch Pläne gelenkt wird. Und beide führen letztlich die Bevölkerung unausweichlich in die Knechtschaft: in einen Zustand der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Katastrophe. Den Sozialismus jeglicher Ausprägung erachtet Hayek als einen politischen und ökonomischen Irrtum, der mit einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat unvereinbar ist.

Das Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ entwickelte sich schon bald zum Bestseller. Man diskutierte sich die Köpfe heiß darüber: Besonders die radikalen Linken wollten nicht einsehen, dass es sich bei den sozialistischen Staaten Osteuropas hinter dem Eisernen Vorhang, bei Maos China und Castros Kuba um menschenverachtende totalitäre Regime handelte, deren planwirtschaftliche Konzeption mittelfristig zum Scheitern verurteilt war.

Zusammenbruch des Sozialismus bestätigt Theorie

Kurz vor seinem Tod konnte Hayek noch miterleben, wie seine Theorie durch die Realität eindrucksvoll bestätigt wurde: 1990 ereignete sich der Zusammenbruch der Sowjetunion, des größten planwirtschaftlichen Systems des 20. Jahrhunderts. Hayeks Thesen sind zeitlos gültig und besitzen auch in der Gegenwart ungebrochene Aktualität: denn gemäß Hayek hat jeder Staat die systemimmanente Tendenz, seine Staatsquote zu erhöhen, seine Bürokratie aufzublähen, in den Markt einzugreifen und individuelle Freiheitsrechte einzuschränken.

Der heutige überragende Einfluss der neokeynesianischen Ökonomie sowie die staatssozialistische Doktrin der Neuen Linken haben dazu geführt, dass Hayeks wirtschaftsliberale Lehren in Deutschland zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Einer der Politiker, der die Hayek‘schen Erkenntnisse wertschätzte, war Franz Josef Strauß. Insofern war es folgerichtig, dass die CSU im Wahlkampf zur Bundestagswahl 1976 – als sich die globale Welt im Kampf der Systeme zwischen Kapitalismus und Sozialismus befand – einen Slogan wählte, der von Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“ inspiriert wurde: „Freiheit oder Sozialismus“.