Die Beinamputation an Kaiser Friedrich III. im Jahr 1493 (Ausschnitt). Anonymes Gemälde von ca. 1500. Es hängt in der Graphischen Sammlung der Albertina Wien (Bild: BK)
Medizingeschichte

Kaiser ohne Bein

Kaiser Friedrich III. wäre heuer 600 Jahre alt geworden. Viel Nennenswertes hat der Habsburger nicht zuwege gebracht, obgleich er nach Kräften die Wissenschaften förderte. Immerhin hat er als Patient Anteil an einem Meilenstein der Medizingeschichte: der ersten dokumentierten chirurgischen Beinamputation 1493 - mit einem sehr speziellen Betäubungsmittel.

Kaiser Friedrich III., der heuer seinen 600. Geburtstag feiert, gehört zu den faszinierendsten Herrschern des Mittelalters. Aus dem Geschlecht der Habsburger stammend, regierte er von allen römisch-deutschen Königen des Mittelalters am längsten: von 1440 bis zu seinem Tod 1493. Überdies wurde er 1452 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt. Friedrichs Amtsführung zeichnete sich vor allem durch politische Untätigkeit aus. Hierüber machten sich viele Generationen von Historikern lustig und verliehen ihm einen wenig schmeichelhaften Beinamen: „des Heiligen Römischen Reiches Erzschlafmütze“.

Wie aus Beschreibungen seiner Zeitgenossen hervorgeht, war Friedrich eine ziemlich rätselhafte Persönlichkeit und verhielt sich für einen Mon­archen sehr untypisch: Er bevorzugte bescheidenes Essen und schlichte Kleidung, neigte zur Sparsamkeit und lehnte das Tanzen ab. Zudem machte er sich wenig aus gesellschaftlichen Verpflichtungen und höfischer Prachtentfaltung.

Untätiger Herrscher, aber Förderer der Wissenschaften

Seinem Hang zum Grüblerischen und Introvertierten frönend, zog sich Friedrich oft in seine Privatgemächer zurück und ging dort seinen Leidenschaften nach: Astrologie, Geschichte, Pflanzenkunde und Sammeln von Reliquien. Obgleich er sich als Staatsmann auf dem politischen Parkett nur wenig profilieren konnte, betätigte sich Friedrich immerhin als Mäzen der Wissenschaften und Künste: Er förderte Astronomie, Mathematik, Medizin und Musik, die an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert erblühten.

Aber nicht nur Friedrichs Interessen und Charakter sind bemerkenswert. Der Kaiser war auch als Patient in eine der berühmtesten Operationen des gesamten Mittelalters verwickelt: Am 8. Juni 1493 wurde ihm in Linz ein Teil seines linken Beins amputiert. Dabei zeigt sich, dass die Medizin im späten Mittelalter keineswegs so rückschrittlich war, wie gemeinhin angenommen. Es gab sogar Betäubungsmethoden, um dem Patienten zumindest die schlimmsten Schmerzen während der Amputation zu ersparen.

Sein Bein war schon schwarz

Das erste Zeugnis der Amputation ist eine bildliche Darstellung im Format 14,5 x 17,2 cm (siehe Bild) eines anonymen Malers. Auf blauem Hintergrund befindet sich in der Bildmitte der Kaiser Friedrich III. in sitzender Position mit einer Krone auf dem Haupt. Hinter ihm stehen sechs Ärzte in der damals üblichen Gelehrtentracht. Zwei weitere Ärzte knien vor dem Herrscher. Diese setzen gerade in Höhe des Unterschenkels eine Säge an das linke Bein des Kaisers an, das ausgestreckt auf einem Schemel liegt. Auffallend: Das Bein ist zwischen Fuß und Kniegelenk schwarz – Kennzeichen für abgestorbenes Körpergewebe.

Außerdem existiert ein Augenzeugenbericht über die Amputation, den der Arzt Hans Seyff (um 1440-1518) verfasste. Seit 1483 war Seyff als Wundarzt am Hof des Herzogs Albrecht IV. von Bayern-München tätig, dem Schwiegersohn des Kaisers Friedrich III. Anfang April 1493 entsandte ihn Albrecht nach Linz, um bei der Beinamputation mitzuwirken.

Drei halten fest, zwei sägen, zwei schauen zu

In der Fastenzeit des Jahres 1493 diagnostizierten die Leibärzte Friedrichs III. für das linke Bein des Kaisers eine Krankheit, die Hans Seyff in seinem Bericht als „Opilacio“ („Verstopfung“) bezeichnete. Ursache war höchstwahrscheinlich eine schwere Arterienverkalkung, heute „Arteriosklerose“ genannt. Wegen dieser Verkalkung litt das linke Bein an einem chronischen Durchblutungsmangel, was zu einer Unterversorgung des Körpergewebes mit Sauerstoff führte.

Seyff schildert, dass in Friedrichs linkem Bein ein stetig zunehmendes Taubheitsgefühl entstand. Außerdem habe sich das Bein im Bereich zwischen Fuß und Wadenhöhe zunächst blau, schließlich sogar schwarz gefärbt. Das schwarze Farbe weist darauf hin, dass das Körpergewebe zwischen Fuß und Wadenhöhe bereits abgestorben war. Wollte man eine Blutvergiftung vermeiden und das Leben des Kaisers retten, war eine Amputation des erkrankten Beinbereichs der einzig erfolgversprechende Weg.

Operation gelungen, Patient tot

Maximilian, der Sohn Friedrichs, erfuhr Ende April von der Erkrankung seines Vaters. Ende Mai sandte er einen seiner besten Ärzte, den bereits achtzigjährigen Matheo Lupi, nach Linz, wo sich Friedrich aufhielt. Die Amputation wurde am 8. Juni 1493 durchgeführt. Gemäß der Beschreibung von Seyff waren an dieser Operation sieben Ärzte beteiligt: Maximilians Leibarzt Lupi und Friedrichs Leibarzt Heinrich von Köln legten den genauen Ablauf der Amputation fest und überwachten den Eingriff.

Die Wundärzte Heinz Pflaundorfer von Landshut, Erhard von Graz und Friedrich von Olmütz hielten das linke Bein des Kaisers fest. Die beiden anderen Wundärzte Hans Seyff und Hilarius von Passau trennten das erkrankte Areal dieses Beins mit einer Säge ab. Nachdem die Blutung gestillt war, wurde der übrig gebliebene Teil des linken Beins sauber verbunden. Sechs Wochen nach dem Eingriff setzte die Wundheilung ein. Jedoch war der medizinische Erfolg lediglich von kurzer Dauer: Die Operation hatte den 82 Jahre alten Kaiser dermaßen körperlich geschwächt, dass er bereits am 19. August 1493 starb.

Alraune, Efeu, Maulbeeren, Mohn und Schierling

Eine solche Amputation erforderte eine zuverlässige Betäubungsmethode. Leider macht Hans Seyff in seinem Bericht keine Angaben, welches Verfahren hierfür eingesetzt wurde. Im Mittelalter war aber der sogenannte „Schlafschwamm“ ein weit verbreitetes Mittel, um eine Vollnarkose zu bewirken. Vermutlich fand ein solcher Schlafschwamm auch bei Friedrich III. Anwendung.

Bereits das „Bamberger Antidotarium“, eine Auflistung von Vergiftungen und den entsprechenden Gegenmitteln aus dem 9. Jahrhundert, schilderte das Verfahren: Man tränkte einen Schwamm mit betäubenden Drogen, die man beispielsweise aus der Alraunewurzel, Efeublättern, Maulbeeren und Mohnsamen sowie aus Früchten und Wurzeln der Schierlingspflanze gewann. Dieser Schwamm wurde dem Patienten so lang auf das Gesicht gedrückt, bis er die Dämpfe eingeatmet hatte und das Bewusstsein verlor.